Kollektive Verdrängung

Kollektive Verdrängung

Kollektive Verdrängung – „So schlimm wird es doch nicht werden“

 

Roland Vossebrecker

Ist die Klimakrise im Bewusstsein der breiten Bevölkerung, in der „Mitte der Gesellschaft“, wie man so sagt, angekommen? Ja und Nein:

Im ZDF-Politbarometer vom April 2023 waren 48 % der Befragten der Meinung, es würde zu wenig für den Klimaschutz getan. So weit, so gut, aber im Januar 2024 waren es nur noch 35 %, 22 % hielten die Maßnahmen für gerade richtig, und für atemberaubende 37 % gingen die Maßnahmen zu weit.

Natürlich gibt es sie, die Menschen, die begriffen haben, was auf dem Spiel steht, die sich engagieren, die kämpfen, um das Schlimmste noch zu verhindern. Aber noch mal: Ein sattes Drittel der Deutschen ist der Meinung, es würde zu viel für den Klimaschutz getan!

Dazu kommt, dass gar zu Viele zwar für mehr Klimaschutz sind, aber gegen Maßnahmen, die sie selbst betreffen. Klimaschutz sollen die anderen machen, aber ein Windrad in Sichtweite möchte man dann doch lieber nicht, und kosten soll der Klimaschutz natürlich auch nichts.

Also doch eher nein, auf jeden Fall nicht ausreichend. Und dies trotz jahrzehntealter wissenschaftlicher Erkenntnisse und immer drastischerer Weckrufe:

  • Bereits 2019 hatten 11.000 Wissenschaftler*innen gewarnt, wenn sich das menschliche Verhalten, das zu Treibhausgasausstoß und anderen den Klimawandel begünstigenden Faktoren führt, nicht grundlegend und anhaltend verändere, sei „unsägliches menschliches Leid“ nicht mehr zu verhindern.
  • UN-Generalsekretär António Guterres sparte auf der Weltklimakonferenz im ägyptischen Scharm el Scheich nicht mit deutlichen Formulierungen: „Wir sind auf dem Highway zur Klimahölle mit dem Fuß auf dem Gaspedal.“ und „Entweder gibt es einen solidarischen Klimavertrag oder einen Vertrag zum kollektiven Selbstmord.“ 
  • Ein internationales Team in den „Proceedings“ der US-Nationalen Akademie der Wissenschaften („PNAS“) schreibt in ihrer Studie „Klima-Endspiel: Erforschung katastrophaler Szenarien des Klimawandels“, dass dieser im schlimmsten Fall zum Aussterben der Menschheit führen könnte. 

Quelle: ZDF

 

Was sind die Ursachen dieser kollektiven Verdrängungsleistung? Aus welchen Gründen machen sich viele Menschen mehr Sorgen um ihren Mallorca-Urlaub als um eine eskalierende Klimakrise? Wieso haben viele mehr Angst vor Klimaschutz als vor der heraufziehenden Klimakatastrophe? Wieso leben die meisten Menschen ihr Leben mehr oder weniger unbeeindruckt von den wissenschaftlichen Warnungen weiter wie bisher?

Eine einfache Antwort kann es nicht geben und Ursachen für menschliches Verhalten sind immer vielfältig.

Die Lobby

Die fossile Lobby war nicht untätig. Seit Jahrzehnten werden Desinformationen gestreut und Zweifel am menschengemachten Klimawandel gesät. Als sich dieser nicht mehr leugnen ließ, ging man dazu über, die Verantwortung den „Verbraucher*innen“ in die Schuhe zu schieben und gleichzeitig mit verführerischen Greenwashing-Angeboten die Kundschaft einzulullen. Die Werbung trägt ihren Teil dazu bei: „Rette die Meere mit Shampoo!“ 

Die Gesellschaft

Menschen orientieren sich an anderen, an ihrem sozialen Umfeld, an gesellschaftlichen Normen. Selbst in offensichtlichen Notsituationen reagieren die meisten nicht, wenn auch andere die Warnzeichen ignorieren. Das haben sozial-psychologische Studien gezeigt. (So z. B. in der sogenannten „Rauchstudie“, bei der nur 10 % der Probanden Alarm schlagen, wenn Rauch ins Zimmer strömt, aber andere Anwesende nicht darauf reagieren.)

Mit unserer gelebten „Normalität“ bestätigen wir uns gegenseitig täglich, dass uns die Klimakrise nicht betrifft.

Die Politik

Dramatisch verschärft wird dieser Effekt dadurch, dass die Weckrufe keinen Widerhall in politischem Handeln haben. Die Warnung vor einem möglichen Aussterben der Menschheit sollte doch eigentlich Anlass genug für einen Krisengipfel sein, aber ein solcher ist nicht in Sicht. Reaktionen der politischen Akteur*innen bleiben regelmäßig aus, und die alljährlichen Weltklimakonferenzen können mit ihrer routinierten Ergebnislosigkeit beim besten Willen nicht als Krisengipfel wahrgenommen werden.

Wenn dann auch noch prominente Politiker*innen allen wissenschaftlichen Warnungen und Erkenntnissen ausdrücklich widersprechen (Friedrich Merz: „Es ist eben gerade nicht so, dass morgen die Welt untergeht. Wenn wir in den nächsten zehn Jahren die Weichen richtig stellen, sind wir auf einem guten Weg“), dann muss nicht mehr verwundern, dass der Eindruck entsteht, es sei ja alles doch gar nicht so schlimm.

Die Medien

Eine besondere Verantwortung kommt auch den Medien zu. Eine falschverstandene „Meinungsvielfalt“, das Nebeneinander von populistischen Falschbehauptungen und wissenschaftlichen Erkenntnissen trägt massiv zur Verunsicherung bei. 

„Jede*r hat das Recht auf eine eigene Meinung, aber nicht auf eigene Fakten.“

Eckart von Hirschhausen (und viele andere)

Es ist nicht lange her (Mai 2023), da musste der Klimaforscher Mojib Latif bei Markus Lanz das verlogene Geschwätz eines AfD-Menschen ertragen. Warum gibt man solchen Leuten eine Bühne für ihre Lügen? 

https://weact.campact.de/petitions/keine-buhne-fur-nazi-propaganda-im-orr 

Das Argument, ein gestandener Wissenschaftler wie Latif müsse solche Unwahrheiten doch leicht entkräften können, zieht leider nicht: Wer Lügen glauben will, der glaubt sie eben! Die rechten Populisten wissen sehr genau, wie verführerisch ihre Lügen sind. Eine Welt ohne Klimawandel wäre ja viel bequemer und sorgenfreier, und so müssen auch die eigenen Privilegien nicht hinterfragt werden. Das Verständnis für wissenschaftliches Denken und das Vertrauen in wissenschaftliche Erkenntnisse werden so systematisch diskreditiert. 

Markus Lanz schlug in dieselbe Kerbe, als er im Gespräch mit Carla Rochel („Letzte Generation“) die unsägliche Frage formulierte: „Aber woher weiß die Wissenschaft das?“. Verantwortungsvoller Journalismus geht anders! Ganz anders!

Auch an anderer Stelle werden die Medien vielfach ihrer Verantwortung nicht gerecht.

„Die Medien haben es versäumt, diejenigen, die für die Zerstörung unserer Biosphäre verantwortlich sind, zur Rechenschaft zu ziehen, und agierten praktisch als Wächter des Status quo. Angesichts der Größe unserer Mission und der Zeit, die uns zum Handeln bleibt, gibt es ehrlich gesagt keine andere Instanz als die Medien, die die Möglichkeit hat, die notwendige Transformation unserer globalen Gesellschaft herbeizuführen. Damit dies geschieht, müssen sie beginnen, die Klima-, Umwelt- und Nachhaltigkeitskrise wie die existenzielle Krise zu behandeln, die sie ist. Es muss die Nachrichten dominieren.“

      Greta Thunberg, The Climate Book

Es muss die Nachrichten dominieren! Aber das passiert (noch) nicht. 

Natürlich wird über die sich häufenden Klimakatastrophen und über die unzähligen Weckrufe der Wissenschaft berichtet. Im Hitzesommer 2023 mit weltweiten Rekordtemperaturen, Waldbränden und Überschwemmungen sind die Nachrichten voll davon. Aber die Dramatik solcher Meldungen verpufft augenblicklich, wenn unmittelbar danach Elon Musks Ego-Trip seiner SpaceX-Riesenrakete gefeiert und das Ausscheiden des FC Bayern München aus der Champions League als die eigentliche nationale Katastrophe beklagt wird.

Es fehlen die Kontexte, die Zusammenhänge, die Konsequenzen. Wer würde es wagen, nach einer Formel-1-Berichterstattung auf die verheerende CO2-Bilanz einer solchen Veranstaltung hinzuweisen? Selbst neben hervorragenden Artikeln zur Klimathematik finden sich immer wieder Werbeanzeigen für Kreuzfahrten oder SUVs. So werden die Botschaften, die Appelle, die Warnungen auf schnellstem Wege neutralisiert. 

Während ich diese Zeilen schreibe, werden Tourist*innen von der griechischen Insel Rhodos evakuiert und vor den Bränden in Sicherheit gebracht. Gleichzeitig landen weitere Ferienflieger auf Rhodos. Wer würde den Hinweis wagen, dass es in Zeiten einer eskalierenden Klimakrise keine so gute Idee ist, in den Urlaub zu fliegen und damit die Krise weiter anzuheizen?

Nun wird medial diskutiert, ob 2050 noch jemand am Mittelmeer Urlaub machen wird. Da heißt es, dass der italienischen Tourismusbranche Einbußen von 52 Milliarden Euro drohen – wenn die Durchschnittstemperatur um 4° Grad ansteigt. Was für ein falscher Fokus! Warum wird nicht vermittelt, dass es bei vier Grad nicht mehr um den Urlaub, sondern ums Überleben geht?

Nötig wäre es…

 

Unsere Aufgabe

Wie also können wir Menschen erreichen, aufwecken, überzeugen?
Klima-Kommunikation ist eine schwierige Angelegenheit. Meiner Überzeugung nach braucht sie, neben Geduld und Fingerspitzengefühl, im Wesentlichen drei Schritte: 

  • Die drohende Gefahr klar benennen. Was steht auf dem Spiel?
  • Verantwortlichkeiten und Handlungsspielräume aufzeigen. Welchen Beitrag kann/muss ich leisten?
  • Eine positive Vision. Was können wir gewinnen?

Roland Vossebrecker

 

P. S. Eine sehr positive Initiative (unter vielen) ist das Netzwerk Klimajournalismus

Es gibt Journalist*innen das notwendige Knowhow an die Hand, um kompetenter, umfassender und seriöser über die Klimakrise berichten zu können.

Generationengerechtigkeit

Generationengerechtigkeit

Generationengerechtigkeit – Gastbeitrag der

BUNDjugend Kürten

Hannah, Simon und Joshua Käsbach

Unsere Perspektive auf Generationengerechtigkeit und warum das wichtig ist

Hey, wir sind die BUNDjugend Kürten, eine Gruppe von engagierten Jugendlichen, die sich für ein gerechteres Kürten (eine Gemeinde im Bergischen Land) einsetzt. Allgemein setzt sich die BUNDjugend mit vielfältigen Workshops, Projekten, Bündnisarbeit und vielem mehr für soziale, ökologische und globale Gerechtigkeit ein, sprich Klimagerechtigkeit.

Wir wollen in diesem Beitrag Generationen-Gerechtigkeit beziehungsweise -Ungerechtigkeit beleuchten. 

Vorweg möchten wir betonen, dass wir diesen Text zu dritt geschrieben haben und wir deshalb natürlich nur eine eingeschränkte Sicht auf dieses super vielseitige Thema einnehmen können.  Der Artikel kann diesem großen Thema auch deshalb nicht ganz gerecht werden und soll sozusagen nur ein Einstieg sein.  Zudem sind wir weiß und privilegiert und sind uns bewusst, dass wir deshalb rassistische Denkmuster (unbewusst) reproduzieren. Wir sind in einem Rassismus-kritischen Prozess, arbeiten also daran (was wir alle tun sollten!).

 

Was ist Generationengerechtigkeit überhaupt?

Generationengerechtigkeit heißt grob gesagt, dass junge und kommende Generationen in der Gegenwart und Zukunft dieselben Chancen haben sollten wie die Generationen vor ihnen.
Also vor allem, was die Befriedigung von Grundbedürfnissen wie Ernährungssicherheit, ein sicheres Zuhause etc. betrifft.
Dabei spielen Fragen zur Klimakrise, dem Artensterben, Umweltschutz und weitere soziale Fragen eine Rolle.
Außerdem sollten Politiker*innen und andere Menschen mit besonderer Verantwortung so handeln, dass die Lebensgrundlagen der jungen und künftigen Generationen gesichert und deren Perspektiven dabei mit einbezogen werden.

 

Warum ist das aktuelle System, in dem wir leben, generationenungerecht?

Zurzeit ist es so, dass die Zukunft von uns jungen Menschen stark gefährdet ist.
Entscheidungen, die unsere Zukunft betreffen, werden über unsere Köpfe hinweg getroffen und Menschen der älteren Generation entscheiden darüber. Oft wird uns nicht so viel zugetraut. Wir werden also aufgrund unseres Alters diskriminiert, weil wir zum Beispiel nicht so viel Lebenserfahrung haben und deshalb angeblich nicht so viel wüssten oder entscheiden könnten! Wir werden systematisch nicht beteiligt.  #adultismus 

Ein eindrückliches Beispiel dafür ist die Klimakrise.
Wir alle wissen, dass sich die Erde durch den Ausstoß von Treibhausgasen, wie CO2 oder Methan, erhitzt. Diese entstehen vor allem durch die Verbrennung fossiler Energien (Kohle, Öl, Gas) oder in der industriellen Landwirtschaft. Dadurch hat sich die Erde heute schon um etwa 1,2 °C erwärmt. Das hört sich nicht viel an, es hat aber heute schon krasse Folgen, wie etwa starke Dürren, Wasserknappheit, Fluten und weitere Naturkatastrophen. Und trotzdem steigen die Emissionen weiter und die Klimakrise wird angeheizt. Dadurch verlieren jetzt schon enorm viele Menschen ihre Lebensgrundlagen, vor allem im Globalen Süden. Das wird sich in Zukunft weiter verschlimmern. Wie schlimm, entscheidet sich in den nächsten Monaten und Jahren, je nachdem, wann wir endlich anfangen die Emissionen drastisch zu reduzieren. 

Genau deshalb ist auch unsere Zukunft gefährdet.
Unsere Lebensgrundlagen sind bedroht, weil Generationen vor uns Entscheidungen getroffen haben, ohne die Folgen für uns zu bedenken. Und genau das wird mehr oder weniger weiter gemacht.

Das ist absolut unfair, oder was meinst Du?

Gegen diese Ungerechtigkeiten sind junge Menschen schon in der Vergangenheit laut geworden und tun es weiterhin. Zum Beispiel eben durch Jugendorganisationen wie die BUNDjugend, Fridays for Future und einige mehr. Jahrelang wird nun schon gefordert, dass die Politiker*innen sowohl der historischen und der globalen Verantwortung als auch der Verantwortung gegenüber uns jungen Menschen und künftigen Generationen gerecht werden!

 

Was muss sich deshalb aus unserer Perspektive dringend ändern?

Es muss dringend gehandelt werden! Besonders in Bezug auf Klimagerechtigkeit, Natur- und Artenschutz.
Was dafür passieren muss, liegt auf der Hand.
Bei der Umsetzung dieser Maßnahmen müssen bisher diskriminierte Menschen, wozu eben auch wir jungen Menschen gehören, gehört und ernst genommen werden. Denn es kann nicht sein, dass weiter Entscheidungen gefällt werden, die unsere Zukunft zerstören!
Wir müssen endlich aktiv beteiligt werden und wirklich mitbestimmen dürfen!

Leider wird dies nicht von allein passieren.
Wir müssen uns gemeinsam dafür stark machen und Forderungen an Entscheidungsträger*innen stellen.
Wir haben ein Recht auf eine lebenswerte Zukunft!
Wir alle müssen die Möglichkeit haben, diese mitzugestalten.

Deshalb möchten wir Dich dazu ermutigen, Dich gemeinsam mit vielen großartigen Menschen zu engagieren und zu organisieren.
Lasst uns für unsere Rechte laut werden und zusammenhalten!
Zusätzlich braucht es Solidarität und Zusammenarbeit zwischen allen Generationen!

Also: Informiere dich weiter, werde laut und lass uns gemeinsam die Welt gerechter machen!

Hannah, Simon und Joshua Käsbach 

 

 

(Buchtipp, um dich weiter dazu zu informieren:
„Nehmt uns endlich ernst- Ein Aufschrei gegen die Übermacht der Alten“ von Ananda Klaar)