Besser Leben

„Wir brauchen also ein Bild von einer besseren Welt. Denn wir wollen nicht immer nur Brände löschen, Löcher stopfen und Katastrophen verhindern. Doch dieses Bild müssen wir mitgestalten. Wir müssen zuallererst in unserer Fantasie ein besseres Leben erschaffen. Nur wenn wir eine Idee davon haben, wofür und nicht wogegen wir kämpfen, können wir es erreichen.“

 

Raul Krauthausen, Benjamin Schwarz, Wie kann ich was bewegen, 2021

Die klimagerechte Umstellung unseres Lebens, unser Konsumverzicht und unsere Spendenbereitschaft sind kein beschwerlicher Opfergang in ein entbehrungsreiches, tristes Leben. Im Gegenteil, das verleiht Sinn, entspannt das Verhältnis zum Geld, beseitigt den Stress des Konsumzwangs, befreit von der Last unnötigen Besitzes und macht Spaß.

…verleiht  Sinn:

Das „bessere Leben“ ist ein Projekt. Es verwirklicht sich nicht von heut‘ auf morgen, aber einmal begonnen entwickelt es seine eigene, mitreißende Konsequenz.

Aus der Glücksforschung wissen wir, dass die Vermehrung von Besitz über die Sicherung der Grundbedürfnisse hinaus nicht zu einem Glücks-Zuwachs führt. Für ein erfülltes und glückliches Leben sind hingegen drei Faktoren ausschlaggebend:

– Hedonismus, die Fähigkeit, mit allen Sinnen zu genießen.

– Das aktive Leben durch Verwirklichung der eigenen Fähigkeiten und Interessen.

– Das sinnerfüllte Leben, im Dienste einer Sache, die über unsere eigenen Bedürfnisse hinausgeht.

„Wer sein Leben als Emanzipationsprojekt betrachtet, wer die kognitive und emotionale Begrenzung auf ein bloß privates Sinnuniversum sprengt und sein Leben (zumindest zeitweilig) in den Dienst einer größeren Sache stellt, der verfolgt ganz nebenbei eines der besten Rezepte, die es für eine sinnerfüllte Existenz überhaupt gibt. Personen, die dies tun, lernen nicht nur interessante andere Menschen kennen, sie profitieren vor allem von dem Gefühl, dass sie nicht umsonst leben und auch nicht umsonst gelebt haben werden.“

Michael Schmidt-Salomon, Manifest des evolutionären Humanismus, 2006

Um all dies zu verwirklichen, brauchen wir keinen überflüssigen und sinnentleerten Konsum.

…entspannt  das  Verhältnis  zum  Geld:

„Noch mehr shoppen und sparen“ – so irrsinnig verspricht es die Werbung. Von der Werbung angepeitscht hetzen viele den günstigsten Angeboten hinterher, kämpfen um Rabatte, sammeln „Bonuspunkte“ und kaufen Sinnloses, weil es angeblich gerade billig ist..

„…die 24-Stunden-Dauerbeschallung mit dem ersten Gebot unserer Wohlstands- und Wachstumsgesellschaft: Du sollst kaufen!“

Harald Welzer bei greenpeace

Aber nein, nicht „Geiz ist geil“, – Spenden ist geil und sexy! Denn egal, wie viel wir spenden, wir werden deswegen keinen Tag hungern, frieren, leiden müssen. Für die meisten von uns geht es nur um eine Zahl auf dem Konto! Diese Erkenntnis verleiht eine entspannte Leichtigkeit im Umgang mit unserem Geld.

„Denn hier kommt die positive Nachricht aus der Sozialwissenschaft, dass Menschen ziemlich glücklich leben können, ohne immer mehr haben zu müssen, wenn andere Dinge wie Gesundheit, verlässliche Ernährung und Ähnliches sichergestellt sind. (…) Studien zeigen außerdem, dass die heutige Form von extrem beschleunigtem wirtschaftlichem Wachstum die Menschen nicht glücklich macht, aber für viel Stress und soziale Unwuchten sorgt.“

Maja Göpel, rausgeblickt:

Maja Göpel, Pandemie und Klima, 2021

…beseitigt  den  Stress  des  Konsumzwangs:

„Denn wie wir eigentlich alle wissen: Wir brauchen nicht mehr Zeug, sondern mehr Zeit“

Richard David Precht,

Die Kunst, kein Egoist zu sein, 2012

Die Idee eines ständigen Wirtschaftswachstums kann auf einem Planeten mit begrenzten Ressourcen nicht funktionieren. Sie geht außerdem neoliberal davon aus, dass ein Mehr auch immer ein Besser sei. Die Folge davon ist eine massive Fremdbestimmung durch Konsumzwang.

Sich bewusst davon zu lösen, den Zwang abzuschütteln, sich seine Regeln selbst zu machen, ist ein wunderbarer Zugewinn an Freiheit.

 

Über Verzicht wird (z. B. von neoliberalen Politiker*innen) oft sehr abfällig gesprochen. Dabei macht Verzicht unser Leben besser, in doppeltem Sinne – für uns und für andere!

Verzicht fällt übrigens leicht, wenn man sich klar macht, dass man eh schon alles hat!

„Viele Menschen benutzen das Geld, das sie nicht haben, für den Einkauf von Dingen, die sie nicht brauchen, um damit Leuten zu imponieren, die sie nicht mögen.“

Original von Walter Slezak,

vielfach zitiert, abgewandelt und übernommen

……befreit  von  der  Last  unnötigen  Besitzes:

Besitz verursacht Stress. Alles was wir haben, muss auch behütet, geputzt, gepflegt, aufgeräumt, poliert und gebohnert werden.

Alles, was wir besitzen, besitzt auch uns!

Wie viel Kram besitzen wir, ohne ihn zu nutzen? Wie viel Krempel verstaubt in unseren Schränken, auf unseren Dachböden, in unseren Kellern? All das musste mal erzeugt, verpackt, verschickt, verkauft und bezahlt werden – und hat seinen CO2 Fußabdruck!

Und wie viel kaufen wir, ohne es zu nutzen?

Anstatt diesen sinnlosen Besitz zu vermehren, können wir uns von Überflüssigem befreien und Raum und Zeit für Wesentliches schaffen.

„Durch den Abwurf von Wohlstandsballast hätten wir die Chance, uns auf das Wesentliche zu konzentrieren, statt im Hamsterrad der käuflichen Selbstverwirklichung zusehends Schwindelanfälle zu erleiden. Wenige Dinge intensiver zu nutzen und zu diesem Zweck bestimmte Optionen einfach souverän zu ignorieren, bedeutet weniger Stress und damit mehr Glück.“

Nico Paech,
Befreiung vom Überfluss, 2016

…macht  Spaß :

Probiert es aus!

Die „Neuausrichtung“ unseres Lebensstils wäre auch dann besser, wenn es keinen Klimawandel gäbe.

(Dank an Harald Welzer für diesen wichtigen Gedanken!)

„Als ein empfindungsfähiges Wesen besitzen Sie das Potential, sich weiterzuentwickeln und zu entfalten. Sie können Ihren Verstand durch Lernen und Diskutieren schärfen. Die Naturwissenschaften bieten Ihnen Erklärungen der natürlichen Welt und die Geistes- und Humanwissenschaften Erkenntnisse über die menschliche Existenz. Sie können Ihre Fähigkeit, Genuss und Zufriedenheit zu empfinden, voll ausschöpfen; diese Fähigkeit hat auch schon Ihre Vorfahren ermöglicht, das Beste aus ihrem Leben zu machen, und letztlich auch Ihnen das Leben geschenkt. Sie können Schönheit und Reichtum der natürlichen und kulturellen Welt wertschätzen. Als Erbe der Milliarden Jahre, in denen sich das Leben ständig erneuert hat, können auch Sie Ihrerseits den Fortbestand des Lebens sichern. Sie verfügen über Mitgefühl -, die Fähigkeit zu mögen, zu lieben, zu respektieren, zu helfen und freundlich zu sein – und Sie können im Austausch mit Freunden, Verwandten und Kollegen die Gabe der Mitmenschlichkeit genießen.

Und weil die Vernunft Ihnen sagt, dass nichts davon ausschließlich Ihnen zuteilwird, haben Sie die Verantwortung, anderen das zu geben, was Sie auch für sich selbst erwarten. Sie können das Wohlergehen anderer empfindungsfähiger Wesen befördern, indem Sie für ein Mehr an Leben, Gesundheit, Wissen, Freiheit, Wohlstand, Sicherheit, Schönheit und Frieden sorgen. Die Geschichte zeigt: Dadurch, dass wir uns in andere hineinversetzen und unseren Verstand nutzen, um die menschliche Existenz zu verbessern, können wir Fortschritt bewirken, und Sie können dazu beitragen, dass dieser Fortschritt anhält.“

 

Steven Pinker, Aufklärung jetzt, 2018, S. 13/14

Schöner kann man den Sinn des Lebens doch nicht beschreiben, oder?