Klima- und Umweltschutz als Werkzeug der Rechtsextremen

Klima- und Umweltschutz als Werkzeug der Rechtsextremen

KLIMA- UND UMWELTSCHUTZ ALS WERKZEUG DER RECHTSEXTREMEN

von Leandro Condjo

„Linksgrün-versifft“ ist ein neu-deutsches Buzzword mit denen sich Viele, vor allem Gen-Zler, identifizieren können. Früher war es eine Beleidigung seitens der Rechten und heute hat sich die, nun ja, linksgrün-versiffte Szene das Wort zurückerobert. Wie so oft, werden sogenannte linke politische Einstellungen mit der Orientierung an Umwelt- und Klimaschutz über einen Kamm geschert. Macht ja auch Sinn: Ein intaktes Klima und eine gesunde Umwelt beugen Ungleichheit und sozialem Elend vor. Aspekte, die auf links-orientierten Agenden hohe Priorität haben.

Allerdings hat die Umweltbewegung (und somit auch Klimabewegung) auf dem anderen Ende des politischen Spektrums früher Fuß gefasst: Das erste Naturschutzgesetz Deutschlands stammt aus der NS-Zeit, das sogenannte „Reichsnaturschutzgesetz“ von 1935. Die Autobahnen sollten umweltschonend errichtet, eine „Versteppung“ und ästhetische Industrialisierung Deutschlands abgewendet werden. Nicht umsonst scherzen die Macher des Adolf Hitler Satirefilms „Er ist wieder da“, dass der Diktator die Grünen wählen würde.

Dahinter steckt eine unangenehme Wahrheit. Es ist Zeit die braune Geschichte der Umweltbewegung zu beleuchten und aufzuarbeiten. Der Umweltschutz darf nicht wieder zu einem Werkzeug von Rechtsextremen werden. Erste Bestrebungen dafür gibt es schon: Dabei gibt es einerseits den Trend zur kompletten Leugnung (fossiler Faschismus) des Klimawandels und andererseits zur Aneignung einer unsolidarischen Klimaschutzpolitik. (Öko-Faschismus).

Blut und Boden

Die Umweltschutzbewegung hat ihre Wurzeln in konservativen Kreisen. Die radikale Industrialisierung in Verbindung mit der Verstädterung hatte die unregulierte Verschmutzung der Umwelt zur Folge, die späteren Folgen auf das Klima waren noch nicht abzusehen. Die Angst, dass das traditionelle Landschaftsbild zerstört wird oder gar verschwindet, und geliebte Tierarten aussterben, war groß. In den 1920ern und 1930ern wurde der Umweltschutz von Nationalsozialisten aufgegriffen: Die Umwelt und die völkische Identität bilden laut ihnen eine organische Einheit. Das Land selbst sorgt für die Überlegenheit Deutschlands und der „arischen Rasse“. Man suchte in der Umwelt nach Anzeichen für eine vergessene arisch-germanische Hochkultur, um den Wahnsinn der NS-Ideologie zu legitimieren und um Propaganda zu verbreiten. Als dies scheiterte wurde der Umweltschutz unter den Teppich gekehrt. Die bpb (Bundeszentrale für politische Bildung) sagt, das Reichsnaturschutzgesetz sei „mehr Schein als Sein“ und die Sorge um die Natur nur Mittel zum Zweck gewesen. Doch diese Geschichte mahnt uns: „Grüne“ Themen können in Rechtsextremismus eingebettet werden. Noch schlimmer: Sie können sogar eine Säule für deren Ideologie bilden. 

Fossiler Faschismus oder Öko-Faschismus oder sowohl als auch – in welcher Richtung bewegen sich Rechtsextreme? 

Die AfD („Alternative für Deutschland“) hat einen geschickten Kurs: Klimaschutz und Umweltschutz werden gegeneinander ausgespielt. Wenn man den menschengemachten Klimawandel ablehnt, dann birgt der Ausbau erneuerbarer Energien, insbesondere von Windkraft- und Photovoltaikanlagen, angeblich große Gefahren für die Umwelt. Vögel würden von Windkraftanlagen geschlachtet und Insekten verwechselten PV mit Wasserreservoiren Die Konsequenzen der Atomkraft und fossilen Energieerzeugung für die Umwelt werden dagegen bequem ausgeklammert, es handele sich hierbei um die umweltfreundlichere Alternative. Wie einfach man doch alles lösen kann, wenn man jenseits von wissenschaftlichem Konsens argumentiert. Eine der Grundlagen der AfD-Politik ist die Vorherrschaft der fossilen Brennstoffe in unserem alltäglichen Leben und der Wirtschaft. Hand in Hand mit ihren Geldgebern aus der Öl-Industrie schaffen sie eine Welt, in der es keine Alternative zu Benzin, Kohlekraftwerken und Co. gibt. Das Ende vom Lied wird ein „fossiler Faschismus“ sein – eine Welt die von Öl-Konglomeraten und ihren Laufburschen regiert wird. Dieser Kurs ist vergleichbar mit dem der amerikanischen Rechten und Rechtsextremen der Republikaner.

Anders sieht die Situation in Frankreich aus.

Im Gegensatz zur klimaskeptischen Haltung der AfD und der amerikanischen Republikaner, möchte sich der RN (Rassemblement Nationale) als „Ecooptimiste“ (Öko-Optimisten) definieren. Dem Fakt des menschengemachten Klimawandels wird entgegengeblickt mit Optimismus und Investitionen in erneuerbare Energien, E-Autos etc. Nach systematischen Lösungen sucht man allerdings immer noch vergeblich. Stattdessen wird Klimaschutz zum Werkzeug rechter Politik:

Die rechts(extreme) Partei Rassemblement Nationale, geführt von Marine Le Pen, propagiert eine sogenannte „nouvelle écologie“ (deutsch: „neue Ökologie“), die auf Patriotismus und „realistischen Lösungen“ beruhe: Entsolidarisierung, eingeschränkte Migration und lokale (Re-)Industrialisierung.

„Wenn wir es schaffen, genug Leute loszuwerden, dann kann unser Lebensstil nachhaltiger sein“ 

Das schrieb der Massenmörder Patrick Wood Crusius in sein Manifesto, bevor er das Feuer auf „mexikanisch-aussehende“ Zivilist*innen in einem Einkaufszentrum in der texanischen Grenzstadt El-Paso eröffnete. Er tötete 23 Menschen und verletzte 23 weitere.  Sein Manifesto nannte er „An inconvenient Truth“ genannt, in Anlehnung an die bahnbrechende, Oscar-gewinnende Doku über den Klimawandel des Präsidentschaftskandidaten Al Gores. 

Cruisus glaubte an das sogenannte „Great Replacement“: Eine Verschwörungstheorie die besagt, dass weiße US-Amerikaner durch illegale lateinamerikanische Einwanderer ersetzt werden sollen. Er erkannte an, dass die Umweltzerstörunge ein riesiges Problem für kommende Generationen sein würde. Seine „Lösung“: Die Menschen des globalen Südens sollen dafür den Preis zahlen und ausgelöscht werden.  

Dieser Gedanke ist in bestimmten Kreisen sehr wohl salonfähig. Viele sind der Meinung, dass die Bevölkerungsexplosion in Südamerika, Afrika und Asien der Hauptgrund für die Umwelt- und Klimakrise ist. Das oberste Ziel soll die Erhaltung unseres westlichen, fossilen Lebensstils sein, das Wohlbefinden der Menschen des globalen Südens wird in dieser Gleichung ausgeklammert. Im Namen der Erhaltung der Ökosysteme, der Umwelt und des Klimas wird gegen MigrantInnen und AusländerInnen gehetzt. Ihre Menschlichkeit wird in Frage gestellt. Um den Bogen zum Nationalsozialismus zu spannen: Die Überbevölkerung „niederer Rassen“ bedrohe die Reinheit der Natur (und jetzt die Gesundheit des Klimas). 

Rechtsextreme Argumentationen erkennen und entlarven – die Bedeutung der Klimagerechtigkeit

Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis die Realität des Klimawandels die mehrheitlich fossil-orientierte, klimawandel-leugnende Ideologie der Rechtsextremen zu einem Ökofaschismus umschwenken lässt, der den Klimawandel für seine Zwecke instrumentalisiert. Deshalb ein paar Grundsätze zur Verinnerlichung, falls man auf rechtsextreme Argumente trifft: 

Klimagerechtigkeit bedeutet, dass wir anerkennen, wie unser konsum- und fossilorientierter Lebensstil sowohl unsere eigene Lebensgrundlage als auch die aller anderen Menschen bedroht. Am Ende des Tages sitzen wir doch alle im selben Boot. Im Angesicht der Schwierigkeiten, die auf uns zukommen, werden völkische Märchen, rassistische Narrative und Scheinargumente uns nicht retten. Wir müssen uns gegen diese „Argumente“ wappnen.

Leandro Condjo

Eins Komma Fünf

Eins Komma Fünf

Das „Klimaziel“ in der politischen und wissenschaftlichen Diskussion

von Roland Vossebrecker

„In seinem neusten Bericht mahnt der der Weltklimarat eindringlich dazu, klimaschädliche Treibhausgasemissionen deutlich zu reduzieren. Geschehe dies nicht, würde das Ziel, das einst im Pariser Klimaabkommen festgeschrieben wurde, die Erderwärmung durch die Industrialisierung auf 1,5-Grad zu begrenzen, schon Anfang der 2030-er Jahre überschritten. Sofort, so der Weltklimarat, müsse gehandelt werden.

in „Panorama

Wer glaubt noch an 1,5° Grad? Wer glaubt noch daran, dass es der Menschheit gelingen wird, die Erderwärmung auf 1,5° Grad gegenüber vorindustrieller Zeit zu begrenzen?

„Es ist weiterhin möglich, die 1,5 Grad in Reichweite zu halten, wenn wir in den nächsten sieben Jahren die globalen Emissionen halbieren. Die Menschheit hat das nötige Wissen, die passenden Technologien und auch die finanziellen Mittel.“

Dieses Zitat von Außenministerin Annalena Baerbock steht exemplarisch für die Politik, die in ihrer Kommunikation beharrlich am 1,5°-Ziel festhält.

Nun ist an Baerbocks Äußerung nichts grundlegend falsch. Aber wie realistisch ist es, die globalen Emissionen in sieben Jahren zu halbieren? Sie steigen immer noch, und die stetigen und immer dramatischeren Weckrufe der Wissenschaft, so z. B. der oben zitierte jüngste IPCC-Bericht, verhallen nach wie vor beinahe wirkungslos. Ein globaler Krisengipfel, der diesen Namen auch verdient und die Krise als Menschheitsbedrohung behandelt, ist nicht in Sicht.

So klingen die Bekenntnisse aller demokratischen Parteien zu 1,5° (über die AfD muss man in dem Zusammenhang nicht reden) immer hohler und inhaltsleerer. Es dürfte interessant sein, wie sich die politische Kommunikation in einigen Jahren verändern wird, wenn die 1,5° überschritten sein werden. Ob es über gegenseitige Schuldzuweisungen hinausgehen wird? Ob es ein demütiges Eingeständnis des eigenen Versagens geben wird?

 

Interessanter ist, wie die Diskussion um das 1,5° Grad-Ziel auf wissenschaftlicher Seite verläuft.

Hans Joachim Schellnhuber äußert sich eindeutig:

„Einen Klimawandel, der gravierende Auswirkungen hat, können wir nicht mehr abwenden. Wir werden vermutlich in zehn bis 15 Jahren die 1,5 Grad-Linie globaler Erwärmung überschreiten und dann darüber hinausschießen.“

Mojib Latif sagte bereits im Oktober 2018:

„Die Erderwärmung noch auf 1,5 Grad zu begrenzen, ist praktisch ausgeschlossen.“

Heute findet er mehr „Ehrlichkeit in der Kommunikation“ wünschenswert:

„Das Festhalten an der 1,5-Grad-Marke in der öffentlichen Kommunikation kann zu Unverständnis, Angst und auch Fatalismus führen. Alles Hemmnisse für einen zielführenden Diskurs.“

Vermutlich würden nicht einmal zwei Grad geschafft.

„Nimmt man das, was die Politik weltweit derzeit macht, sind wir eher auf dem Kurs drei Grad.“

Und noch drastischer:

„Wir nähern uns dem Punkt, an dem man sich eingestehen muss: Die Zeit ist abgelaufen.“

 

Die Klimaforscher Johan Rockström und Carl-Friedrich Schleußner vertreten ein andere Position. Sie halten es für eine fatale Fehleinschätzung, das 1,5°-Ziel für tot zu erklären: „Denn 1,5 Grad sind nicht nur ein politisches Ziel. Sondern sie sind das planetare Limit.“

Sie weisen darauf hin, dass 1,5 Grad eine kritische Schwelle für die Stabilität mancher Klimakippelemente sind:

„Nur wenn wir mittelfristig die Erderwärmung auf unter 1,5 Grad begrenzen, können wir das Risiko für das Überschreiten von Kipppunkten dieser kritischen Systeme noch minimieren. Und eine fatale Kaskade von Kippelementen, die sich gegenseitig verstärken, verhindern. Alles, was über ein geringfügiges und zeitlich begrenztes Überschreiten von 1,5 Grad Celsius hinausgeht, erhöht diese Risiken deutlich.“

Ihnen geht es vor allem um die Frage, welche Folgen eine Abkehr vom Pariser Ziel politisch und psychologisch haben würde

„Nun gibt es einige, auch aus dem Kreis der Klimaforschenden, die 1,5 Grad vorzeitig für tot erklären, vielleicht auch in der Hoffnung, dass dies als Weckruf zu mehr Klimaschutz führen würde. Das überzeugt nicht. Aus unserer Sicht wird ein Fallenlassen der 1,5-Grad-Grenze nicht zu mehr Klimaschutz führen. Vielmehr würden Entscheidungsträger und Entscheidungsträgerinnen dann zwei Grad als Zielmarke ausrufen. Und in der Folge würden auch die Reduktions- und „Netto null“-Emissionsziele aufgeweicht werden.“

Ein spannende Debatte! 

Wie lässt sich eine realistische Einschätzung der Lage, die leider ziemlich pessimistisch ausfallen muss, mit ausreichend viel Hoffnung begegnen, um handlungsfähig zu bleiben, um den Kampf gegen jedes Zehntel, jedes Hundertstel Grad Erderwärmung weiterzuführen?

Klar ist: Das Überschreiten der 1,5° bedeutet noch nicht das Ende. Bei 1,5° geht die Welt nicht unter und es wäre unsinnig, an diesem Punkt aufzugeben, denn 1,9° ist besser als 2°. Und auch 2,45° ist besser als 2,5°. Jedes Zehntel Grad erhöht die Wahrscheinlichkeit irreversibler Kipppunkte. Jedes bisschen mehr Erderhitzung bedeutet ein Mehr an Leid, Elend und Tod. 

 

Beim globalen Klimastreik am 3. März wurde ich von einer Journalistin gefragt, ob ich denn eigentlich noch optimistisch sei. Zuerst wusste ich nicht recht, was ich darauf antworten sollte. Nein, ich blicke nicht sehr optimistisch in die Zukunft. Meine eigentlich grundoptimistische Haltung ist mir in den letzten Jahren leider gründlich vergangen. Aber dann fand ich doch noch eine Antwort:

Der Kampf für KlimaGerechtigkeit lohnt sich auch, wenn wir ihn verlieren.

Roland Vossebrecker

 

„Doch dem Pessimismus des Verstandes sollte (…) immer der Optimismus unseres Willens gegenüberstehen: der Optimismus, eine gerechte und für zukünftige Generationen lebenswerte Welt zu schaffen. Optimismus, genauso wie Hoffnung, ist dabei nicht die Überzeugung, dass etwas unter allen Umständen gut ausgeht. Es bedeutet viel mehr, sich die Haltung und letztlich die Gewissheit zu eigen zu machen, dass solidarisches Handeln Sinn macht, egal wie die Dinge am Ende ausgehen.“

(Alexander Behr, aus Globale Solidarität, S. 14 oekom verlag, 2022)

Demosprüche – kritisch hinterfragt

Demosprüche – kritisch hinterfragt

Demosprüche – kritisch hinterfragt

von Roland Vossebrecker

Vorweg: Ich halte Fridays for future für die wichtigste gesellschaftliche Bewegung der Gegenwart, mittlerweile natürlich flankiert und ergänzt durch viele weitere Klimaprotest-Gruppen wie Scientists for future, Extinction Rebellion (XR), Scientist Rebellion oder Aufstand der letzten Generation (u. v. a. m.). 

Seit Jahren bin ich regelmäßig auf den Fridays-for-future-Demos und Klimastreiks und wünsche mir schon länger mal einen Kreativ-Workshop für neue Demo-Sprüche 😊, die alten sind ein bisschen in die Jahre gekommen. 

Auf jeden Fall mal Zeit, sie genauer unter die Lupe zu nehmen:

What do we want? Climate justice! When do we want it? Now!

Keine Einwände! 😊 

Unser Ansatz: Klimagerechtigkeit fordern, – und leben!

Hoch mit dem Klimaschutz – runter mit der Kohle 

und

Keep it in the ground, just keep it in the ground

Na klar!

 

Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Zukunft klaut!

Ja, es geht definitiv um die Zukunft, allerdings nicht nur um unsere. Es geht auch um die Zukunft unserer Kinder, Enkelkinder und künftiger noch ungeborener Generationen. Und in vielen Ländern – besonders des globalen Südens – ist die „Zukunft“ der Klimakatastrophe längst Gegenwart. 

Ich habe aber keinen Zweifel, dass das den Demonstrierenden von FFF etc. bewusst ist!

Ein Thema für einen anderen Artikel wäre: Wer klaut uns die Zukunft? Und warum?

Power to the people, ‘cause people got the power!

und

This is what democracy looks like!

Der durch und durch demokratische Ansatz der Klimabewegung. Top!

 

Klima schützen ist kein Verbrechen!

Angelehnt an Seenotrettung ist kein Verbrechen, und in beiden Versionen absolut berechtigt und wichtig in Zeiten, in denen Menschen, die hier wie dort Leben retten wollen, als Terrorist*innen diffamiert werden.

…Antikapitalista!

Bedingte Zustimmung. Unser kapitalistisches System stellt Profit vor Gemeinwohl-Verantwortung.

Einwände: Antikapitalistische Systeme haben sich meist in Sachen Umweltzerstörung und Ausbeutung mindestens genauso verheerend verhalten.

Und wir sind Teil des kapitalistischen Systems, so viel Selbstkritik muss sein. Wir stecken mittendrin und profitieren sehr davon!

Kohlekonzerne baggern in der Ferne/Nähe,

zerstören unsere Umwelt nur für ‘nen Batzen Geld.

Worin wir unsere Zukunft sehn: Erneuerbare Energie!

Nee, echt nicht! Und nicht nur wegen des schlechten Reimes 😊.

Nichts gegen die sogenannten Erneuerbaren, natürlich nicht. Ihr Ausbau ist dringend erforderlich, um aus den zerstörerischen fossilen Energieträgern Kohle, Öl und Gas so schnell wie möglich auszusteigen.

Aber unsere Zukunft? Dafür braucht es ein bisschen mehr. Und ein Weiter-so mit anderen Mitteln wird nicht die Lösung sein. An das Märchen vom „grünen Wachstum“ glaube ich nicht! 

Mehr dazu im Artikel „Das Märchen von den Erneuerbaren Energien“ 

Unsere Zukunft sehe ich in einem anderen Gesellschaftsmodell, einem anderen, gesünderen Zeitgeist, in einem neuen, gerechteren, solidarischeren Miteinander. In einem anderen Wertesystem, in dem sich Erfolg nicht mehr am Einkommen oder an Statussymbolen wie teuren Autos, zur Schau gestelltem Luxus oder exotischen Reisen misst, sondern am Beitrag für die globale Gemeinschaft.

Utopisch? Ja sicher! Aber schön.

 

„Meine Vorstellung von Klimagerechtigkeit ist der Moment, in dem wir uns alle wieder in die Augen gucken können.“

Luisa Neubauer

Roland Vossebrecker

 

Die Frage nach der Verantwortung

Die Frage nach der Verantwortung

Die Frage nach der Verantwortung

von Tabea Schünemann

„Es ist nicht Volker Wissing, der die Klimaziele im Verkehr nicht erreicht, es sind die Bürgerinnen und Bürger, die die Klimaziele nicht erreichen. Die Menschen wollen eben mobil sein.“ Bei dieser Aussage von FDP-Chef Christian Lindner brennen mir sofort die Finger. Wir müssen hier mal über den Begriff der Verantwortung in der Klimakrise reden. Wer trägt sie? Lindner weist mit dieser Aussage jegliche Verantwortung von sich und schiebt sie den Bürger*innen zu. 

Da stellt sich die Frage: Sagt der „Vertrag mit dir selbst“ der IKGL und unser Plädoyer für ein klimagerechtes Leben nicht so etwas ähnliches wie Lindner? Dass die Bürger*innen selbst verantwortlich sind? Dass sich jede*r selbst dafür entscheiden muss, das Auto stehen zu lassen, kein Fleisch zu essen, weniger zu konsumieren, usw.? Also: Wie ist das jetzt mit der Eigenverantwortung? (Siehe dazu auch: „Klimagerecht? – KlimaGerecht!)

An dieser Stelle sei klar gesagt: Mein Verständnis von Eigenverantwortung hat NICHTS mit dem vom Lindner zu tun. Natürlich appellieren wir an die einzelnen Menschen und ihren Beitrag zum Thema Klimagerechtigkeit. Wir wollen, dass sich die Menschen ihrer Verantwortung bewusstwerden, die sie als Individuen und in ihren gesellschaftlichen Rollen tragen. Jede einzelne Entscheidung zählt, weil sie in der Summe den Unterschied macht. Wir leben in einer Gesellschaft, die wir zum Glück mitgestalten dürfen. Und deswegen sollten. Wir wollen die Menschen wachrütteln und ihnen zeigen, dass sie etwas bewegen können. Dass wir nicht länger wegschauen dürfen und sich die Erkenntnisse endlich in Taten umwandeln müssen. Keine Frage. 

Aber:
Der Versuch mit der Schuldzuweisung an die Bürger*innen von der eigenen politischen Verantwortung abzulenken, ist einfach nur perfide.
Die Eigenverantwortung der Individuen steht in keinem Verhältnis zur politischen Handlungsmacht. Der Fokus liegt völlig falsch.

Diese Ablenkung beleidigt das politische Engagement der Klimabewegung, die unaufhörlich die Verantwortungsträger*innen für ihr Versagen in der Klimapolitik zur Rechenschaft zieht. Sie ignoriert das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das der Bundesregierung eine deutliche Verantwortung bzw. Schuld zuspricht.
Ja, die Menschen wollen mobil sein, aber den Rahmen und die Möglichkeiten können sie sich kaum aussuchen. Natürlich müssen wir über das Auto als Statussymbol, die Bequemlichkeit von uns Menschen usw. reden, aber die Macht der Einzelnen hört da auf, wo schlicht und ergreifend kein Bus fährt. Wo das Flugzeug billiger ist als die Bahn. Wo die nachhaltige, verantwortungsvolle Alternative regelmäßig teurer und/oder unbequemer ist. Wo die 100 größten Konzerne 70% des weltweiten CO2– Ausstoßes verursachen.

Es kann doch nicht sein, dass individuelle und politische Verantwortung ständig gegeneinander ausgespielt werden! Das führt letztlich dazu, dass keine Seite Verantwortung übernimmt. Alle sollten die großen und kleinen Hebel bewegen, die sie haben. Wir möchten alle Seiten an ihre Verantwortung erinnern, im Bewusstsein um die unterschiedlich großen Handlungsspielräume. Die größten Hebel liegen nun mal bei der Politik, lieber Herr Lindner. Die Brücke von individueller zu politischer Verantwortung ist die Demokratie. (Siehe https://klimagerecht-leben.de/warum-politik ).

Uns geht es um die Eigenverantwortung der Menschen, weil wir ihnen etwas zutrauen möchten. Nicht als politische Strategie, als Ablenkungsmanöver. Sondern als Appell an mündige Bürger*innen, wach und aktiv durch diese Welt zu gehen und sie zu gestalten.

Tabea Schünemann

Klimagerecht? KlimaGerecht!

Klimagerecht? KlimaGerecht!

Klimagerecht? KlimaGerecht!

von Roland Vossebrecker

In vielen Gesprächen mit interessierten Menschen stellen wir immer wieder fest, dass unsere Idee des klimagerechten Lebens häufig missverstanden wird.

Offensichtlich assoziieren viele mit klimagerechtem Leben eines, dass „dem Klima gerecht“ wird, also der Klimaentwicklung, der Erderwärmung, dem Klimawandel. Unter diesem Blickwinkel geht es dann ausschließlich um die Reduzierung des persönlichen CO2-Fußabdrucks.

Wenn’s unglücklich verläuft, reduziert sich die Diskussion auf pro und contra Fleisch-essen, und es ist erstaunlich, wie viel Emotionalität dieses relative Randthema entfacht. Aber wir verstehen uns ja nicht hauptsächlich als Vegetarier*innen-Initiative!

Selbstverständlich ist der individuelle CO2-Fußabdrucks auch Teil unserer Agenda und die möglichst konsequente Verminderung desselben unser Anspruch an uns selbst. Aber unser Konzept von klimagerechtem Leben hat einen anderen Ansatz und geht weit darüber hinaus. 

Denn im Kern geht es uns um Gerechtigkeit. Den Gerechtigkeitsgedanken zu Ende zu denken und konsequent ernst zu nehmen, das ist unser Anliegen.

Dass diese Welt nicht gerecht organisiert ist, ist nun keine Neuigkeit, aber die Klimakrise verschärft die bestehenden Ungerechtigkeiten dramatisch und verursacht neue. Sie verschärft die Ungleichheit zwischen den reichen Katastrophenverursacher*innen und den armen Katastrophenerleidenden und setzt damit kolonialen Rassismus fort. Und sie verursacht eine neue Dimension der Ungerechtigkeit zwischen den Älteren und den Jüngeren, zwischen den Heutigen und den Zukünftigen.

Klimagerechtigkeit also allein auf CO2-Verminderung zu reduzieren, ist zu kurz gedacht.
Wenn wir das Anliegen, gerecht zu leben, ernst nehmen, 

  • dann dürfen wir nicht mehr für uns in Anspruch nehmen, als uns zusteht (> Konsumkontrolle und -Verzicht), 
  • dann sollten wir in der Lage sein, den Wohlstand, der uns durch die Verbrennung von Kohlenstoff zuteilwurde mit jenen zu teilen, die die Folgen davon zu tragen haben (> klimagerechtes Spenden), 
  • dann müssen wir uns mit aller Kraft dafür einsetzen, die Erderhitzung so weit wie möglich zu begrenzen (> politisches Engagement).

 

Warum gehört die CO2-Reduktion zum „Vertrag mit Dir selbst“ denn dann überhaupt dazu?

Nicht, weil wir glauben, damit „das Klima zu retten“! Auch hier geht es vor allem um die Gerechtigkeit und die Wahrnehmung der eigenen Verantwortung auf allen Ebenen!
Dass Deutschland historisch eine deutliche höhere „CO2-Schuld“ hat als der gesamte afrikanische Kontinent, sollte nachdenklich stimmen. Wir wollen einfach nicht mehr über unsere Verhältnisse leben, oder besser: über die Verhältnisse der anderen (wie Stefan Lessenich das richtigerweise ausdrückt: Neben uns die Sintflut. Die Externalisierungsgesellschaft und ihr Preis. Hanser, Berlin 2016).

Dazu kommt, dass ein CO2-reduzierter Lebensstil auch viel zu tun hat mit gegenseitiger Inspiration und einer sozialen Vorbildfunktion, die auf eine breite gesellschaftliche Veränderung wirkt (> Überzeugungsarbeit).

Und am Ende wollen wir doch alle lieber Teil der Lösung als Teil des Problems sein, oder?

Roland Vossebrecker

BÖSE WÖRTER

BÖSE WÖRTER

BÖSE WÖRTER

von Roland Vossebrecker

Böse Wörter

in der Klimakommunikation, Wörter wie Verantwortung, Schuld, Scham, Katastrophe, Angst, die wir lieber umgehen, verdrängen, vermeiden wollen.

 

Verantwortung 

Wieso ist „Verantwortung“ ein böses Wort? 

Wir möchten doch so gerne die Politiker*innen, die Wirtschaft, die Industrie etc. zur Verantwortung ziehen – und das ist ja auch absolut notwendig und richtig!

Nun ja, weil ich die eigene Verantwortung meine. Es gehört zu den natürlichen menschlichen Reflexen, bei allem Ungemach sofort anderen die Verantwortung zuzuschieben, sei es der*m Arbeitgeber*in, der Bundesbahn, dem Bundestrainer, dem Ehepartner, vor allem „denen da oben“. 

An die eigene Verantwortung möchte man lieber nicht erinnert werden. Sie anzunehmen ist anspruchsvoll und unangenehm, aber meiner Überzeugung nach zwingend notwendig. Sie muss sich auf die Zukunft richten, aber sie entsteht auch aus den Fehlern der Vergangenheit. 

Versagen

Sprechen wir es ruhig mal aus: Wir haben versagt! Wir, das ist meine Generation, meine Gesellschaft und ich ein Teil von ihr. Wachstums-, Wohlstands- und Fortschrittsversprechungen haben uns blind gemacht für die Kollateralschäden unserer Lebensweise. Die verführerische Bequemlichkeit unseres Konsummodells hat bei zu vielen – mich eingeschlossen – den hinterfragenden Blick zu lange getrübt.

Daraus ergibt sich eine

Schuld.

Diese anzuerkennen ist ein Schritt, der noch schmerzlicher aber gleichermaßen notwendig ist. Unsere Wohlstandsgesellschaft hat sich jahrzehntelang einbilden können, dass „alles immer besser wird“. Die Krisen des Klimas, des Artenschutzes, der globalen Gerechtigkeit holen uns nun ein, und wir müssen uns eingestehen, was wir bereits für einen Schaden angerichtet haben. 

Wie könnte eine ehrliche Auseinandersetzung mit MAPA (Most Affected People and Areas), mit betroffenen Menschen im globalen Süden ohne aufrichtiges Schuldgeständnis sonst möglich sein? 

Aus Schuld entsteht

Scham,

ein unangenehmes Gefühl, das aber zu einer gewissen Demut führen kann, – und führen sollte, in Anbetracht dessen, was auf die Menschheit zukommt. Denn das ist nichts weniger als eine lebensbedrohende

Katastrophe,

denn „Erderwärmung“ oder „Klimawandel“ sind verharmlosende Begriffe für Ereignisse, die sich bereits heute abspielen, die in Zukunft immer häufiger und heftiger auftreten und die „unsägliches menschliches Leid“ verursachen werden – so die Formulierung von 11.000 Wissenschaftler*innen in ihrem Aufruf zum „Klima-Notfall“ 2019.

Auch ein Worst-Case-Szenario, bei dem wegen einer Kettenreaktion der verschiedenen Kipppunkte im Klimasystem die Erhitzung so sehr außer Kontrolle gerät, dass das Überleben der Menschheit in Frage steht, wird von wissenschaftlicher Seite ernsthaft diskutiert.

Wie entmutigend ist es, den schlimmsten Fall vor Augen zu haben? Wie notwendig ist es, sich auch den schlimmsten Fall vorzustellen? Wie viel

Angst

macht das und wie geht man damit um? Es gehört sich nicht, von Angst zu sprechen, denn Angst kann lähmen, kann zu Verzweiflung und Resignation führen. 

Und doch:

„I want you to feal the fear I feal every day…” 

 

Ich möchte mal wieder persönlich werden:

Vielleicht sind es doch keine „bösen Wörter“, sondern – richtig verstanden – Anstöße, zum raus-aus-der-Passivität, raus aus dem man-müsste-mal-Modus, Anstöße zum aktiven Handeln.

Verantwortung, Schuld und Scham anzunehmen und mit Aktivismus zu begegnen, ist für mich der einzig gangbare Weg, und für mich die beste Weise, mit der der Angst vor den drohenden Katastrophen umzugehen:

Ich weiß um meine Verantwortung und um meine Schuld, ich schäme mich dafür, versagt zu haben, viel zu spät begriffen zu haben und viel zu langsam vom Verstehen zum Handeln gekommen zu sein, ich weiß von den Katastrophen, die heute passieren und von jenen, die der Menschheit noch bevorstehen, selbst im günstigsten Falle eines unter-2°-Szenarios. Und ich habe Angst!

Aber all das motiviert mich, weiterzumachen, zu kämpfen um jedes Zehntel Grad, um jedes Stückchen Gerechtigkeit, für die Vision eines besseren, klimagerechten Lebens.

“…and then I want you to act!” (Greta Thunberg)

 

 

Roland Vossebrecker