Letzte Diskussion?!
von Tabea Schünemann
Ein Kommentar zur „Klimakleber“-Kontroverse
Wer erwartet, dass wir uns als Initiative Klimagerecht Leben hier an dieser Stelle zu den Protesten der „Letzten Generation“ positionieren, den muss ich jetzt leider enttäuschen. Zum einen gibt es dazu innerhalb unserer Gruppe so viele Meinungen wie Mitglieder, sodass eine geschlossene offizielle Haltung dazu unmöglich und auch nicht zwingend nötig ist. Zum anderen ist es meiner Meinung nach auch gar nicht die eigentliche Frage, wie diese Proteste zu bewerten sind oder wie legitim ziviler Ungehorsam in welcher Form ist. Natürlich sind das alles interessante Fragen, die auch die Klimabewegungen beschäftigen, aber die aktuelle Diskussion verläuft in meinen Augen total schief und geht an den dringenden Fragen vorbei
Anstatt über die Aktionsformen der „Letzten Generation“ zu diskutieren, müsste man fragen:
Was bewegt Menschen dazu, sich auf der Straße festzukleben, damit endlich mal ihr Anliegen ernst genommen wird? Wieso gelingt es einer demokratischen Gesellschaft nicht, diesen Menschen zuzuhören?
Ihre Anliegen und Forderungen sind absolut berechtigt, aber anstatt dies schuldbewusst anzuerkennen und sich der eigenen Verantwortung bewusst zu werden, werden sie kriminalisiert.
Um abzulenken von der unbequemen Wahrheit, die diese Menschen wagen, auszusprechen!
Diese Proteste wären überhaupt nicht nötig, wenn schon längst das politische und gesellschaftliche Bewusstsein für die Dringlichkeit von Klimaschutz und die entsprechenden (versprochenen) Handlungen vorhanden wären! Dies zeigen sie in aller Deutlichkeit.
Die Frage ist also eher:
Wie konnte es überhaupt so weit kommen?
Ich deute die Proteste als verzweifeltes:
JETZT HÖRT ENDLICH MAL ZU UND MACHT MAL WAS!
Alles konventionelle Reden und Demonstrieren scheint nicht zu reichen, damit alle endlich verstehen, dass jetzt wirklich etwas getan werden muss.
Das ist keine apokalyptische Panikmache einer Jugend, die vergessen hat, in ihren 20ern Spaß zu haben!
Es sind auch keine „Klimakleber“, denen es Spaß macht, von Passant*innen angepöbelt zu werden.
Es sind Menschen mit einer schlichte Forderung: Hört den Wissenschaftler*innen endlich zu, ist das zu viel verlangt?
Natürlich bedeutet Demokratie auch Kompromisse und langsame Prozesse, aber die aktuelle Debatte verlangsamt diese noch mehr, weil lieber über die Legitimität der Proteste diskutiert wird als endlich im Handeln weiterzukommen.
Es scheint manchen gesellschaftlichen und politischen Strömungen ganz gelegen zu kommen, denn so muss man sich nicht der eigenen Verantwortung stellen, zu der man gezogen wird.
Warum werden Klimaaktivist*innen kriminalisiert und nicht die großen Verbrecher*innen der Klimakrise?
Warum wird nicht thematisiert, welche Gewalt die Klimakrise hervorbringt und welche Verantwortung der Bundesregierung auch laut Bundesverfassungsgericht darin zugeschrieben wird? Welche Tote sie schon gefordert hat, fordert und fordern wird?
Dazu untersucht Gesa Lindemann in einem Zeit-Artikel den Begriff der Gewalt genauer und schlägt die Formulierung „ökologische Gewalt“ in Anlehnung an das Klimaschutz-Urteil des Bundesverfassungsgerichts vor.
Sie kommt zu dem Schluss:
„Die Aktionen von Letzte Generation oder Ende Gelände tun nichts anderes, als die deutsche Politik daran zu erinnern, dass das BVerfG sie dazu verpflichtet, der ökologischen Gewalt nach innen und in der internationalen Politik entgegenzutreten.“
Lasst uns bitte über die wirklichen Verbrechen und Verantwortungen sprechen!
Lasst uns die wissenschaftlichen Erkenntnisse und Warnungen endlich ernst nehmen!
Lasst uns endlich das Richtige tun, statt über das Falsche zu reden!
Tabea Schünemann
Super geschrieben, Tabea! Regt zum Nachdenken an und inspiriert! Danken fürs Teilen Deiner Reflexionen! Du haust auf rhetorischem Wege auf den Tisch, wie es sich gehört!