Hoffnung oder sowas.

Hoffnung oder sowas.

Hoffnung oder sowas. 

von Tabea Schünemann

Eine Weile sitze ich nun schon vor einem leeren Blatt, das die Überschrift „Hoffnung“ trägt.
Nichts könnte die aktuelle Stimmung in meiner Umgebung besser ausdrücken, als ein leeres Blatt zum Thema Hoffnung.
Umso dringlicher erschien es mir, mich doch des Themas anzunehmen, so cheesy es jetzt auch wird. 

Ich verstehe langsam: Vor der Hoffnung kommt die Akzeptanz der Dinge, wie sie sind.
Nicht hinnehmen, sondern annehmen, was sich nicht ändern lässt. Donald f*cking Trump ist Präsident und damit jegliche nötige Klimapolitik gestorben. 

An dieser Stelle erstmal kein Aber. Nur Tränen, Wut, Unverständnis, Schock. 

Und alles, was sonst noch so los ist in der Welt. 

Die kommenden leeren Zeilen sind dem Zulassen dieser Gefühle gewidmet. 

 

 

 

 

 

 

 

Ich will das alles nicht akzeptieren. Aber je mehr ich gegen Realitäten ankämpfe, die ich nicht ändern kann, desto weniger Energie ist da für die Dinge, die ich ändern kann. 

 

Das Gefühl, etwas ändern zu können, ist überlebenswichtig für jegliche Form von Engagement. Um sich nachhaltig für Nachhaltigkeit einsetzen zu können. 

 

Ich weiß, ich hätte es auch alles gern anders. Jetzt sofort. Ich weiß, uns rennt die Zeit davon. Ich weiß. 

 

Jetzt kommt das Aber: umso wichtiger ist es, unsere Energie zu bündeln. Gezielt einzusetzen. Nachhaltig einzusetzen. Wirksam einzusetzen. 

 

Genau dieses Gefühl des Nicht-einverstanden-Seins mit dem, wie es ist, ist super! Das ist der erste Schritt, um etwas zu verändern. Das ist konstruktive Wut! 

 

Das gilt es, zu bewahren und dann in Taten umzuwandeln. 

Und zwar im Sinne des Klima-Handabdrucks, also den Orten, wo wir wirksam Strukturen verändern können. 

 

Und, ich werde es nicht müde zu betonen: Nicht allein! 

 

Vereinzelung und Spaltung ist genau das Ziel derjenigen, die gegen die Veränderung arbeiten.
Sich zusammenzutun, sich zu solidarisieren, zuzuhören, sich zu verbinden, verletzlich zu machen, zusammen zu weinen und dann loszulegen, ist deswegen revolutionär! 

 

Ich wünsche euch diese Menschen und Orte!
Wer will, für den kann unsere Initiative, die Klimatalks, usw. ein solcher Ort sein.
Du bist nicht allein. Und du bist nicht egal.

Genau diese ganzen tollen Menschen, diese widerständigen, unverhofften Momente der Verbundenheit, sind, was mir gerade Hoffnung gibt. 

Die Hoffnung, dass es sich lohnt. Trotz allem. 

Weil wir aktiv Leben besser machen können.
Weil jedes Zehntel Grad, jeder Mensch zählt.
Und weil es auf dem Weg so viel zu gewinnen gibt. 

 

 

Dieser Text wurde u.a. inspiriert von der Treibhauspost, deren Inhalte ich wärmstens empfehlen kann!

Tabea Schünemann

Spontaner Aktivismus

Spontaner Aktivismus

Spontaner Aktivismus

von Roland Vossebrecker

Neulich sah ich beim Frühstück im ZDF-Morgenmagazin die Ankündigung eines Berichtes über die COP 29 in Baku, Aserbaidschan. Und dort fiel ein Satz, der mich spontan zu dieser Mail an das ZDF bewegte:

Hallo ZDF,

eben fiel im Morgenmagazin dieser Satz als Einleitung zum Bericht über die COP 29:

„Es geht, wenn man den Klimafolgenforschern Glauben schenkt, jetzt wirklich ums Ganze…“

Schlimmer kann man so einen Beitrag kaum mehr einleiten! Und wenn man ihnen keinen Glauben schenkt? Geht es hier um Glauben? Und was ist das für eine Vorlage für die Klimaleugner-Idioten?

Der Satz müsste lauten: „Es geht, wenn man endlich die Ergebnisse der Klimafolgenforschung ernst nehmen würde, längst (!) wirklich ums Ganze…“

Ich fordere Sie dringend auf, Ihrer Verantwortung in ihrer Berichterstattung gerecht zu werden!

Entsetzt,

Roland Vossebrecker

 

Meine Mail teilte ich auch mit allen engagierten Menschen, die ich kenne (im BCC) und erhielt daraufhin viele positive Reaktionen, vor allem auch viele „Ich schreibe denen auch mal…“!

Dann habe ich diese Mail auch auf unserem Mastodon-Channel  geteilt, mit den ZDF-Mail-Adressen und der Bitte, sich auch direkt an das ZDF zu wenden. Das löste eine kleine Lawine aus: Es gab etwa 500 Reaktionen auf den Post! Das ZDF hat an dem Tag eine Menge Post bekommen!

Warum schreibe ich das?

WEIL DU DAS AUCH KANNST!

 

Es ist keine hohe Kunst, sich zu Wort zu melden. Man braucht keine besonderen Fähigkeiten, man muss nicht besonders geschult sein, man braucht keinen Rhetorik-Kurs, um zu protestieren, wenn etwas falsch läuft.

Es ist Dein demokratisches Recht!

Was Du dazu brauchst, sind 10 Minuten, etwas Aufmerksamkeit und den Kick, sofort zur Feder (= zur Tastatur) zu greifen, wenn Dir etwas auffällt, das Dir gegen den Strich geht, sei es eine völlig missglückte Klimaberichterstattung, eine rassistische Bemerkung eines/einer Politikers/Politikerin oder was auch immer!

 

Seien wir realistisch: 

Ich gehe nicht davon aus, dass wegen meiner Mail/unseren Mails das ZDF sofort ihre Klimaberichterstattung auf den Prüfstand stellen wird. Aber wir wurden gehört und wahrgenommen. Es gab zwei reichlich floskelhafte Antworten, die wenig bis gar nicht auf den eigentlichen Kritikpunkt eingingen, aber ignorieren konnten sie uns nicht!

Unsere Demokratie ist alles andere als perfekt, und außerdem schwer unter Beschuss, durch rechte und rechtsextreme Bewegungen, durch Lobbyismus, vor allem auch durch das ganz große Geld. Aber noch haben wir unsere Stimme und unser Recht! Dieses demokratische Recht reicht viel weiter, als alle vier Jahre ein Kreuzchen zu setzen! Nutzen wir es, solange es noch geht! 

Du und ich!

P. S. Ein Tipp noch:

Kritik ist gut und wichtig! Und Lob, wenn mal was richtig gut läuft, auch! Das kommt ja auch ab und zu vor 😊.

Roland Vossebrecker

Statement zur COP 29 in Baku, Aserbaidschan

Statement zur COP 29 in Baku, Aserbaidschan

Statement zur COP 29 in Baku, Aserbaidschan

von Roland Vossebrecker

Letztes Jahr noch habe ich einen zwar kritischen, aber doch ambitionierten Artikel zur COP 28 in Dubai geschrieben .
Dieses Jahr habe ich eigentlich einfach keine Lust mehr.

Denn was soll ich noch sagen zu diesem verlogenen Zirkus, das andere nicht längst auch geschrieben haben? Über die erbärmlichen leeren Versprechungen, über die betrügerischen Machenschaften, über die Arroganz der reichen Länder, die den Globalen Süden ihrem von ihnen bereiteten Schicksal überlassen?

Offensichtlich kam niemand auf die naheliegende Idee, das dringend benötigte Geld für die Unterstützung armer Länder daher zu nehmen, wo es zu holen ist: Bei den weltzerstörenden Milliardären (a la Musk), bei den Fossilkonzernen, die immer noch alles dran setzen, für den eigenen Profit den letzten Tropfen Öl, das letzte Stück Kohle und damit die Welt zu verbrennen, und bei den absurden Subventionen für eben jene fossilen Zerstörer! Aber was soll man auch erwarten, wenn es genau jene Lobby ist, die die COP ausrichtet und dominiert?

Über das eigentliche Ziel, die Reduzierung der Emissionen, und damit also die Verhinderung oder zumindest Verminderung der Klimakatastrophe wurde scheinbar gar nicht mehr diskutiert. Das ist alles so absurd, dass man schreien könnte.

Was bleibt uns?

Nicht viel, aber auch nicht nichts: Wir können solidarische Netzwerke aufbauen, können suffiziente Lebensstile entwickeln und praktizieren, und wir können die Verlogenheit konventioneller „Klimapolitik“, die sich weigert, substantielle Wahrheiten anzuerkennen, demaskieren, wo immer es möglich ist!

Woher nehme ich die Kraft, nicht zu resignieren?

Aus den Bündnissen, aus der Gemeinschaft mit den Vielen, die verstanden haben und trotz allem für eine bessere Welt kämpfen.

Und nicht zuletzt aus der Energie, der Kraft und der Dynamik dieser Initiative KlimaGerecht Leben.

Roland Vossebrecker

Was Freiheit ist

Was Freiheit ist

Was Freiheit ist

von Tabea Schünemann

Ein Schlagwort, das in der aktuellen klimapolitischen Auseinandersetzung immer wieder fällt, ist Freiheit . Freiheit ist der Slogan der FDP, die sich als Freiheitspartei inszeniert. Jeder Vorschlag, jede Idee in Richtung Klimaschutz und Klimagerechtigkeit wird politisch und gesellschaftlich als böser Verzicht, als aufgezwungenes Verbot gedeutet und abgelehnt, weil vermeintlich die eigene Freiheit eingeschränkt wird.

Ich möchte genauer hinschauen: Was ist mit dieser Freiheit gemeint?

Es ist ein Verständnis von Freiheit, alles tun, kaufen, sagen zu dürfen, ohne dass ich mit Konsequenzen rechnen muss. Dass ich ohne Rücksicht auf Verluste über die Autobahn rasen, mehrmals im Jahr in den Urlaub fliegen oder alles immer bei Amazon bestellen kann. Dass ich jeden Satz und jedes Wort laut aussprechen oder twittern kann, ohne beachten zu müssen, was dies womöglich bei anderen auslösen könnte. Kurz: Diese Idee von Freiheit meint schlichte Rücksichtslosigkeit und Egoismus.

Auch das Expertengremium der Bundesregierung für Umweltfragen kommt zum Schluss: „Ressourcenintensive Lebensstile gefährden die Freiheit anderer und es gibt keinen moralischen Anspruch, dies zu ignorieren“ („Suffizienz – Strategie des Genug“ des SRU, S. 32).    (dazu auch hier auf unserer Webseite)

Eine Überkonsumgesellschaft deckt sich nicht mit dem Freiheitsverständnis unseres Rechtsstaats. Schon in der Aufklärung wurde Freiheit definiert, tun zu können, was einem anderen nicht schadet.

Denn: Dieses oben beschriebene Verständnis von Freiheit meint nur die Freiheit einigermaßen weniger auf Kosten aller anderen. So schaden reiche Menschen in reichen Industrienationen durchaus, nur wird dies im kapitalistischen System ausgelagert, sodass wir nicht sehen, was wir nicht sehen wollen. Was und wer eigentlich alles kaputt geht, bis unser Impulskauf bei SHEIN bei uns ankommt.

Das ist das Tragische bei der Klimaungerechtigkeit: Grundsätze, die hauptsächlich für die ökologischen Krisen verantwortlich sind, leiden am wenigsten darunter bzw. können sich am besten davor schützen und sind daher am wenigsten gewillt, etwas zu ändern. Außer, sieübernehmen ihre Verantwortung.

Das ist vor allem eine politische Aufgabe. Denn: Je mehr Einfluss, desto mehr Verantwortung.

Freiheit gibt es nur gepaart mit Verantwortung.

„Tatsächlich besteht die Gefahr, dass die Freiheit in bloßer Willkür ausarten kann, wenn sie nicht in Bezug auf die Verantwortung gelebt wird.“ Deshalb empfehle ich, die Freiheitsstatue an der Ostküste durch eine Verantwortungsstatue an der Westküste zu ergänzen.“ (Viktor E. Frankl, Das Leiden am sinnlosen Leben)

Schon meine Mutter hat zu uns Kindern immer gesagt: Die Grenze ist da, wo es den anderen stört. Das sollte der Maßstab sein. Das eigene, schädliche (Konsum-) Verhalten einzuschränken oder Güter gerecht zu verteilen, bringt den Menschen mehr Freiheit, die bisher durch die Grenzenlosigkeit einigermaßen eingeschränkt waren. Und es kann aus eigenen Konsumzwängen befreien und den Blick mehr darauf richten, was wirklich zählt im Leben, zB zwischenmenschliche Beziehungen.

Wenn ein Thomas Gottschalk nicht mehr immer alles sagen und tun darf, gibt es gleichzeitig mehr Raum, dass andere Menschen etwas sagen und tun dürfen, die es bisher nicht durften. Marginalisierte Menschen zum Beispiel. Und nein, Herr Gottschalk, das sind nicht Sie.

Wenn einem etwas weggenommen wird, damit andere mehr (und damit immer noch weniger) haben, ist das keine böse Verbots-, sondern schlichte Sozialpolitik.

Ich dachte, es geht schließlich um Menschenwürde.

Utopie vs. Krisenverwaltung

Utopie vs. Krisenverwaltung

Utopie vs. Krisenverwaltung

von Roland Vossebrecker

Krisen überall: Krise des Bildungssystems, Krise des Gesundheitssystems, Coronakrise, Ukrainekrise, „Flüchtlingskrise“ – eigentlich eine Krise der Humanität, Krise der Demokratie und über allem die Krise des Artensterbens und die Klimakrise.

Unsere Wahrnehmung ist durch multiple Krisen geprägt, die so herausfordernd sind, dass sich ein Pessimismus breit macht, wie er vor 12 oder 15 Jahren noch undenkbar war.

Auch die politischen Akteur*innen agieren im Dauerkrisenmodus und versuchen mit kleinen und kleinsten Schritten mehr schlecht als recht die Krisen zu verwalten. Was ihnen dabei gänzlich abhandengekommen ist, das ist der Wille zur Gestaltung einer besseren Zukunft. Keine der demokratischen Parteien hat zurzeit ein anschlussfähiges, ein begeisterndes Angebot. Die einzige Partei, die ihren Anhänger*innen eine Utopie anbietet, ist – die AfD. Eine widerliche und menschenverachtende, aber für ihre Anhänger*innenschaft eben eine verlockende Utopie einer homogenisierten deutschen Gesellschaft. (Dass die AfD durch und durch verlogen und korrupt ist, und solche Ideen schon einmal die Menschheit in Weltkrieg und Holocaust gestürzt hat, ist richtig aber nicht Gegenstand diese Artikels)

Was fehlt, das ist ein positiver Gegenentwurf zu Ausgrenzung, Nationalismus und Egoismus. Denn wofür stehen die anderen Parteien? 

Die Union für soziale Kälte, und sie hat damit erstaunlicherweise auch noch relativen Erfolg, die FDP für eine schamlose Klientelpolitik zugunsten Reicher und Superreicher und für die „Freiheit“, ohne Tempolimit das Klima zu ruinieren. Die SPD steht für – äh – ja, wofür eigentlich? Doppelwumms? Wie peinlich darf Politik eigentlich sein?

Die Linke scheint ihre Chance zu verpassen, sich nach dem Abgang des BSW-Ballastes noch mal neu zu erfinden als eine Partei echter Klimagerechtigkeit. Leider sieht es zurzeit mehr danach aus, dass sie in der Bedeutungslosigkeit einer 2-%-Partei untergeht.

Und die Grünen? Tja, die stehen für Klimaschutz. Aber mal ehrlich: Wie langweilig ist das denn? 

Klimaschutz, das ist Wärmepumpe, Ladesäuleninfrastruktur, Gebäudeenergiegesetz, Elektromobilität.  Alles nicht grundsätzlich falsch, aber wer soll sich dafür begeistern? Die Idee von Gerechtigkeit bleibt dabei auf der Strecke, denn wenn man ständig „Klimagerechtigkeit“ und „unseren (!) Wohlstand bewahren“ in einem Atemzug aufsagt, zeigt das nur, dass entweder nicht begriffen oder nicht der Mut dafür aufgebracht wird, einzugestehen, dass unser Wohlstand alles andere als gerecht ist.

Aber es könnte auch alles ganz anders sein.

Welche Kraft würde es entfalten, wenn eine Partei den Mut hätte, einen Entwurf für eine (Klima-)gerechte Gesellschaft vorzulegen und sich konsequent daran zu orientieren. Für eine Politik, die Menschenrechte als oberstes Leitbild verfolgt. Für eine Gesellschaft, in der Wohlstand und demokratische Teilhabe wirklich gerecht verteilt wäre. Eine Utopie einer nachhaltigen, zukunftsfähigen, global gerechten Gesellschaft, die nicht an den Symptomen der Krisen herumdoktern, sondern ihre Ursachen beseitigen will. Eine Idee von Freiheit, die nicht als schrankenloser Egoismus ausgelebt, sondern verantwortungsvoll und solidarisch verstanden wird. Ein neues Verständnis von Wohlstand, das nicht Luxus und Überfluss für wenige verspricht, sondern genügsam und gerecht ist.
Ein Angebot des guten Lebens für alle, für wirklich Alle!

Ja, natürlich würde eine solche Partei nicht sofort Wahlen und absolute Mehrheiten gewinnen. Aber unzählige Menschen warten sehnsüchtig auf ein solches politisches Angebot *1, für dass es sich wirklich lohnt zu kämpfen, sich einzubringen und sich zu engagieren.

Und diese Utopien muss man nicht erst erfinden, sie liegen längst vor, ausgedacht von vielen klugen und engagierten Menschen, NGOs und Initiativen.

Unsere Demokratie funktioniert so, dass auch die Opposition Politik mit gestalten und prägen kann, und das ist im Prinzip auch sehr gut so. Aktuell ist es aber gerade die AfD, die die anderen Parteien in der Migrationsfrage vor sich hertreibt. Man überbietet sich in unmenschlichen Maßnahmen gegen Geflüchtete in der Angst, Hilfsbereitschaft und Mitmenschlichkeit könnten die Rechtsextremen stärken. Wie absurd! Rechte Ideologie bekämpft man nicht mit rechter Politik!

Stellen wir uns den Spieß aber mal umgedreht vor: Eine (klima-)gerechte Partei, die sich an die Spitze gesellschaftlichen Wandels setzt und aus der Opposition heraus etablierte Politik vorantreibt, indem sie immer wieder konsequent Gerechtigkeit einfordert. Welch unglaubliches Potential für die notwendige Transformation läge darin?!
Welche Begeisterung würde dies entfachen bei all jenen, die die Zeichen der Zeit verstanden haben.

Mir wird an diesem Punkt oft entgegen gehalten, das sei nur meine „Blase“. Ja, ok, aber hey, die ist groß!

Wenn sich jetzt eine bestimmte Partei besonders angesprochen fühlt, dann ist das weder zufällig noch unbeabsichtigt!

Da sich aber am politischen Horizont nirgends etwas ähnliches abzeichnet, bleibt es weiter bei uns, den vielen zivilgesellschaftlichen Gerechtigkeits-Initiativen, den Wandel zu gestalten und vorauszuleben.

*1 Ich habe Teile dieses Artikels während einer Bahnfahrt geschrieben. Als ich den Satz notiert hatte, von den vielen, die ein solches Angebot erwarten, hörte ich zufällig, dass die beiden älteren Herren hinter mir sich genau darüber unterhielten. Als ich sie daraufhin ansprach, sagte mir einer von Ihnen: „Mittlerweile fühle ich mich politisch heimatlos…“

Kleine Schritte

Kleine Schritte

Kleine Schritte

von Roland Vossebrecker

Kleine Schritte?

Individuelle Verhaltensänderungen können das Klima nicht retten. So weit, so Konsens.

Aber stimmt das wirklich?

Die entscheidenden Hebel lägen bei der Politik, so die gängige Erzählung. Und selbstverständlich kann und muss eine verantwortungsvolle Klimapolitik liefern. Sie kann Rahmenbedingungen verändern, CO2-Preise setzen, E-Autos fördern, Erneuerbare ausbauen, ein Klimageld beschließen (äh?), klimaschädliche Subventionen beenden (Hallo?), aus fossilen Brennstoffen aussteigen (statt LNG auszubauen und Erdgas in Katar oder im Senegal einzukaufen), ein Tempolimit beschließen („aaaaargh!“) …

Und ob bei den alljährlichen Weltklimakonferenzen oder im politischen Alltagsgeschäft, wir erleben ständig, wie unfassbar langsam es voran geht.

Doch eines kann die Politik nicht: Den notwendigen gesellschaftlichen Wandel herbeiführen. Zumindest ist in der politischen Landschaft weit und breit niemand in Sicht, die/der bereit wäre, das vorherrschende kolonialfossile (Friederike Otto) Konsummodell in Frage zu stellen.

Und die Geschichte zeigt, dass die Politik dem gesellschaftlichen Veränderungen immer hinterher hinkt.

Daher haben individuelle Verhaltensänderungen eine ganze Reihe enorm wichtiger Bedeutungen:

  • Sie sind ein Beitrag zum gesellschaftlichen Wandel.
  • Sie stärken Gefühle von Selbstwirksamkeit, Gemeinschaftlichkeit und Verantwortung.
  • Sie sind ein Beitrag zur KlimaGerechtigkeit.
  • Sie verändern Konsummuster.
  • Sie machen Forderungen an die Politik glaubwürdig(er).

Und zu Ende gedacht gehört politisches Engagement notwendigerweise zu den Verhaltensänderungen dazu!

Kleine Schritte? Ein Plädoyer zu mehr Mut

Üblicherweise wird empfohlen, mit kleinen Schritten zu beginnen. Nur noch zwei Mal die Woche Fleisch essen, nur noch einmal im Jahr in den Urlaub fliegen, öfter mal den Bus oder das Fahrrad nehmen, mehr Bio kaufen, Plastik sparen und den Müll trennen.

Keine Frage: Wer so handelt, handelt besser, als wer es nicht tut.

Aber wir haben 2024. Laut Copernicus-Institut lag die globale Durchschnittstemperatur erstmals 12 Monate lang über der 1,5°-Grad-Marke. Das vergangene Jahr war ein Jahr verheerender Klimakatastrophen, und wir erleben ständig neue. Haben wir noch Zeit für kleine Schritte? Sind kleine Schritte in die richtige Richtung zur falschen Zeit nicht falsche Schritte?

Und während manche kleine Schritte wirklich in die richtige Richtung gehen, sind andere aber mehr geneigt, den Status Quo zu zementieren und wirkliche Veränderung zu verhindern. So zum Beispiel, wenn uns die Werbung suggeriert, wir könnten die Meere durch den Kauf eines Bio-Shampoos retten oder unsere Kreuzfahrt nachhaltig gestalten, indem wir beim Verlassen unserer Kabine das Licht löschen. (Siehe dazu: https://klimagerecht-leben.de/green-lifestyle)

Ist das jetzt nicht total entmutigend? Ich denke nein und möchte eine kühne These wagen:

Große Schritte sind einfacher als kleine!

Warum?

  • Die kleinen Schritte sind extrem anfällig für Rückfälle in alte Gewohnheiten.
  • Den kleinen Schritten haften im Unterbewusstsein immer das Gefühl des Ungenügens an.
  • Falsche Handlungsweisen werden nicht dadurch richtig, dass man sie seltener tut.

Der „große Schritt“, den Gerechtigkeits-Gedanken zu verinnerlichen und damit als selbstverständlich mitzudenken, hat dagegen einige Vorteile:

  • Wir müssen nicht mehr ständig schwierige Einzelentscheidungen treffen! (Ist heute die Ausnahme, an der ich mir XYZ gönne?)
  • Dadurch wird klimagerechtes Leben und klimagerechtes Engagement zum Selbstläufer.
  • Und man erfährt das befriedigende Gefühl echter Selbstwirksamkeit.

Ein besseres Mittel gegen den Klimafrust gibt es nicht.

Nur Mut!