Kollektive Verdrängung

Kollektive Verdrängung

Kollektive Verdrängung – „So schlimm wird es doch nicht werden“

 

Roland Vossebrecker

Ist die Klimakrise im Bewusstsein der breiten Bevölkerung, in der „Mitte der Gesellschaft“, wie man so sagt, angekommen? Ja und Nein:

Im ZDF-Politbarometer vom April 2023 waren 48 % der Befragten der Meinung, es würde zu wenig für den Klimaschutz getan. So weit, so gut, aber im Januar 2024 waren es nur noch 35 %, 22 % hielten die Maßnahmen für gerade richtig, und für atemberaubende 37 % gingen die Maßnahmen zu weit.

Natürlich gibt es sie, die Menschen, die begriffen haben, was auf dem Spiel steht, die sich engagieren, die kämpfen, um das Schlimmste noch zu verhindern. Aber noch mal: Ein sattes Drittel der Deutschen ist der Meinung, es würde zu viel für den Klimaschutz getan!

Dazu kommt, dass gar zu Viele zwar für mehr Klimaschutz sind, aber gegen Maßnahmen, die sie selbst betreffen. Klimaschutz sollen die anderen machen, aber ein Windrad in Sichtweite möchte man dann doch lieber nicht, und kosten soll der Klimaschutz natürlich auch nichts.

Also doch eher nein, auf jeden Fall nicht ausreichend. Und dies trotz jahrzehntealter wissenschaftlicher Erkenntnisse und immer drastischerer Weckrufe:

  • Bereits 2019 hatten 11.000 Wissenschaftler*innen gewarnt, wenn sich das menschliche Verhalten, das zu Treibhausgasausstoß und anderen den Klimawandel begünstigenden Faktoren führt, nicht grundlegend und anhaltend verändere, sei „unsägliches menschliches Leid“ nicht mehr zu verhindern.
  • UN-Generalsekretär António Guterres sparte auf der Weltklimakonferenz im ägyptischen Scharm el Scheich nicht mit deutlichen Formulierungen: „Wir sind auf dem Highway zur Klimahölle mit dem Fuß auf dem Gaspedal.“ und „Entweder gibt es einen solidarischen Klimavertrag oder einen Vertrag zum kollektiven Selbstmord.“ 
  • Ein internationales Team in den „Proceedings“ der US-Nationalen Akademie der Wissenschaften („PNAS“) schreibt in ihrer Studie „Klima-Endspiel: Erforschung katastrophaler Szenarien des Klimawandels“, dass dieser im schlimmsten Fall zum Aussterben der Menschheit führen könnte. 

Quelle: ZDF

 

Was sind die Ursachen dieser kollektiven Verdrängungsleistung? Aus welchen Gründen machen sich viele Menschen mehr Sorgen um ihren Mallorca-Urlaub als um eine eskalierende Klimakrise? Wieso haben viele mehr Angst vor Klimaschutz als vor der heraufziehenden Klimakatastrophe? Wieso leben die meisten Menschen ihr Leben mehr oder weniger unbeeindruckt von den wissenschaftlichen Warnungen weiter wie bisher?

Eine einfache Antwort kann es nicht geben und Ursachen für menschliches Verhalten sind immer vielfältig.

Die Lobby

Die fossile Lobby war nicht untätig. Seit Jahrzehnten werden Desinformationen gestreut und Zweifel am menschengemachten Klimawandel gesät. Als sich dieser nicht mehr leugnen ließ, ging man dazu über, die Verantwortung den „Verbraucher*innen“ in die Schuhe zu schieben und gleichzeitig mit verführerischen Greenwashing-Angeboten die Kundschaft einzulullen. Die Werbung trägt ihren Teil dazu bei: „Rette die Meere mit Shampoo!“ 

Die Gesellschaft

Menschen orientieren sich an anderen, an ihrem sozialen Umfeld, an gesellschaftlichen Normen. Selbst in offensichtlichen Notsituationen reagieren die meisten nicht, wenn auch andere die Warnzeichen ignorieren. Das haben sozial-psychologische Studien gezeigt. (So z. B. in der sogenannten „Rauchstudie“, bei der nur 10 % der Probanden Alarm schlagen, wenn Rauch ins Zimmer strömt, aber andere Anwesende nicht darauf reagieren.)

Mit unserer gelebten „Normalität“ bestätigen wir uns gegenseitig täglich, dass uns die Klimakrise nicht betrifft.

Die Politik

Dramatisch verschärft wird dieser Effekt dadurch, dass die Weckrufe keinen Widerhall in politischem Handeln haben. Die Warnung vor einem möglichen Aussterben der Menschheit sollte doch eigentlich Anlass genug für einen Krisengipfel sein, aber ein solcher ist nicht in Sicht. Reaktionen der politischen Akteur*innen bleiben regelmäßig aus, und die alljährlichen Weltklimakonferenzen können mit ihrer routinierten Ergebnislosigkeit beim besten Willen nicht als Krisengipfel wahrgenommen werden.

Wenn dann auch noch prominente Politiker*innen allen wissenschaftlichen Warnungen und Erkenntnissen ausdrücklich widersprechen (Friedrich Merz: „Es ist eben gerade nicht so, dass morgen die Welt untergeht. Wenn wir in den nächsten zehn Jahren die Weichen richtig stellen, sind wir auf einem guten Weg“), dann muss nicht mehr verwundern, dass der Eindruck entsteht, es sei ja alles doch gar nicht so schlimm.

Die Medien

Eine besondere Verantwortung kommt auch den Medien zu. Eine falschverstandene „Meinungsvielfalt“, das Nebeneinander von populistischen Falschbehauptungen und wissenschaftlichen Erkenntnissen trägt massiv zur Verunsicherung bei. 

„Jede*r hat das Recht auf eine eigene Meinung, aber nicht auf eigene Fakten.“

Eckart von Hirschhausen (und viele andere)

Es ist nicht lange her (Mai 2023), da musste der Klimaforscher Mojib Latif bei Markus Lanz das verlogene Geschwätz eines AfD-Menschen ertragen. Warum gibt man solchen Leuten eine Bühne für ihre Lügen? 

https://weact.campact.de/petitions/keine-buhne-fur-nazi-propaganda-im-orr 

Das Argument, ein gestandener Wissenschaftler wie Latif müsse solche Unwahrheiten doch leicht entkräften können, zieht leider nicht: Wer Lügen glauben will, der glaubt sie eben! Die rechten Populisten wissen sehr genau, wie verführerisch ihre Lügen sind. Eine Welt ohne Klimawandel wäre ja viel bequemer und sorgenfreier, und so müssen auch die eigenen Privilegien nicht hinterfragt werden. Das Verständnis für wissenschaftliches Denken und das Vertrauen in wissenschaftliche Erkenntnisse werden so systematisch diskreditiert. 

Markus Lanz schlug in dieselbe Kerbe, als er im Gespräch mit Carla Rochel („Letzte Generation“) die unsägliche Frage formulierte: „Aber woher weiß die Wissenschaft das?“. Verantwortungsvoller Journalismus geht anders! Ganz anders!

Auch an anderer Stelle werden die Medien vielfach ihrer Verantwortung nicht gerecht.

„Die Medien haben es versäumt, diejenigen, die für die Zerstörung unserer Biosphäre verantwortlich sind, zur Rechenschaft zu ziehen, und agierten praktisch als Wächter des Status quo. Angesichts der Größe unserer Mission und der Zeit, die uns zum Handeln bleibt, gibt es ehrlich gesagt keine andere Instanz als die Medien, die die Möglichkeit hat, die notwendige Transformation unserer globalen Gesellschaft herbeizuführen. Damit dies geschieht, müssen sie beginnen, die Klima-, Umwelt- und Nachhaltigkeitskrise wie die existenzielle Krise zu behandeln, die sie ist. Es muss die Nachrichten dominieren.“

      Greta Thunberg, The Climate Book

Es muss die Nachrichten dominieren! Aber das passiert (noch) nicht. 

Natürlich wird über die sich häufenden Klimakatastrophen und über die unzähligen Weckrufe der Wissenschaft berichtet. Im Hitzesommer 2023 mit weltweiten Rekordtemperaturen, Waldbränden und Überschwemmungen sind die Nachrichten voll davon. Aber die Dramatik solcher Meldungen verpufft augenblicklich, wenn unmittelbar danach Elon Musks Ego-Trip seiner SpaceX-Riesenrakete gefeiert und das Ausscheiden des FC Bayern München aus der Champions League als die eigentliche nationale Katastrophe beklagt wird.

Es fehlen die Kontexte, die Zusammenhänge, die Konsequenzen. Wer würde es wagen, nach einer Formel-1-Berichterstattung auf die verheerende CO2-Bilanz einer solchen Veranstaltung hinzuweisen? Selbst neben hervorragenden Artikeln zur Klimathematik finden sich immer wieder Werbeanzeigen für Kreuzfahrten oder SUVs. So werden die Botschaften, die Appelle, die Warnungen auf schnellstem Wege neutralisiert. 

Während ich diese Zeilen schreibe, werden Tourist*innen von der griechischen Insel Rhodos evakuiert und vor den Bränden in Sicherheit gebracht. Gleichzeitig landen weitere Ferienflieger auf Rhodos. Wer würde den Hinweis wagen, dass es in Zeiten einer eskalierenden Klimakrise keine so gute Idee ist, in den Urlaub zu fliegen und damit die Krise weiter anzuheizen?

Nun wird medial diskutiert, ob 2050 noch jemand am Mittelmeer Urlaub machen wird. Da heißt es, dass der italienischen Tourismusbranche Einbußen von 52 Milliarden Euro drohen – wenn die Durchschnittstemperatur um 4° Grad ansteigt. Was für ein falscher Fokus! Warum wird nicht vermittelt, dass es bei vier Grad nicht mehr um den Urlaub, sondern ums Überleben geht?

Nötig wäre es…

 

Unsere Aufgabe

Wie also können wir Menschen erreichen, aufwecken, überzeugen?
Klima-Kommunikation ist eine schwierige Angelegenheit. Meiner Überzeugung nach braucht sie, neben Geduld und Fingerspitzengefühl, im Wesentlichen drei Schritte: 

  • Die drohende Gefahr klar benennen. Was steht auf dem Spiel?
  • Verantwortlichkeiten und Handlungsspielräume aufzeigen. Welchen Beitrag kann/muss ich leisten?
  • Eine positive Vision. Was können wir gewinnen?

Roland Vossebrecker

 

P. S. Eine sehr positive Initiative (unter vielen) ist das Netzwerk Klimajournalismus

Es gibt Journalist*innen das notwendige Knowhow an die Hand, um kompetenter, umfassender und seriöser über die Klimakrise berichten zu können.

Generationengerechtigkeit

Generationengerechtigkeit

Generationengerechtigkeit – Gastbeitrag der

BUNDjugend Kürten

Hannah, Simon und Joshua Käsbach

Unsere Perspektive auf Generationengerechtigkeit und warum das wichtig ist

Hey, wir sind die BUNDjugend Kürten, eine Gruppe von engagierten Jugendlichen, die sich für ein gerechteres Kürten (eine Gemeinde im Bergischen Land) einsetzt. Allgemein setzt sich die BUNDjugend mit vielfältigen Workshops, Projekten, Bündnisarbeit und vielem mehr für soziale, ökologische und globale Gerechtigkeit ein, sprich Klimagerechtigkeit.

Wir wollen in diesem Beitrag Generationen-Gerechtigkeit beziehungsweise -Ungerechtigkeit beleuchten. 

Vorweg möchten wir betonen, dass wir diesen Text zu dritt geschrieben haben und wir deshalb natürlich nur eine eingeschränkte Sicht auf dieses super vielseitige Thema einnehmen können.  Der Artikel kann diesem großen Thema auch deshalb nicht ganz gerecht werden und soll sozusagen nur ein Einstieg sein.  Zudem sind wir weiß und privilegiert und sind uns bewusst, dass wir deshalb rassistische Denkmuster (unbewusst) reproduzieren. Wir sind in einem Rassismus-kritischen Prozess, arbeiten also daran (was wir alle tun sollten!).

 

Was ist Generationengerechtigkeit überhaupt?

Generationengerechtigkeit heißt grob gesagt, dass junge und kommende Generationen in der Gegenwart und Zukunft dieselben Chancen haben sollten wie die Generationen vor ihnen.
Also vor allem, was die Befriedigung von Grundbedürfnissen wie Ernährungssicherheit, ein sicheres Zuhause etc. betrifft.
Dabei spielen Fragen zur Klimakrise, dem Artensterben, Umweltschutz und weitere soziale Fragen eine Rolle.
Außerdem sollten Politiker*innen und andere Menschen mit besonderer Verantwortung so handeln, dass die Lebensgrundlagen der jungen und künftigen Generationen gesichert und deren Perspektiven dabei mit einbezogen werden.

 

Warum ist das aktuelle System, in dem wir leben, generationenungerecht?

Zurzeit ist es so, dass die Zukunft von uns jungen Menschen stark gefährdet ist.
Entscheidungen, die unsere Zukunft betreffen, werden über unsere Köpfe hinweg getroffen und Menschen der älteren Generation entscheiden darüber. Oft wird uns nicht so viel zugetraut. Wir werden also aufgrund unseres Alters diskriminiert, weil wir zum Beispiel nicht so viel Lebenserfahrung haben und deshalb angeblich nicht so viel wüssten oder entscheiden könnten! Wir werden systematisch nicht beteiligt.  #adultismus 

Ein eindrückliches Beispiel dafür ist die Klimakrise.
Wir alle wissen, dass sich die Erde durch den Ausstoß von Treibhausgasen, wie CO2 oder Methan, erhitzt. Diese entstehen vor allem durch die Verbrennung fossiler Energien (Kohle, Öl, Gas) oder in der industriellen Landwirtschaft. Dadurch hat sich die Erde heute schon um etwa 1,2 °C erwärmt. Das hört sich nicht viel an, es hat aber heute schon krasse Folgen, wie etwa starke Dürren, Wasserknappheit, Fluten und weitere Naturkatastrophen. Und trotzdem steigen die Emissionen weiter und die Klimakrise wird angeheizt. Dadurch verlieren jetzt schon enorm viele Menschen ihre Lebensgrundlagen, vor allem im Globalen Süden. Das wird sich in Zukunft weiter verschlimmern. Wie schlimm, entscheidet sich in den nächsten Monaten und Jahren, je nachdem, wann wir endlich anfangen die Emissionen drastisch zu reduzieren. 

Genau deshalb ist auch unsere Zukunft gefährdet.
Unsere Lebensgrundlagen sind bedroht, weil Generationen vor uns Entscheidungen getroffen haben, ohne die Folgen für uns zu bedenken. Und genau das wird mehr oder weniger weiter gemacht.

Das ist absolut unfair, oder was meinst Du?

Gegen diese Ungerechtigkeiten sind junge Menschen schon in der Vergangenheit laut geworden und tun es weiterhin. Zum Beispiel eben durch Jugendorganisationen wie die BUNDjugend, Fridays for Future und einige mehr. Jahrelang wird nun schon gefordert, dass die Politiker*innen sowohl der historischen und der globalen Verantwortung als auch der Verantwortung gegenüber uns jungen Menschen und künftigen Generationen gerecht werden!

 

Was muss sich deshalb aus unserer Perspektive dringend ändern?

Es muss dringend gehandelt werden! Besonders in Bezug auf Klimagerechtigkeit, Natur- und Artenschutz.
Was dafür passieren muss, liegt auf der Hand.
Bei der Umsetzung dieser Maßnahmen müssen bisher diskriminierte Menschen, wozu eben auch wir jungen Menschen gehören, gehört und ernst genommen werden. Denn es kann nicht sein, dass weiter Entscheidungen gefällt werden, die unsere Zukunft zerstören!
Wir müssen endlich aktiv beteiligt werden und wirklich mitbestimmen dürfen!

Leider wird dies nicht von allein passieren.
Wir müssen uns gemeinsam dafür stark machen und Forderungen an Entscheidungsträger*innen stellen.
Wir haben ein Recht auf eine lebenswerte Zukunft!
Wir alle müssen die Möglichkeit haben, diese mitzugestalten.

Deshalb möchten wir Dich dazu ermutigen, Dich gemeinsam mit vielen großartigen Menschen zu engagieren und zu organisieren.
Lasst uns für unsere Rechte laut werden und zusammenhalten!
Zusätzlich braucht es Solidarität und Zusammenarbeit zwischen allen Generationen!

Also: Informiere dich weiter, werde laut und lass uns gemeinsam die Welt gerechter machen!

Hannah, Simon und Joshua Käsbach 

 

 

(Buchtipp, um dich weiter dazu zu informieren:
„Nehmt uns endlich ernst- Ein Aufschrei gegen die Übermacht der Alten“ von Ananda Klaar)

 

For cars or for people?

For cars or for people?

“For cars or for people?”

A Lebanese perspective on mobility

von Tabea Schünemann

 

In autumn 2023 I had the chance to study and live in Beirut, Lebanon. Although I had to leave after a few weeks because of the war in the Middle East, I´m still thankful for this experience and feel very enriched by it. The people in Lebanon have been facing one crisis after the other for the last years. Many of them have left the country, others are just trying to survive. Beirut, once seen as a middle eastern Paris, is a very wounded city. Still, they are so many amazing people, managing their lives, figuring out their role in this country, not giving up on hope. 

 

One of them is Chadi Faraj. I had the chance to meet him on one of his guided walking tours. When we walked around a beautiful city in the mountains of Lebanon, he told us about RidersRights, an NGO he founded with the aim to improve public transportation and mobility justice in Lebanon. Chadi, who describes himself as a “public transportation enthusiast”, is originally a telecom engineer. When he moved from a Lebanese village to Beirut to search for a job (“because that´s where you go in Lebanon”), he was trying to figure out the bus system there. At this point, you must know that there is a system. The buses have lines and routes they follow. But when Chadi arrived, there was no chance to find out about it and he wanted to change that. “So, I started to work on the busmap project”, he says. With his cofounder Jad Baaklini he made the bus system in Beirut visible for all on a map. Honestly, I don´t know how I would´ve used public transport in Beirut without that.

 

In 2016, they submitted for becoming an official NGO. After three years of time and energy consuming efforts and being refused by the government for details, they finally reached their NGO status. It became a community with now five board members and a lot of public recognition. They won many competitions, e.g. the “Switchmed Grassroot Initiative competition” in 2016 and are referred to in questions of mobility. “From two guys who started to break a narrative to being the reference”, Chadi says proudly. What does he mean by breaking a narrative? Their goal is to make public transportation accessible for all people. To do so, they want to break the former and still ongoing narrative about it being chaotic, not usable, dangerous, only for poor people. This segregates people.
Rich people” go by car, “poor people” by bus – a narrative that is also present in Germany in a way. Since the Lebanese society is very segregated (having experienced a civil war not very long ago), Chadi´s project brings together social and climate issues. They are present on social media, blogs, webinars, …. In one project people photographed and shared their bus rides. Other projects dealt with drivers during Covid or made deals with shopkeepers to get discount when you have a bus ticket. The idea is to get more people to using it, including disabled people and women. Their vision is mobility justice. Mobility for all. As our right. “It´s a public space. We think it´s common”. 

 

The idea is to improve and reflect the informal public transportation system that is already there and not replace it by “European” systems. To find solutions fitting their own situation – a challenge for the global answer to the climate crisis. Chadi sees RidersRights as “part of the global vision for mobility”.
They were present at COP28 and he sees it as a step, also in the mobility sector. It is very clear to him where the challenges for a change in mobility comes from: the fossil fuel industry and car´s companies. He asks the decisive question about mobility: “is it for cars or for people?” Electrical cars are only part of the solution for him. The answer lays in making mobility a priority in policies and investing in public transportation. 

 

The next steps for RidersRights are institutionalization, research, and partnership. With many projects and ideas, they are quite busy and happy about any help or donation. ☺ It´s not easy to hold this issue high in times of multidimensional crisis in Lebanon and the world. For me, each encounter with Chadi and his dreams, becoming true step by step, is very impressive. It´s inspiring to see how he saw a problem, connected himself with others and became creative in solving it, very aware of its social, political, and global dimensions they are dealing with as well.
For me, he´s an example of the impact individuals have – not only dedicating their own behaviors to climate-justice but helping others collectively to do so as well. 

 

 

Tabea Schünemann, January 2024 

This text is based on interviews with Chadi Faraj

For more information, see

ridersrights.me

One of the yearly campaigns that Riders‘ Rights do is to support its community, as it started in 2020 the Covid time by launching a crowdfunding campaign called “bus line heroes” to be in solidarity with the bus drivers of the informal bus system in Lebanon because especially the government didn’t give them any priority in vaccination and support. RR managed to collect for them a good amount of money to support them to relaunch their activity at the time of Covid, and this campaign was cohosted by TRU, the transits union of Seattle, who managed to create and share the campaign.

It became a yearly campaign to support the drivers and now also the riders of the bus system in Lebanon especially in this economic crisis that Lebanon lives in.

If you like to support the campaign donate here: 

gofundme.com

Thank you!

WIR FAHREN ZUSAMMEN _ Interview mit Lokführer Nils

WIR FAHREN ZUSAMMEN _ Interview mit Lokführer Nils

Wir fahren zusammen!

Interview mit Eisenbahnfahrzeugführer Nils

von Leandro Condjo

Nils Rasche, 23 Jahre Alt, Werkstudent bei der Rhein-Neckar Verkehr GmbH tätig als Eisenbahnfahrzeugführer

Wie gefällt dir dein Beruf? 

Als studentischer Fahrer finde ich meinen Job ganz cool. Ich werde nach Tarifvertrag bezahlt, was für einen studentischen Job gut bezahlt ist, im Vergleich Hiwi – oder Gastro- Jobs. Man muss in Relation sehen, dass dies nicht mein Vollzeitjob ist und ich keine Mitglieder im Haushalt habe, die ich versorgen muss. Mir gefällt die flexible Arbeitseinteilung, welche natürlich auch der Personalsituation geschuldet ist. Wenn ich arbeiten will, gibt es immer was: Ich kann spontan anrufen und einem Dienst zugewiesen werden. Wenn ich nicht arbeiten will, arbeite ich nicht. Im Vergleich zu vorherigen Jobs habe ich das Gefühl, dass ich hier etwas sinn-stiftendes mache. Vorher hatte ich einen normalen Bürojob, welcher mich inhaltlich nicht interessiert hat. Mir gefällt der soziale Mehrwert, den ich beitragen kann.

Was erhoffst du dir aus den kommenden Tarifverhandlungen?

Die RNV hat einen Haustarifvertrag, welcher im Gegensatz zu dem Flächentarifvertrag erst nächstes Jahr verhandelt wird. Ich habe gehört, dass sich ein Tarifvertrag erhofft wird, in welcher unter anderem geteilte Schichten abgeschafft werden sollen. Dort kommt man z.B. um 10 Uhr morgens zum Schichtbeginn – man fährt bis 13 Uhr und danach hat man 4 Stunden unbezahlte Pause, bis man den Dienst wieder antritt. Man hängt in der Zwischenzeit herum – in meinem Fall lohnt es sich nicht, in der Zeit Nachhause zu gehen. Speziell für die RNV würde ich mir eine Samstagszulage wünschen. Die ist eigentlich in der Branche üblich. Es gibt auch Sonntags- und Nachtzulagen. Ich finde, das müsste honoriert werden. Ich bin in Teilzeit mit einem Beschäftigungsgrad von 11% angestellt. Aber aktuell arbeite ich im 40 bis 50 Prozent Bereich. Dafür werde ich bezahlt, aber Urlaubsanspruch, Weihnachtsgeld und Inflationsausgleich bemessen sich anhand der 11 Prozent. Bei der Hamburger Hochbahn gefordert, dass im Tarifvertrag ein Anspruch auf Anpassung des Vertrages vorgesehen wird, sodass der Vertrag an die tatsächlichen Begebenheiten angepasst werden können. Das wäre etwas, was sich viele Kolleg*Innen und ich wünschen.

Wie entstand der Kontakt zu der Initiative „wirfahrenzusammen“?

Ich habe einen parteipolitisch aktiven Freund, welcher bei dem Plenum von wfz dabei war. Er meinte, dass das doch vielleicht etwas für mich wäre.  

Wie ist zurzeit die Stimmung unter den Mitarbeitenden des Ö(PN)V? 

In den typischen Pausen-Rundfunk Gesprächen geht es meistens nicht um den Lohn, sondern es wird sich am meisten über die Einteilung der Dienste und die Menge der Arbeit unterhalten. Das scheint der größte Knackpunkt zu sein. Seit 2 Jahren werden ständig Ruhetage durchgefahren und unter dem Stammpersonal werden Hunderte von Überstunden angehäuft und somit die Grenzen der betrieblichen und gesetzlichen Arbeitszeitregeln ausgeschöpft. Die Zeit zwischen den Diensten ist oft nur 10 Stunden und hier muss man sich entscheiden, ob man nun schläft oder Sachen zu erledigen hat. Das führt zu einem relativ hohen Krankenstand. Trotz alldem kann das Regelangebot nicht erhalten werden, was megafrustrierend ist. Nach meinem Empfinden geht es um die tatsächliche Lohntabelle relativ selten.

Gab es für dich einen Bezug zu dem Thema Klimawandel/Klimaschutz bevor „wirfahrenzusammen“? 

Ich würde mich nicht als „Klimaaktivist“ bezeichnen, aber ich war schon auf der ein oder anderen Fridays for Future Demo dabei. Ich bin an der Hochschule bei linkspolitischen Gruppen aktiv. Es ist immer ein Thema, obwohl es keine Gruppe ist, die sich am Klima-Aktivismus orientiert.

Sowohl die Klimagerechtigkeitsbewegung als auch die Gewerkschaften verfolgen mit WFZ gemeinsame Ziele? Wie empfindest du die Zusammenarbeit?

In der Ortsgruppe Heidelberg läuft das sehr gut, wir werden von der zuständigen Gewerkschaftssekretärin von ver.di unterstützt, zum Beispiel bei dem Mieten von Räumen und das Knüpfen von Kontakten mit gewerkschaftlichen Strukturen im Betrieb. Eher ist die Durchdringung in die Belegschaft hinein ein Problem. Das ist die deutliche härtere Nuss, weil wirfahrenzusammen (noch) überwiegend aktivistisch geprägt ist. Die Belegschaft ist stark unterrepräsentiert – neben mir gibt es noch einen aktiven studentischen Fahrer (bei wfz). In anderen Ortsgruppen ist gar kein Fahrpersonal beteiligt. Wir arbeiten daran, über die Vertrauenspersonen ver.dis im RNV-Betrieb mehr Aufmerksamkeit von der Belegschaft zu bekommen.

Hast du Vermutungen, warum es schwierig ist zur Belegschaft durchzudringen?

Wir haben Applaus erhalten, nach dem wir uns im Betrieb vorgestellt hatten und im Zuge dessen haben wir Termine zum persönlichen Kennenlernen organisiert. Die eingeladenen Vertrauenspersonen sind nicht erschienen mit der Entschuldigung, dass sie fahren müssen. Ich denke nicht, dass dies alles erklärt. Ich glaube, dass Aktivismus und Fahrdienst demografische Unterschiede aufweisen, insbesondere das der Aktivismus akademisch geprägt. Da kommen Faktoren wie Alter, Familienverpflichtungen und Verfügbarkeit von Freizeit dazu.

Wir werden in der Zukunft solche Termine früher ankündigen, damit diese nicht in Konflikt mit den Dienstplänen kommen.

Was konnten Klimaaktivist*Innen und Mitarbeitende des Ö(PN)V durch die gemeinsame Arbeit voneinander oder übereinander lernen? 

Da habe ich nicht so viel mitbekommen. Ich wünsche mir von meinen Kolleg*Innen in der Belegschaft, dass sie sich mehr den Idealismus und Handlungswillen der Klimagerechtigkeitsbewegung aneignen würden. Mir ist bewusst, dass die Alltage von Aktivist*Innen und Mitarbeitenden stark unterschiedlich sind und dass das hier jetzt so leicht dahin gesagt klingt, weil die Alltage von ganz anderen Herausforderungen gezeichnet sind, aber ein bisschen mehr jugendlicher Idealismus wäre ganz schön. In der Ortsgruppe haben wir schon besprochen, dass Klimaaktivist*Innen die Anliegen der Belegschaft mehr berücksichtigen sollen. Zum Beispiel hatten wir in der Heidelberger Ortsgruppe eine Diskussion über unseren Standpunkt zu den Themen 9€-Ticket und kostenloser Nahverkehr, welche ich persönlich befürworte. In der bundesweiten Vernetzung von wirfahrenzusammen haben wir mitbekommen, dass die Sorgen des Fahrpersonals, die damit einhergehen, nicht ernst genommen worden und Diskussionen abgewürgt worden sind. Es ist belegt, dass in der Laufzeit des 9€-Tickets es zu mehr Übergriffen auf das Fahrpersonal kam und in überfüllten Fahrzeugen gefährliche Situationen entstanden sind. Es hat sich auch Fahrpersonal gemeldet, welches auch Opfer eines Überfalls wurde. Ich finde, dass dies in die Diskussion einfließen sollte, was in der Ortsgruppe Heidelberg gut funktioniert.

Wie stehst du zu der „Verkehrswende“? Was müsste sich deiner Meinung nach in Deutschland ändern? (Bevölkerung, Politik, Betrieb etc…) 

Das ist eine sehr sehr große Frage, bei welcher ich nicht weiß wo ich da Anfangen sollte. Bei der Verkehrswende sollen Leute vom motorisierten Individualverkehr zu allen anderen Verkehrsformen geholt werden wie Fahrrad und ÖPNV. Da kann man mit Maßnahmen wie dem 9€-Ticket arbeiten, aber der ÖPNV ist schon an seiner Kapazitätsgrenze – Die Straßenbahn in Mannheim ist oftmals so voll, dass die Türen nicht mehr zu gehen. Ein vergünstigtes Ticket ist politisch einfach und zeigt sofort Wirkung. Schwieriger ist der Ausbau, welcher damit einhergehen muss. Da tut sich die Politik oft schwierig – mit Sachen die langfristig angelegt sind und Zeit brauchen bis sie positive Ergebnisse liefern. Der Ausbau ist nun mal mühsam und aufwendig. Da bräuchte es mehr politischen Mut: Aus den Kreisen der Union hört man oft über ein Nebeneinander der Verkehrsformen, wobei man die Verkehrsmittel nicht gegeneinander ausspielen darf. Dieses Argument halte ich für eine Farce – außerhalb von Ballungsräumen muss man die ÖPNV-Angebote verbessern, aber in der Stadt muss dem motorisierten Individualverkehr Platz weggenommen werden. Der Fahrradweg wird nur gebaut, wenn dafür eine Reihe Parkplätze oder eine Autospur wegfällt. Ansonsten kommt er nicht. Das sieht man in Heidelberg, da hier die Stadtverwaltung den ÖPNV gleichberechtigt mit allen anderen Verkehrsteilnehmenden sieht. In Mannheim ist die Straßenbahn an allen Ampeln bevorrechtigt und kann Einfluss auf die Ampelschaltung nehmen. In Heidelberg ist das nicht gewollt, was die Zuverlässigkeit senkt. Langfristig kann man nicht nur den ÖPNV immer attraktiver machen, sondern es muss auch der MIV (motorisierter Individualverkehr) unattraktiver gemacht werden.

Gibt es irgendwas, was du der Klimagerechtigkeitsbewegung mitgeben möchtest?

Ich wünsche mir, dass Klimagerechtigkeitsbewegungen ihre Kräfte mehr bündeln würden. Ich habe das Gefühl, dass dieses Problem oft in linkspolitischen Projekten auftaucht. Aufgrund von kleinen Meinungsverschiedenheiten wird nicht mehr zusammengearbeitet, z. B. im Hinblick auf Solidarität mit der letzten Generation. Diese Konflikte sorgen dafür, dass viel Energie in das sich einig werden investiert werden muss. Dafür habe ich keine Lösung, aber es sollte mehr Energie in die Verwirklichung der Ziele fließen. 

Das Interview führte Leandro Condjo.

TUT EUCH ZUSAMMEN

TUT EUCH ZUSAMMEN

Tut euch zusammen!

von Tabea Schünemann

Ich sitze mit meinen Mitbewohnerinnen in der Küche und wir reden übers Klima.

Wie wir dahingekommen sind? Meine Mitbewohnerin erzählte von ihrer Unsicherheit beim Thema Kinderkriegen und der Sorge, wie es ihrem Kind dann wohl mal gehen würde. Kann man in so eine Welt Kinder setzen? Eine Frage, die viele, die wie ich in ihren Zwanzigern sind, beschäftigt.

Mein Thema hier ist weniger diese Frage, sondern mehr der Punkt, dass es so guttat, darüber zu sprechen. Über die Sorgen, die Ängste, den Frust. Klimagefühle eben. Eine Rückmeldung, die wir auch oft nach den Klimatalks bekommen. 

Deswegen ist meine Botschaft hier ganz einfach:

 

DU BIST NICHT ALLEIN!

 

Wenn wir einsam zuhause sitzen und uns selbst dafür hassen, dass wir schon wieder Käse gegessen haben, obwohl doch veganurary ist, lachen sich die fossilen Lobbyisten ins Fäustchen. Das ist genau das, was sie brauchen: Menschen, die denken, sie können eh nichts bewirken und deswegen nichts tun. Menschen, die nicht wissen, dass es da draußen Menschen gibt, denen es genauso wichtig ist und mit denen sie sich zusammenschließen könnten. Und sollten. Weil es unsere Demokratie und unser Leben ist! 

 

Ich glaube einfach, Vereinsamung ist nicht zu unterschätzen. Genauso wenig aber Gemeinschaft, oder besser Gemeinsamung. 

Und ja, der Widerstand ist riesig, die Gegenstimmen plärren laut durch social media und sämtliche Talkshows. Aber so viele Menschen finden dieses Geplärre genauso anstrengend und giftig wie du. Tut euch zusammen und setzt dem was entgegen! 

Nichts ist schöner als gegenseitige Inspiration und Selbstwirksamkeit. Das sind die Erfahrungen, die wir brauchen, in Zeiten sozialer Kälte und Erderhitzung. 

 

 

P.S.: Wir als Initiative sind immer ansprechbar und über verschiedenste Kanäle erreichbar. 

 

P.P.S.: Du willst bei dir vor Ort einen Klimatalk starten? Schritt eins: Lade zwei, drei Freund*innen zu dir nachhause ein und überlegt euch, wie das bei euch aussehen könnte. Denk dran: Alles beginnt mit einer Person, die sagt: „Ich hab da ne Idee!“ und einer Person, die sagt: „Du spinnst, ich mach mit.“ 

 

Tabea Schünemann

 

 

GRÜNE KLIMAKOMMUNIKATION

GRÜNE KLIMAKOMMUNIKATION

Grüne Klima-Kommunikation

von Roland Vossebrecker

Das Thema Klima (-Krise, -Katastrophe, -Gerechtigkeit) kann und darf nicht ausschließlich ein Grünes Thema sein. Der Erhalt unserer aller Lebensgrundlagen muss ein Anliegen aller demokratischen Parteien sein.

Dennoch darf man von den Grünen allein schon deswegen am meisten erwarten, weil sie sich selbst als Klimaschutz-Partei versteht. Trotzdem, so meine ich, liegt auch in Grüner Klimakommunikation noch manches im Argen. Meine jahrelange Unzufriedenheit damit findet in diesem Artikel ihren Niederschlag:

„Dass eine radikale Klimapolitik das neue „Realistisch“ ist, sagen Grüne ja nicht erst seit gestern.“

Annalena Baerbock

Schön wär’s… 

Am Anfang und über allem steht die Frage, wie wir die Klimakrise verstehen. Ist sie eines von vielen zu lösenden Problemen, neben der Gesundheitspolitik, der Sozialpolitik, der Entwicklung von Gleichberechtigung, der Genderfrage usw. – alles wichtige Themen, zweifellos!

Oder ist sie eine existenzielle Krise, die buchstäblich alle anderen Fragen und Themen in den Hintergrund drängt, da es um das Überleben von Milliarden Menschen und den Fortbestand der Demokratie und der menschlichen Zivilisation geht – und deswegen bei allen politischen Fragen mitgedacht werden muss.

Wenn man sich nur ein wenig mit den Berichten des IPCC und vieler anderer wissenschaftlicher Veröffentlichungen befasst hat, dann weiß man, das Zweiteres der Fall ist. Das Budget für die Einhaltung der 1,5°-Gradgrenze ist in knapp drei Jahren aufgebraucht, Katastrophen häufen sich, werden immer weniger versicherbar, wir steuern auf gefährliche Kipppunkte zu oder haben sie bereits überschritten, – und die Emissionen steigen weiter.

Um dem zu begegnen, so finde ich, müssen wir uns von einem gefährlichen Märchen verabschieden, nämlich, dass es so weiter gehen könne wie bisher, nur mit etwas anderen Mitteln. Das ist, was aktuelle Politik (und nicht nur Grüne natürlich) allenthalben suggeriert: Wir rüsten auf E-Mobilität um und kaufen Bio-Shampoo, installieren eine Solaranlage, essen etwas weniger Fleisch, gestalten unsere Kreuzfahrt „nachhaltig“, retten damit das Klima und die Umwelt und die Weltmeere und müssen unseren Lebensstil und unser Konsummodell nicht hinterfragen.

Der Elefant im Raum lautet also:

Wann machen wir uns endlich ehrlich und sagen laut und deutlich, dass es auf unserem derzeitigen (westlichen) Luxus- und Konsum-Niveau nicht gehen kann?

Einmal im Jahr erinnert uns der Earth Overshoot Day an diese Tatsache: Für Deutschland liegt er in den ersten Mai-Tagen, das heißt, deutscher Durchschnitts-Lebensstil verbraucht drei Erden. Das wissen wir alle, wir sind einmal im Jahr dann ganz betreten – und machen weiter wie bisher! So lässt sich eine Klimakatastrophe und ein massives Artensterben, das unsere Existenz genauso bedroht, nicht verhindern.

Ich habe diese Frage in den letzten vielen Jahren immer wieder gestellt und regelmäßig hat man sich (leider auch bei den Grünen) vor einer Antwort systematisch gedrückt!

In privaten Gesprächen im grünen Umfeld hat mir allerdings bislang noch niemand widersprochen! In der Sache war jeder und jedem meiner Gesprächspartner*innen klar, dass es so in Anbetracht multipler Umweltkrisen natürlich nicht gehen kann. Und mit einer Perspektive auf globale Gerechtigkeit schon gar nicht!

Der einzige Einwand – dieser allerdings beinahe immer, lautete: Wenn wir das sagen, dann wählt uns niemand mehr. Verzicht käme eben nicht gut an.

Anders ausgedrückt: Die Wahrheit können wir den Wähler*innen nicht zumuten.

Dann wird an das Veggiday- und das Verbotsparteitrauma erinnert. Darauf möchte ich gleich noch eingehen.

Also stellt sich mir die Frage, wie grüne Klimakommunikation aussehen kann, aussehen muss.

Zunächst einmal: Ich halte die Angst vor Wahlstimmenverlust für grundsätzlich falsch. Ich möchte hier meiner Überzeugung Ausdruck geben, dass die Wahrheit, gut kommuniziert, immer eine Chance hat. Würde ich etwas anderes glauben, dann hätte ich längst aufgegeben!

Als Grüne sollten man sich Sorgen machen, eben jene Wähler*innen zu verlieren, die verstanden haben, worum es geht, und nicht jene, die weiterhin mit Zähnen und Klauen nur ihre Privilegien verteidigen wollen.

In vielen Gesprächen mit Aktivist*innen der Klimabewegungen, bei Demos, Camps, auf Diskussionsveranstaltungen, während verschiedener Bildungsreisen etc. habe ich immer wieder erfahren, wie groß die Enttäuschung, der Frust, die Bitternis ist über grüne Klimapolitik und Kommunikation, besonders über faule Kompromisse, die als Erfolg verkauft werden.

 

Meine wichtigste Forderung an eine Grüne Klimakommunikation lautet also:

Sagt die Wahrheit!

So schlicht wie treffend, Dank an Extinction Rebellion! 

Zur Wahrheit gehören zwei Erkenntnisse:

  1. Die Bedrohung ist groß, und sie betrifft alle!

Die sich anbahnende Klimakatastrophe bedroht die Gesundheit, die Freiheit, das Leben und Überleben aller Menschen. Die Kosten, sie zu verhindern oder wenigstens, sie zu lindern sind weitaus geringer als die Kosten, die die Klimakatastrophe verursachen wird. Und diese werden nicht nur in € und $ bezahlt, sondern mit Menschenleben!

Anders ausgedrückt: Nicht der Verlust deiner Pendlerpauschale, sondern die Klimakatastrophe bedroht deinen Wohlstand, deine Gesundheit, dein Leben.

Dazu wird gelegentlich angemerkt, dass Warnungen und Alarmrufe nichts (mehr) brächten. Schließlich würde die Wissenschaft schon seit Jahrzehnten warnen und ein breites Umdenken in der Bevölkerung fände trotzdem nicht statt. Das ist teilweise richtig. Der notwendige gesellschaftliche Bewusstseinswandel ist noch in weiter Ferne. Allerdings gibt es mittlerweile eine globale Klimabewegung, die die Wissenschaft allerdings sehr ernst nimmt. Trotzdem bleibt die bittere Wahrheit, dass die Warnungen in der Breite der Bevölkerung immer noch nicht ankommen.

Aber: Warum sollte man (wenn man sich nicht aus freien Stücken intensiv mit der Klima-Thematik beschäftigt), die ständigen Warnungen überhaupt ernst nehmen, wenn sie buchstäblich jedes Mal ohne erkennbare Reaktion der Politik bleiben?

2019 warnten etwa 11.000 Wissenschaftler*innen vor „unsäglichem menschlichen Leid“, wenn der Klimakatastrophe nicht entschlossen entgegengehandelt würde. Zwei Jahre später wurde der Appell mit 14.000 Wissenschaftler*innen erneuert. Kann man noch eindringlicher, noch drastischer formulieren?

Ein Notstand, ein Krisengipfel, eine Reaktion aus der Politik bleib aus. Ich habe nicht einen Kommentar dazu von prominenter politischer Stimme vernommen, auch von den Grünen nicht!

Dasselbe gilt auch für die verschiedenen Sachstandsberichte des IPCC, die einer nach dem anderen immer dramatischer ausfallen. Auch da gab es – dröhnendes Schweigen.

Hier mal eine kurze und recht willkürliche Aufzählung von Klima-Meldungen vom Oktober 2023:

Am 24.10.2023 veröffentlichen renommierte Ökologen, Klimafolgenforscher und Datenanalysten in der Zeitschrift „BioScience“ der Universität Oxford einen Aufruf, in dem es heißt: „Wir betreten klimatisches Neuland“ und sprechen von der Gefährdung der Lebensgrundlage aller Lebewesen und des Menschen selbst. Die Veränderungen seien derart extrem, dass sie Neuland darstellten und noch nie in einer solchen Form in der Menschheitsgeschichte aufgetreten seien.

Am selben Tag veröffentlicht die Plattform Klimareporter eine Studie, die belegt, dass der westantarktische Eisschild selbst bei optimistischster Klimaentwicklung nicht mehr zu retten sei. Auf lange Sicht bedeutet das Abschmelzen einen Meeresspiegelanstieg von etwa 5 Metern!

Am 25. benennt eine Forscher*innengruppe der UN-Uni Bonn sechs Kipppunkte, denen sich die Menschheit gefährlich nähert und die für sie zur Katastrophe werden könnten. Vier davon stehen in unmittelbarem Zusammenhang zur Klimaentwicklung, ein weiterer, das Artensterben, muss als Zwillingskrise verstanden werden.

Am 26. veröffentlichen mehr als 200 Fachjournale gleichzeitig die Forderung an die WHO, wegen der Klimakrise den globalen Gesundheitsnotstand auszurufen. 

Am selben Tag erreichen Meldungen der Rekorddürre im Amazonasgebiet die Nachrichten. Sonst gigantische Flüsse trocknen aus. Die Lebensgrundlagen von Millionen Menschen und Tieren gehen verloren.

Zu keiner dieser Schreckensmeldungen habe ich auch nur eine einzige Reaktion aus der Politik gehört! Kein Innehalten, keine Reflektion, keine Demut, kein Nachdenken, keine Selbstkritik und schon gar keinen Kurswechsel. Auch nicht der Grünen! Ich finde das beschämend! 

Warum sollten also Lieschen Müller und Otto Normalverbraucher diese Warnungen ernst nehmen, wenn die Politik sich dazu ausschweigt? Es liegt doch auf der Hand, dass man sich dann denkt, naja, so schlimm wird’s wohl doch nicht kommen. Ein Notfallplan (wie z. B. zu Coronazeiten) würden ganz anders aufgenommen werden.

Also noch einmal: „Das können wir unseren Wähler*innen nicht zumuten“ = „Die Wahrheit können wir den Leuten nicht zumuten, das ist passiver Populismus!

 

Die zweite Erkenntnis lautet:

  1. Wir sind verantwortlich.
    • für die globale Ungerechtigkeit
    • für die Folgen unseres Lebensstils

Das ist als bittere Wahrheit allerdings anspruchsvoll zu vermitteln. Und dennoch unbedingt notwendig. Das Eingeständnis, dass unser Wohlstand und Reichtum auf der Verbrennung von Kohlenstoff basiert, und dass wir als reiche Industrienation(en) die entscheidenden Mittel und Hebel in der Hand haben, das Notwendige und Gerechte zu tun, muss die Basis ehrlicher Kommunikation sein. 

Wie anders sollte sonst eine Verständigung mit MAPA1-Politiker*innen und Aktivist*innen funktionieren?

1Most Affected People and Areas

Zu dieser Ehrlichkeit gehört auch das klare Benennen globaler Ungerechtigkeiten, und damit verbunden das Hinterfragen unserer Privilegien, die bis heute auf Ausbeutung von Menschen, Ressourcen und Natur basieren, auf postkolonialen bis rassistischen Strukturen. Anders kann man z. B. das Fast-Fashion-System, angefangen von den Sklaverei-artigen Produktionsbedingungen in Südost-Asien bis zu den Müllhalden in der chilenischen Atacamawüste oder in Accra/Ghana nicht lesen.

Dasselbe gilt auch für die CO2-Emissionen, die für unseren Konsum entstehen, aber vielfach den produzierenden Ländern des globalen Südens angerechnet werden, und die die dramatischsten Folgen zu tragen haben.

Und damit geraten wir schnell in eine Verzichtsdebatte. Das gängige Argument lautet dann in etwa: Mit dem Narrativ „Wir müssen unseren Konsum und unseren Lebensstandard drastisch reduzieren“ entfache man halt keine Begeisterung, im Gegenteil.

Ich bin allerdings der Meinung, dass man mit etwas argumentativem Geschick durchaus überzeugend über Verzicht reden kann. So kann, so muss man darauf hinweisen, worauf wir heute bereits alles verzichten. Es ist gleichermaßen notwendig wie effektiv, die üblichen Gegenargumente offensiv aufzugreifen und umzudeuten, statt sich verschämt wegzudrücken, wie es damals beim Misserfolg des Veggie-Days passierte! Heute wäre der wahrscheinlich ziemlich erfolgreich. Manchmal braucht man eben auch etwas Durchhaltevermögen.

Den Grünen haftet beharrlich das Image einer Verbotspartei an, – und sie haben eine beschämend irrationale Angst davor. Warum eigentlich? Warum nicht so:

Verbotspartei? Ja klar! Wir möchten alles verbieten, was die Gesundheit, die Freiheit und das Leben von uns und anderer Menschen bedroht. 

Mord und Totschlag sind verboten, Raub und Vergewaltigung sind verboten, falsch Parken ist verboten. Warum nicht grob klimaschädigendes Verhalten?

Und wir sind die Erlaubnispartei: Wir erlauben künftigen Generation ein sicheres Weiterleben. Wir erlauben den Menschen im globalen Süden, ohne Ausbeutung zu leben. Wir erlauben uns ein gesundes und sicheres Leben mit weniger Lärm, Luftverschmutzung, mit grünen Innenstädten, mit Raum zur Begegnung usw. usf.

Und damit sind wir beim dritten Punkt gelingender grüner Klima-Kommunikation: 

  1. Die positive Vision

Können die Grünen denn wirklich nichts Besseres anbieten? Nicht mehr als nur eine Krisenverwaltung? Wirklich nicht mehr als ein weiter-so mit etwas anderen Mitteln?

Im Europa-Wahlprogramm der Grünen ist sieben Mal von Grünem Wohlstand die Rede, von „Wohlstand bewahren“, von „klimaneutralem Wohlstand“, ohne dass definiert wird, was das eigentlich sein soll. Meine Frage diesbezüglich blieb –wieder einmal – unbeantwortet!

Und auch ein Grünes Wachstum wird propagiert, aber:  Was soll eigentlich wachsen? Und was muss schrumpfen? Verkehr, Fleischkonsum, Ressourcenverbrauch, unser sonstiger Konsum, die CO2-Emissionen, die Ungleichheit, etc.

Und eine ganz wichtige Frage wird nie gestellt: Wann ist es eigentlich genug?

Auf der Basis grüner Werte und Prinzipien der Gerechtigkeit, der Menschenrechte sollten eine grüne Klima-Kommunikation und -Politik ein attraktives und gleichermaßen verantwortungsvolles Angebot machen, eine positive Vision.

Wir brauchen einen neuen nachhaltigen, zukunftsfähigen, global gerechten Gesellschaftsvertrag, – lebenswert für Alle.

Zu guter Letzt: Die Politik hinkt dem gesellschaftlichen Wandel immer hinterher, leider. Aber welche Kraft könnte es entfalten, würden sich die Grünen an die Spitze einer global-solidarischen Gerechtigkeitsbewegung setzen? Einer Bewegung, die heute so dringend gestärkt werden muss angesichts des weltweiten Erstarkens eines ungezügelten Nationalegoismus.

So könnte Grüne Politik selbst in der Opposition größte Wirkung entfalten.

„Wir müssen überlegen, welche Gesellschaft wir sein könnten. Von einer Zukunft erzählen, die so lebenswert und schön ist, dass andere auch dorthin wollen, und den Wunsch auslöst, diese Welt mitzugestalten. Erst dann wird aus scheinbarem Verzicht Gewinn.“

Carola Rackete

 

Roland Vossebrecker