Lützi lebt – weiter! ein Nachruf

Lützi lebt – weiter! ein Nachruf

Lützi lebt – weiter!   ein Nachruf

von Tabea Schünemann und Julia Schünemann

Lützerath ist geräumt, der Kampf gegen die Kohle scheinbar verloren. Einige Wochen nach der Großdemonstration sitzen wir zuhause und fragen uns: Lützerath – was bleibt? War das jetzt alles umsonst? Hätte ich mir die schlammigste Demonstration meines Lebens sparen können?  Konnte sich nicht mal das kleine Dorf in Gallien, äh NRW, den mächtigen Römern, äh RWE, entgegenstellen? Stirbt mit Lützerath nicht nur das 1,5 Grad-Ziel, sondern auch die Hoffnung? 

Jeder Frust, jede Resignation ist völlig nachvollziehbar. Für mich persönlich ist das jedoch keine Option. Ich möchte trotzig hoffnungsvoll bleiben. Also, was bleibt?

Zum einen eine Erfahrung von Demokratie. “This is, what democracy looks like!”
Ja! So viele Menschen haben deutlich gemacht: Es ist ihnen nicht egal, was mit der Welt passiert. Es wurde Solidarität gezeigt.
Mit den Menschen, die sich schon seit Wochen, Monaten und Jahren dafür eingesetzt haben und mit den Menschen, die insgesamt am meisten unter der Klimakrise leiden. Greta Thunberg und andere stellten dieses kleine Dorf in den Zusammenhang der globalen Klimabewegung. Es war klar: Hier geht es auch, aber nicht nur um ein konkretes Dorf.

Lützerath hat sich getraut, Grundsatzfragen aufzuwerfen:
Wie soll deutsche Klimapolitik aussehen?
Welchen Weg wollen wir gehen?
Von welcher Welt träumen wir?

Geht es um das Geld oder die Menschen? Die Aktivist*innen haben gezeigt: Sie sind nicht einverstanden mit dem bisherigen Weg und es ist Zeit für ein Umdenken. In Lützerath kam das ganze Dilemma deutscher Klimapolitik zusammen: Die Macht des Lobbyismus, eine unbegründete Sorge um Energieversorgung, die Priorisierung des eigenen Wohlstands, „Realpolitik“ vs. die Kompromisslosigkeit und Dringlichkeit der Klimakrise und ein aggressiver Umgang mit denen, die die nötigen Schritte einfordern. Aber es ist möglich, sie einzufordern. Ein passives Ertragen aller Entscheidungen ist keine Option. Und es sind viele, denen das alles nicht egal ist.
Wir sind nicht alleine mit unserem Engagement, wir können uns vernetzen und an anderen Stellen weitermachen. Was ja auch schon geschieht.
Wir alle sind Teil der Demokratie und es geht darum, sie wieder mehr mitzugestalten. Das ist unser Recht und unsere Pflicht.
Lützi lebt weiter, solange wir seinen Geist weiterleben lassen. 

Tabea Schünemann

 

Was außerdem von Lützi bleibt: Erfahrungen, die nicht vergessen werden und der Traum von einer besseren Welt.

Denn Lützi war ein Ort der Hoffnung, des Umdenkens und der Veränderung. Festgefahrene, gesellschaftliche Strukturen wurden auf den Kopf gestellt und die eigenen Lebensweisen hinterfragt. Eine Person, die zu der Zeit des Widerstands dort quasi Vollzeit gelebt hat, meinte einmal zu mir, sie lebe so gerne in Lützi, weil sie dort ein Leben mit den wenigsten Widersprüchen führen kann. 

Und das habe ich auch so erlebt: Hier ging es wirklich um die Menschen, die sich für sich und ihre Umwelt einsetzen. Das selbstorganisierte Leben sollte kapitalistische Muster von Konkurrenz und Profit ersetzen und unserer Konsumgesellschaft eine Alternative bieten.
Und das hat sich auch im alltäglichen Leben widergespiegelt. Die Gemeinschaft war unglaublich stark. Es wurde sehr viel Wert auf Offenheit, „Awareness“, also Achtsamkeit, Reflexion, Selbstbestimmung und Freiheit gelegt, ganz nach dem Motto „alles kann, nichts muss.“ Jeder Mensch durfte sich einbringen, wo er wollte und auch die allgemeinen Aufgaben, die anfielen, wurden gemeinschaftliche getragen. Durch die solidarische Grundeinstellung waren alle sehr hilfsbereit und auch die weniger angenehmen Punkte auf der Agenda (z.B. der Kloputz oder das Abspülen) wurden immer übernommen. Es war für mich auch eine tolle Erfahrung, ganz praktisch mit anzupacken und z. B. in der „KüfA“, der „Küche für Alle“, für mehrere hundert Personen Gemüse zu schnibbeln oder an den Baumhäusern weiterzubauen.
Ein Spruch, der mir da besonders im Kopf geblieben ist, lautet: „Bau auf, was dich aufbaut!“ Was für eine Einstellung!

Aber vor allem galt natürlich „Lützi Lebt“, also Lützerath lebendig zu machen!
Lagerfeuer mit Musik, Partys, Konzerte, Film- und Themenabende, lange Gespräche oder gemeinsames Kaffeetrinken an der Kante des Kohletagebaus waren an der Tagesordnung und haben das Leben geprägt. Das hat Lützerath auch zu so einem besonderen Ort gemacht: Hier wurde das Leben gefeiert und man hat erlebt, dass man nicht viel braucht, um ein Leben in Fülle und mit Qualität zu führen.

Und was bleibt davon?

Der gemeinsame Kampf für Gerechtigkeit und Veränderung geht weiter, auch bei jeder und jedem einzelnen von uns.
Lützi hat gezeigt, dass wir jeden Tag ein Stück weit die Wahl haben, wie wir leben wollen – auch in dem System, in dem wir leben.
Wir sind dazu angehalten, häufiger unsere Lebensweise zu hinterfragen, uns über Klimagerechtigkeit auszutauschen, und uns nicht davor zu scheuen, konkrete Veränderungen in unserem Leben zu schaffen und auf gesellschaftlicher und politischer Ebene zu fordern. 

Solidarität statt Egoismus, Toleranz statt Ignoranz, Engagement statt Gleichgültigkeit, Entschlossenheit statt Angst.

Lützi lebt weiter!

Julia Schünemann

MUTET UNS WAS ZU!

MUTET UNS WAS ZU!

MUTET UNS WAS ZU!

von Roland Vossebrecker

(Samstag, 14. Januar 2023, um 5 Uhr morgens, ich notiere mir die Kern-Gedanken zu diesem Artikel.

Die Stimmung ist aufgeheizt, es brodelt in Deutschland, die Klimabewegung ist in Aufruhr, heute wird die große Demo in Lützerath stattfinden. Hoffentlich bleibt es friedlich…

Die Enttäuschung und der Zorn über den Verlust von Lützerath ist riesig und richtet sich besonders gegen die Grünen. Teile der Klimabewegung werfen der Grünen Partei wegen des Deals mit RWE Hochverrat vor.

Ich selbst bin Mitglied der Grünen, habe die Aufgabe von Lützerath deutlich kritisiert und gehöre zu über 2.600 grünen Mitgliedern, die den offenen Brief „Grüne Grundwerte nicht verraten: Lützerath muss bleiben“ unterzeichnet haben. 

Mona Neubaur und Robert Habeck aber persönlich Verrat vorzuwerfen, ist – mit Verlaub – Quatsch! Auch wenn ich ihre Position in dieser Frage an entscheidender Stelle nicht teile, so habe ich doch nicht den geringsten Zweifel, dass die beiden das aus ihrer Sicht Beste und Sinnvollste für den Klimaschutz herausholen wollten.

Der Vorwurf des Verrats emotionalisiert und schafft ein Feindbild, an dem man sich abarbeiten kann. Das schafft vielleicht ein Ventil für den eigenen Frust, ist aber nicht konstruktiv.

Denn das Problem liegt tiefer, – und es betrifft auch, aber nicht nur die Grünen.)

Mutet uns was zu!

Deutschland verfügt mit Robert Habeck (Minister für Wirtschaft und Klimaschutz), Annalena Baerbock (Außenministerin, mit der erklärten Absicht einer „Klima-Außenpolitik“), an ihrer Seite Jennifer Morgan (Staatssekretärin für internationale Klimapolitik), und Steffi Lemke (Umwelt-Ministerin) über ein ehrgeiziges und kompetentes Team für den Klimaschutz, dazu über einen Kanzler, der sich im Wahlkampf als künftiger „Klimakanzler“ ankündigte.

 

Wieso wird Deutschland dennoch regelmäßig bescheinigt, die eigenen Klimaziele zu verfehlen, geschweige denn, den historisch wirklich gerechten Anteil am Klimaschutz zu leisten?1

Annalena Baerbock:

„Wir stehen vor entscheidenden Jahren für den Klimaschutz und die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie. Es ist Zeit zu handeln.

Es geht um eine grundsätzlich andere Form des Wirtschaftens – ein Wirtschaften, das die planetaren Grenzen anerkennt und ohne Kohle, Öl und Gas auskommt.

Dass eine radikale Klimapolitik das neue „Realistisch“ ist, sagen Grüne ja nicht erst seit gestern.“

Radikale Klimapolitik ist das neue „Realistisch“, – was für eine großartige Aussage. Die Realität deutscher Klimapolitik sieht leider aber immer noch anders aus:

„Die nordrhein-westfälische Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne) hat die Räumung von Lützerath verteidigt:

Es gehe dabei um die Energieversorgungssicherheit, „wir müssen das schlimmste Szenario gut vorbereitet haben, sagte sie in der WDR-Sendung „Aktuelle Stunde“. Dazu gehöre auch die „Zuhilfenahme von sehr klimaschädlicher Braunkohleverstromung zu sichern„.“2

In die gleiche Richtung zielte die Aussage von Robert Habeck:

„Wir haben im letzten Jahr tatsächlich eine brandgefährliche, eine realistische Gefahr gehabt, dass Deutschland kalt bleibt.“3

 

Da möchte ich korrigieren: Wir haben eine realistische Gefahr, dass Deutschland (und der Rest der Welt) heiß wird!

Genau hier sehe ich den Fehler deutscher (und nicht nur Grüner) Klimapolitik: Unsere „Versorgungssicherheit“, unser Wohlstand, unser Wirtschaftswachstum wird immer wieder priorisiert – weil man uns „radikale“ Klimapolitik nicht zumuten möchte.

Die Furcht vor dem Zorn vermeintlicher Möchte-gern-Gelbwesten aus dem rechten Lager scheint größer zu sein als vor dem Zorn einer enttäuschten Klimabewegung.

 

Man wähnt die Demokratie in Gefahr durch die Proteste überforderter Wutbürger, verdrängt aber gleichzeitig die Gefahr für die Demokratie, die sich aus der Klimakatastrophe ergeben werden. Wie werden unsere Demokratien und unser Wirtschaftssystem 200 Millionen Klimaflüchtlinge (Schätzung der Weltbank für 2050) aushalten?

 

Vor allem aber: Die Furcht vor der Zumutung eines „Wohlstandsverlustes“ – den die Autorin Katja Diehl treffend auf den Punkt brachte: „Letztlich ist nicht unser Wohlstand, sondern vor allem unser Überkonsum bedroht.“ – diese Furcht ist größer als die Furcht vor den Verlusten, die uns und dem Rest der Welt durch die Klimakatastrophe drohen.

 

Der deutsche Wohlstandsverlust durch die aktuelle Inflation ist für die meisten hierzulande (nicht für alle!) ein Luxusproblem. Wie mögen die Menschen in der Ukraine oder gar in Somalia darüber denken?

 

Gleichzeitig fehlt der Politik insgesamt auch der Mut, den nötigen Wandel wirklich gerecht zu gestalten, also jene von gestiegenen Energie- und Lebensmittelkosten wirklich stark Betroffenen entschieden zu helfen. Stattdessen gab es mit dem Tankrabatt eine staatliche Subventionieren fossiler Energie, ein 49-€ statt eines 9-€-Tickets und eine Heizkosten-Abschlags-Übernahme für Alle, eben auch für jene, die diese Hilfe gar nicht brauchen (für mich z. B.). 

Wie könnte man also eine Akzeptanz für eine neue, realistische, radikale Klimapolitik erreichen?

Wie erreichen wir die nötige Mehrheit für die notwendige, radikale Klimapolitik? 

Dafür bedarf es einer mutigen politischen Kommunikation, die die Gefahren der Klimaentwicklung, aber auch die Chancen eines Systemwandels klar benennt.

 

Unsere Aufgabe als Klimabewegung muss aber auch sein, einen gesellschaftlichen Wandel anzuregen und mitzutragen, und der Politik zu signalisieren:

Mutet uns was zu, mutet uns endlich was zu!

 

Denn wir wissen, dass die Rettung nicht umsonst zu haben ist, und wir wissen:

Klimaschutz ist teuer, die Klimakatastrophe aber wird viel teurer werden, und sie wird nicht nur in € und $ bezahlt, sondern mit Menschenleben!

Es gibt viel zu verlieren, – es gibt aber auch viel zu gewinnen. 

(Sonntag, 15. Januar.

Die Demo ist vorbei, unglaublich viele Menschen haben trotz widrigstem Wetter friedlich demonstriert. Leider gibt es auch erschreckende Bilder von Gewaltanwendung und heftige Vorwürfe beider Seiten, sowohl von der Polizei wie auch von den Aktivisten. 

Von jeder Gewaltanwendung distanzieren wir uns hiermit ausdrücklich!

Von den gewalttätigen Szenen haben wir vor Ort nichts mitbekommen. Wo wir uns aufgehalten hatten, war die Stimmung friedlich und entspannt, wenn auch entschlossen. 

Die Gräben zwischen Klimabewegung und den Grünen sind – das konnte man spüren – sehr tief, und beide Seiten sollten nun daran arbeiten, diese wieder zu überwinden und zur Zusammenarbeit zurückzufinden. Für die Bewegung gibt es aktuell im politischen Spektrum keine wirkliche Alternative, und die Grünen können es sich nicht leisten, den Rückhalt der Klimabewegung zu verlieren.

Vom Dorf Lützerath existiert nun nicht mehr viel, vom Geist und der Energie Lützeraths aber noch eine ganze Menge. Etwa 35.000 Menschen waren da mit der deutlichen Botschaft: 

RWE, lass die verdammte Kohle im Boden!)

Roland Vossebrecker

1  Deutschland wird, Stand heute, das eigene Klimaziel für 2030 verfehlen und hat praktisch keine Chance mehr, seinen gerechten Teil beizutragen, um das globale 1,5-Grad-Ziel einzuhalten.

Deutschland gehört, ob man das wahrhaben will oder nicht, zu den Ländern, die weiterhin an einer Schnellstraße in die Klimahölle bauen – oder besser gesagt betonieren.“

https://www.klimareporter.de/klimakonferenzen/an-der-schnellstrasse-zur-hoelle-wird-weiter-betoniert 

2 https://www.sueddeutsche.de/politik/demonstrationen-duesseldorf-nrw-wirtschaftsministerin-verteidigt-raeumung-von-luetzerath-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-230114-99-215857

3https://www.zdf.de/nachrichten/politik/habeck-interview-luetzerath-energieversorgung-100.html 

Kleben fürs Klima – ein Statement zur „LetzTen Generation“ 

Kleben fürs Klima – ein Statement zur „LetzTen Generation“ 

Kleben fürs Klima – ein Statement zur „Letzten Generation“

von Raik Weidemann

Kleben fürs Klima. Was soll das bitte bringen? Was haben Monet, Beethoven oder der Otto-Normalverbraucher im Feierabendverkehr mit dem Klima zu tun??!

Wir alle sind einfach nur genervt von diesen überheblichen Aufmerksamkeits-Junkies. Ihre Aktionen treffen die Falschen, sind einfallslos und überschreiten zunehmend Grenzen. Statt Menschen für den Klimaschutz zu begeistern, erreichen sie genau das Gegenteil. 

 

Das jedenfalls ist die Kernaussage nahezu aller, mit denen ich mich über die Klima-Kleber unterhalte. Die Haltung dahinter heißt: „Natürlich bin ich fürs Klima. Aber irgendwie muss der Klimaschutz so gestaltet werden, dass ich möglichst nichts davon merke und mein Leben in gewohnter Weise fortführen kann.“ Aber funktioniert das? 

 

Schon jetzt stört das Klima immer wieder unseren Alltag. Als ich letzten Sommer mit meiner Freundin ihre Eltern in der Oberlausitz besuchen wollte, sind wir in Dresden stecken geblieben. Ein Waldbrand in Klotzsche hat die Schienen bedroht, wodurch der Bahnverkehr eingestellt wurde. Glücklicherweise hat mein künftiger Schwiegervater in eine überteuerte Tankladung fossiler Energie investiert und uns abgeholt. Ohne Störung durch Klimakleber sind wir so am selben Abend noch angekommen. Mit diesem Auto haben wir am übernächsten Tag auch einen Ausflug nach Tschechien gemacht und sind dort in den wunderschönen Wäldern der böhmischen Schweiz spazieren gegangen – eine Woche bevor auch diese abgebrannt sind.

 

Wie sieht unsere Welt in 30 Jahren aus, wenn sich die Intensität und Häufigkeit dieser Waldbrände vervielfachen? Was machen wir, wenn die Seine über die Ufer tritt, das Lager des Louvre überflutet und tausende von Kunstschätzen unwiderruflich zerstört? Wenn Hamburg unter Wasser steht und Beethoven nie wieder in der Elbphilharmonie erklingt, werden wir uns dann wünschen, wir hätten früher gehandelt? Werden wir es bereuen, dass wir nicht 30 Jahre früher freiwillig unser Leben radikal verändert haben? 

 

Die Erkenntnisse zum Klimawandel sind alt. Friedliche Klimaproteste gibt es seit mindestens 20 Jahren und ganz verstärkt in den letzten fünf Jahren. Warum ändert sich nichts? Andreas Malm weist in seinem Buch „Wie man eine Pipeline in die Luft jagt“ darauf hin, dass erfolgreiche Bewegungen wie der Kampf gegen die Sklaverei in den USA, der Kampf gegen die Apartheid in Südafrika, die Suffragetten-Bewegung oder der arabische Frühling nicht nur friedliche Demonstrationen, sondern auch militante Kämpfe waren. Vielleicht erreichen wir wirksamen Klimaschutz auch erst durch zivilen Ungehorsam, Eingreifen, Sabotage und Konfrontation. Klar ist, dass sich Politik und Wirtschaft ändern müssen. Aber geht Klimaschutz ohne gesellschaftlichen Wandel? 

 

Nein! Jeder einzelne von uns muss sein Leben umstellen, muss auf manche Annehmlichkeiten verzichten, muss lieb gewonnene Gewohnheiten ändern. Zwar richten sich die Forderungen der „Letzten Generation“ an die Politik, doch stören ihre Protestformen unseren Alltag, ärgern uns, zwingen uns zum Anhalten, und bringen uns so Nachdenken.

 

Die letzte Generation sind wir alle. Wir sind die Letzten, die die schlimmsten Ausmaße der Klimakatastrophe noch abwenden können. Jeden Tag bekommen wir aus der Zukunft die Hand gereicht. Jeden Tag können wir aufs Neue entscheiden, ob wir mit einen Weiter-so dieses Angebot ablehnen und unsere eigene Zukunft zerstören, oder ob wir uns an den Verhandlungstisch setzen und die Bedingungen aushandeln, die uns eine lebenswerte Zukunft ermöglichen – eine Zukunft mit Monet, mit Beethoven, aber ohne Otto-Motor.

Letzte Diskussion?!

Letzte Diskussion?!

Letzte Diskussion?!

von Tabea Schünemann

Ein Kommentar zur „Klimakleber“-Kontroverse

Wer erwartet, dass wir uns als Initiative Klimagerecht Leben hier an dieser Stelle zu den Protesten der „Letzten Generation“ positionieren, den muss ich jetzt leider enttäuschen. Zum einen gibt es dazu innerhalb unserer Gruppe so viele Meinungen wie Mitglieder, sodass eine geschlossene offizielle Haltung dazu unmöglich und auch nicht zwingend nötig ist. Zum anderen ist es meiner Meinung nach auch gar nicht die eigentliche Frage, wie diese Proteste zu bewerten sind oder wie legitim ziviler Ungehorsam in welcher Form ist. Natürlich sind das alles interessante Fragen, die auch die Klimabewegungen beschäftigen, aber die aktuelle Diskussion verläuft in meinen Augen total schief und geht an den dringenden Fragen vorbei

Anstatt über die Aktionsformen der „Letzten Generation“ zu diskutieren, müsste man fragen:

Was bewegt Menschen dazu, sich auf der Straße festzukleben, damit endlich mal ihr Anliegen ernst genommen wird? Wieso gelingt es einer demokratischen Gesellschaft nicht, diesen Menschen zuzuhören?

Ihre Anliegen und Forderungen sind absolut berechtigt, aber anstatt dies schuldbewusst anzuerkennen und sich der eigenen Verantwortung bewusst zu werden, werden sie kriminalisiert.

Um abzulenken von der unbequemen Wahrheit, die diese Menschen wagen, auszusprechen!
Diese Proteste wären überhaupt nicht nötig, wenn schon längst das politische und gesellschaftliche Bewusstsein für die Dringlichkeit von Klimaschutz und die entsprechenden (versprochenen) Handlungen vorhanden wären! Dies zeigen sie in aller Deutlichkeit.

Die Frage ist also eher:
Wie konnte es überhaupt so weit kommen?
Ich deute die Proteste als verzweifeltes: 

JETZT HÖRT ENDLICH MAL ZU UND MACHT MAL WAS!

Alles konventionelle Reden und Demonstrieren scheint nicht zu reichen, damit alle endlich verstehen, dass jetzt wirklich etwas getan werden muss.
Das ist keine apokalyptische Panikmache einer Jugend, die vergessen hat, in ihren 20ern Spaß zu haben!
Es sind auch keine „Klimakleber“, denen es Spaß macht, von Passant*innen angepöbelt zu werden.
Es sind Menschen mit einer schlichte Forderung: Hört den Wissenschaftler*innen endlich zu, ist das zu viel verlangt?
Natürlich bedeutet Demokratie auch Kompromisse und langsame Prozesse, aber die aktuelle Debatte verlangsamt diese noch mehr, weil lieber über die Legitimität der Proteste diskutiert wird als endlich im Handeln weiterzukommen.
Es scheint manchen gesellschaftlichen und politischen Strömungen ganz gelegen zu kommen, denn so muss man sich nicht der eigenen Verantwortung stellen, zu der man gezogen wird.

Warum werden Klimaaktivist*innen kriminalisiert und nicht die großen Verbrecher*innen der Klimakrise?
Warum wird nicht thematisiert, welche Gewalt die Klimakrise hervorbringt und welche Verantwortung der Bundesregierung auch laut Bundesverfassungsgericht darin zugeschrieben wird? Welche Tote sie schon gefordert hat, fordert und fordern wird? 

Dazu untersucht Gesa Lindemann in einem Zeit-Artikel den Begriff der Gewalt genauer und schlägt die Formulierung „ökologische Gewalt“ in Anlehnung an das Klimaschutz-Urteil des Bundesverfassungsgerichts vor. 

Sie kommt zu dem Schluss: 

„Die Aktionen von Letzte Generation oder Ende Gelände tun nichts anderes, als die deutsche Politik daran zu erinnern, dass das BVerfG sie dazu verpflichtet, der ökologischen Gewalt nach innen und in der internationalen Politik entgegenzutreten.“

Lasst uns bitte über die wirklichen Verbrechen und Verantwortungen sprechen!

Lasst uns die wissenschaftlichen Erkenntnisse und Warnungen endlich ernst nehmen!

Lasst uns endlich das Richtige tun, statt über das Falsche zu reden!

Tabea Schünemann

Statement zur COP27

Statement zur COP27

Statement zur COP27

von Roland Vossebrecker

Die 27. Weltklimakonferenz ist zu Ende und die Ergebnisse sind mehr als ernüchternd.

Um mit dem Positiven zu beginnen:

Hoffnungsvoll stimmte der Auftritt von Brasiliens künftigem Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva, der ankündigte, die Abholzungen und Brandrodungen im Amazonas-Regenwald gänzlich stoppen zu wollen.

Des Weiteren wurde im Abschlussdokument das 1,5°-Ziel bekräftigt. Im Grunde ist das aber eher eine Peinlichkeit, denn seit Paris 2015 sollte das eine Selbstverständlichkeit sein. Ehrlicher wäre es, einzugestehen, dass dieses Ziel vielleicht noch physikalisch zu erreichen wäre, politisch aber nicht. Denn eine Abkehr von Öl und Gas wurde nicht beschlossen und die Welt ist weiter auf einem (+/-) 2,5°-Pfad.

Außerdem wurde in letzter Minuten ein Fonds vereinbart, aus dem Klimaschäden in besonders betroffenen Ländern abgefedert werden sollen.

Allerdings muss auch hier ein großes „Aber“ angeführt werden:

Für die 10-jährige Nakeeyat Dramani Sam aus Ghana, die von den zerstörerischen Folgen des Klimawandels in ihrem Land berichtete und die einfache Frage stellte „Wann zahlt ihr uns zurück?“, gab es standing ovations. Aber Applaus ist billig, Klimafolgeschäden sind teuer!

Es wurde weder geregelt, wie viel in den Topf eingezahlt werden soll, noch wer bezahlen wird. Entscheidungen darüber wurden auf die nächste COP in einem Jahr in Dubai vertagt.

Wie glaubwürdig ist also eine solche Ankündigung? 2009 hatten die Industrienationen versprochen, ihre Klimahilfen für ärmere Länder bis 2020 auf 100 Milliarden $ zu erhöhen. Dieses Versprechen wurde bis heute nicht eingehalten, stattdessen wurden die Bilanzen systematisch schöngerechnet:

Pressemitteilung von Oxfam

Kritikwürdig ist und war der Austragungsort der COP in Ägypten, einem Land, das massiv Menschenrechte verletzt, Aktivist*innen bespitzelt und offensichtlich kaum in der Lage oder willens war, die Konferenz zielgerichtet zu leiten. Die Möglichkeiten für zivilgesellschaftlichen Protest wurden massiv beeinträchtigt.

Auch der Luxus-Badeort Sharm El-Sheik machte es vielen Aktivist*innen aus ärmeren Ländern schwierig bis unmöglich, an der Konferenz überhaupt teilzunehmen, während sich die Lobbyist*innen fossiler Konzerne die Klinke in die Hand gaben.

Alles in allem bleibt der traurige Eindruck, dass sich der Nationalegoismus einmal mehr durchgesetzt hat.

Roland Vossebrecker