Suffizienz – der Elefant im Raum der Umweltdebatte

Suffizienz – der Elefant im Raum der Umweltdebatte

Suffizienz – der Elefant im Raum der Umweltdebatte

von Tabea Schünemann und Roland Vossebrecker

März 2024. Der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) veröffentlicht ein Thesenpapier, das deutlicher und brisanter nicht hätte sein können.

Die klare Botschaft lautet: Um für eine lebenswerte Zukunft auf diesem Planeten zu sorgen, braucht es vor allem eins: Suffizienz.
Um der Überschreitung der planetaren Grenzen entgegenzuwirken, reichen Effizienz (Optimierungen bestehender Techniken) und Konsistenz (Ersatz durch umweltfreundlichere Alternativen) nicht aus.
Notwendig ist Suffizienz als „Strategie des Genug“ für die absolute Verminderung des Verbrauchs von Rohstoffen und Energie. 

Suffizienz bedeutet ein Leben im Genug. Nicht in Armut, aber auch nicht im Überfluss wie die Mehrheit der Bevölkerungen in den reichen Industrienationen, deren Übernutzung natürlicher Ressourcen das Erdsystem destabilisiert. Der Sachverständigenrat lässt keine Zweifel an der dramatischen Dringlichkeit für eine Suffizienzpolitik, stellt darüber hinaus aber auch die Vorteile und Gewinne einer suffizienten Lebensweise heraus. Der SRU untermauert die Notwendigkeit von Suffizienz wissenschaftlich, rechtlich und moralisch und scheut sich nicht, neben Wissenschaft und Gesellschaft auch die Politik in Verantwortung zu ziehen. 

„Eine Politik der Suffizienz ist verfassungsrechtlich möglich und unter bestimmten Bedingungen sogar geboten“

(SRU, Suffizienz, These 10, S. 44)

Der Suffizienzgedanke an sich ist nicht neu. Viele kluge Vordenker*innen (Maja Göpel, Niko Paech, Harald Welzer u. v. a. m.) haben überzeugend für einen Ausweg aus dem weltzerstörerischen Konsummodell der Moderne argumentiert.
Brisant ist das Papier aber durch die akribische Wissenschaftlichkeit, mit der jede der 16 Thesen zur Suffizienz untermauert werden, sowieso besonders durch die offizielle Funktion des SRU. Dieser berät die Bundesregierung(en) in allen relevanten Umweltfragen.

Der Sachverständigenrat spricht im März mit seinem Thesenpapier „Eine Einladung zur Diskussion“ aus (so der Untertitel), eine Diskussion, die seit langem überfällig ist, wenn man die gewaltigen Herausforderungen der eskalierenden Klima- und Umweltkrisen ernst nimmt.

Doch dann passiert – Nichts.

In aller Deutlichkeit: Die Bundesregierung ignoriert ihren eigenen Sachverständigenrat ebenso wie es die Parteien der Opposition tun.
Eine politische Auseinandersetzung über die Thesen zur Suffizienz findet nicht ernsthaft statt.
Im Gegenteil: Die politischen Debatten um die Krisen des Klimas, des Artensterbens und weiterer Umweltprobleme drehen sich beinahe ausschließlich um vermeintliche technische Lösungen. Das Thema Suffizienz wird selbst von jenen gemieden, die es besser wissen, von den meisten politischen Parteien aber bewusst ignoriert. 

Warum?

Diese weitreichende und fatale politische Ignoranz ist ganz unterschiedlich motiviert. 

Das Konzept Suffizienz stellt sich gegen das kapitalistische, angeblich alternativlose Wachstumsmodell.
Trotz der bereits stattfindenden Katastrophen wird uns allseits vermittelt, wir lebten in der besten aller möglichen Welten. In vielen politischen Köpfen scheint die Möglichkeit einer Alternative zu endlosem Konsum nicht angelegt zu sein, obwohl es immer offensichtlicher wird, dass ein Weiter-so die Menschheit in den Kollaps treiben wird. Stattdessen wird weiterhin jeder Versuch einer Regulierung von umweltschädigendem Konsum durch eine neoliberalen Erzählung von „Freiheit“ (Floskel des Jahres 2022) blockiert. Es hält sich hartnäckig ein Narrativ, das klimapolitische Maßnahmen unter dem Vorwurf des unverhältnismäßigem Verbots ablehnt. Hier wirkt auch die Angst der Wohlhabenden, die fürchten, ihre Privilegien zu verlieren. 

Das Umweltbundesamt schreibt in seiner Untersuchung zu Strategien des Anti-Klimapopulismus:

Dabei werden umweltpolitische Regulierungen als autoritäre und antidemokratische Eingriffe in die persönlichen Freiheitsrechte verzerrt – ein Argumentationsmuster, bei dem sich (…) die populistische und neoliberale Rhetorik überschneiden.”

Der SRU gibt darauf eine klare und herausfordernde Antwort:

„Ressourcenintensive Lebensstile gefährden die Freiheit anderer und es gibt keinen moralischen Anspruch, dies zu ignorieren.”  (SRU, Suffizienz, These 6, S. 32)

 

Durch die Thesen zur Suffizienz werden vor allem Menschen mit hohem Ressourcenverbrauch in die Pflicht genommen. In Deutschland wie weltweit gilt, dass je größer das Einkommen bzw. Vermögen, desto größer der Ressourcenverbrauch, der ökologische Fußabdruck – aber auch das politische Gewicht. Es ist wissenschaftlicher Konsens: Reich bedeutet einflussreich. Daher dürfte es nicht verwundern, dass ein Text wie das SRU-Diskussionspapier politisch kein Gehört findet: Es ist nicht im Interesse des (einfluss-)reichen Teils der Bevölkerung. Zumindest nicht, wenn das Interesse primär in der Bewahrung und Vermehrung des Vermögens besteht. Dem Systemwandel stehen diejenigen entgegen, die das System erhalten wollen, weil sie davon profitieren. Dies ist keine neue Erkenntnis, umso wichtiger ist es, den Finger immer wieder in diese offene Wunde der Demokratie zu legen.  

Ein weiteres tun die Strategien und Narrative  einer erfolgreichen “Klimaschmutzlobby”. Dank investigativer Recherche treten deren Strategien immer mehr an die Öffentlichkeit und trotzdem war in den vergangenen Jahrzehnten leider nichts so erfolgreich wie die Entpolitisierung der Klimadebatte. Doch ist es die Aufgabe der Politik, Strukturen zu fördern, die ein suffizientes Leben ermöglichen oder erleichtern.

Mutlosigkeit, bei jenen, die es eigentlich besser wissen

Schließlich gibt es noch jene politischen Kräfte, die es besser wissen, die verstanden haben, dass es ohne Suffizienz nicht funktionieren kann mit der Rettung unserer Lebensgrundlagen, und unter dem Aspekt der Gerechtigkeit schon gar nicht. Es fehlt aber der Mut, dies auch offen zu kommunizieren. 

Beharrlich hält sich der Glaube, dass man diese Wahrheit den Wähler*innen nicht zumuten dürfe, dass man der Gesellschaft ein suffizientes Leben nicht zutrauen kann. „Ja, stimmt ja, aber wenn wir das sagen, dann wählt uns niemand mehr…“ ist uns in Gesprächen mit Grünen Politiker*innen allzu oft begegnet. Man könnte es passiven Populismus nennen.

Auch hier hat das SRU-Papier einiges zu bieten:

Suffizienz kann Baustein eines gelingenden Lebens sein

(SRU, Suffizienz, These 12, S. 58)

Denn Suffizienz ist keine reine Verzichtserzählung. Wem die Bewahrung unserer menschlichen Zivilisation nicht reicht, dem können, dem müssen die weiteren Vorteile einer genügsamen Lebensweise vermittelt werden: Eine suffiziente Gesellschaft ist gesünder, entspannter und gerechter!

 

Suffizienz, eine Aufgabe für die Klimagerechtigkeitsbewegung!

Wie lässt sich diese politische Ignoranz durchbrechen? Wie kann es endlich zu einer mutigen und ehrlichen politischen Auseinandersetzung zu Suffizienz als alternativen genügsamen Lebensweise und Gesellschaftsform kommen?

Politiker*innen pflegen den Eindruck, suffiziente Maßnahmen seien nicht „Volkswille“ – auch das ist eine Anti-Klima-populistische Strategie. Damit sie nicht funktioniert, braucht es ein lautes gesellschaftliches „Doch – wir wollen das“. Es bedarf der „Pionier*innen des Wandels, also Einzelpersonen, Gruppen oder Organisationen, die Transformation (…) ‚von unten’ durch Innovationen und nachhaltige Praktiken anstoßen.“ (SRU, Suffizienz, S. 62)

Mit der Suffizienz-Strategie stellen die Wissenschaftler*innen des SRU unsere Konsumgesellschaften, die aktuellen Besitzverhältnisse, eine auf endloses quantitatives Wachstum ausgerichtete Wirtschaft, eine Denkweise, die die Alternativlosigkeit des Kapitalismus predigen und schließlich unsere Wertvorstellungen infrage, kurz: Das ganze System!

Die berechtigte, aber allgemeine Forderung der Klimagerechtigkeitsbewegung System change, not climate change würde im Projekt Suffizienz ein klares Profil erhalten.

 

Tabea Schünemann ist Theologiestudentin, Autorin und Klimaaktivistin und lebt aktuell in Leipzig.
Roland Vossebrecker ist Musiker und als Aktivist in der Holocaust-Bildungsarbeit und in der Klimagerechtigkeitsbewegung engagiert. Beide sind Mitglieder der Initiative KlimaGerecht Leben. 

Tagebuch eines Lobbyisten 

Tagebuch eines Lobbyisten 

Tagebuch eines Lobbyisten 

von Tabea Schünemann

Liebes Tagebuch,

 

heute ist endlich die schönste Zeit des Jahres für uns angebrochen – die Weltklimakonferenz.
Zusammen mit meinen, ich glaub 1772 Kollegen (selbst wenn ich gendern würde, wäre es hier einfach nicht passend, haha) sind wir wie jedes Jahr in einen Ölstaat geflogen. In Baku war ich erst ein paar Mal, schon nett, aber echt warm noch.
Es ist eine super anstrengende Zeit, wie immer, denn das Überleben steht auf dem Spiel. Also das Überleben der Firma, klar. So viel Energiewende macht meinem Chef echt Angst. Und dann nerven auch ständig irgendwelche Klimakleber, ich kleb euch gleich eine, haha.
Zum Glück kriegen die jetzt nicht mehr so viel Platz auf der COP, dem Himmel sei Dank. Ein bisschen ein mulmiges Gefühl hab ich ja schon wegen Aserbaidschan und Menschenrechten und so. Aber ich mach hier ja auch nur meinen Job.
Heute liefs schon ganz gut, die Gespräche waren erfolgreich, mittlerweile hab ichs drauf, hat auch der Jens gemeint. Diesmal konnten wir leider nicht mit der EU-Delegation mit wie letztes Jahr, aber die Kollegen aus Italien haben sogar mit so einem aserbaidschanischen Konzern nen Deal rausgehauen, so geil die Jungs! Unser Pavillon war heute auch schon gut besucht. Fühlt sich an wie ne Messe in Frankfurt, ich vergess manchmal, dass das ne Klimakonferenz ist.
Naja, jetzt aber pennen gehen, morgen gehts erst richtig los. Letzte Nacht hatte ich einen Albtraum – die Länder haben sich auf nen Ausstieg aus allen fossilen Energien geeinigt – oh Gott! 

Hoffnung oder sowas.

Hoffnung oder sowas.

Hoffnung oder sowas. 

von Tabea Schünemann

Eine Weile sitze ich nun schon vor einem leeren Blatt, das die Überschrift „Hoffnung“ trägt.
Nichts könnte die aktuelle Stimmung in meiner Umgebung besser ausdrücken, als ein leeres Blatt zum Thema Hoffnung.
Umso dringlicher erschien es mir, mich doch des Themas anzunehmen, so cheesy es jetzt auch wird. 

Ich verstehe langsam: Vor der Hoffnung kommt die Akzeptanz der Dinge, wie sie sind.
Nicht hinnehmen, sondern annehmen, was sich nicht ändern lässt. Donald f*cking Trump ist Präsident und damit jegliche nötige Klimapolitik gestorben. 

An dieser Stelle erstmal kein Aber. Nur Tränen, Wut, Unverständnis, Schock. 

Und alles, was sonst noch so los ist in der Welt. 

Die kommenden leeren Zeilen sind dem Zulassen dieser Gefühle gewidmet. 

 

 

 

 

 

 

 

Ich will das alles nicht akzeptieren. Aber je mehr ich gegen Realitäten ankämpfe, die ich nicht ändern kann, desto weniger Energie ist da für die Dinge, die ich ändern kann. 

 

Das Gefühl, etwas ändern zu können, ist überlebenswichtig für jegliche Form von Engagement. Um sich nachhaltig für Nachhaltigkeit einsetzen zu können. 

 

Ich weiß, ich hätte es auch alles gern anders. Jetzt sofort. Ich weiß, uns rennt die Zeit davon. Ich weiß. 

 

Jetzt kommt das Aber: umso wichtiger ist es, unsere Energie zu bündeln. Gezielt einzusetzen. Nachhaltig einzusetzen. Wirksam einzusetzen. 

 

Genau dieses Gefühl des Nicht-einverstanden-Seins mit dem, wie es ist, ist super! Das ist der erste Schritt, um etwas zu verändern. Das ist konstruktive Wut! 

 

Das gilt es, zu bewahren und dann in Taten umzuwandeln. 

Und zwar im Sinne des Klima-Handabdrucks, also den Orten, wo wir wirksam Strukturen verändern können. 

 

Und, ich werde es nicht müde zu betonen: Nicht allein! 

 

Vereinzelung und Spaltung ist genau das Ziel derjenigen, die gegen die Veränderung arbeiten.
Sich zusammenzutun, sich zu solidarisieren, zuzuhören, sich zu verbinden, verletzlich zu machen, zusammen zu weinen und dann loszulegen, ist deswegen revolutionär! 

 

Ich wünsche euch diese Menschen und Orte!
Wer will, für den kann unsere Initiative, die Klimatalks, usw. ein solcher Ort sein.
Du bist nicht allein. Und du bist nicht egal.

Genau diese ganzen tollen Menschen, diese widerständigen, unverhofften Momente der Verbundenheit, sind, was mir gerade Hoffnung gibt. 

Die Hoffnung, dass es sich lohnt. Trotz allem. 

Weil wir aktiv Leben besser machen können.
Weil jedes Zehntel Grad, jeder Mensch zählt.
Und weil es auf dem Weg so viel zu gewinnen gibt. 

 

 

Dieser Text wurde u.a. inspiriert von der Treibhauspost, deren Inhalte ich wärmstens empfehlen kann!

Tabea Schünemann

Was Freiheit ist

Was Freiheit ist

Was Freiheit ist

von Tabea Schünemann

Ein Schlagwort, das in der aktuellen klimapolitischen Auseinandersetzung immer wieder fällt, ist Freiheit . Freiheit ist der Slogan der FDP, die sich als Freiheitspartei inszeniert. Jeder Vorschlag, jede Idee in Richtung Klimaschutz und Klimagerechtigkeit wird politisch und gesellschaftlich als böser Verzicht, als aufgezwungenes Verbot gedeutet und abgelehnt, weil vermeintlich die eigene Freiheit eingeschränkt wird.

Ich möchte genauer hinschauen: Was ist mit dieser Freiheit gemeint?

Es ist ein Verständnis von Freiheit, alles tun, kaufen, sagen zu dürfen, ohne dass ich mit Konsequenzen rechnen muss. Dass ich ohne Rücksicht auf Verluste über die Autobahn rasen, mehrmals im Jahr in den Urlaub fliegen oder alles immer bei Amazon bestellen kann. Dass ich jeden Satz und jedes Wort laut aussprechen oder twittern kann, ohne beachten zu müssen, was dies womöglich bei anderen auslösen könnte. Kurz: Diese Idee von Freiheit meint schlichte Rücksichtslosigkeit und Egoismus.

Auch das Expertengremium der Bundesregierung für Umweltfragen kommt zum Schluss: „Ressourcenintensive Lebensstile gefährden die Freiheit anderer und es gibt keinen moralischen Anspruch, dies zu ignorieren“ („Suffizienz – Strategie des Genug“ des SRU, S. 32).    (dazu auch hier auf unserer Webseite)

Eine Überkonsumgesellschaft deckt sich nicht mit dem Freiheitsverständnis unseres Rechtsstaats. Schon in der Aufklärung wurde Freiheit definiert, tun zu können, was einem anderen nicht schadet.

Denn: Dieses oben beschriebene Verständnis von Freiheit meint nur die Freiheit einigermaßen weniger auf Kosten aller anderen. So schaden reiche Menschen in reichen Industrienationen durchaus, nur wird dies im kapitalistischen System ausgelagert, sodass wir nicht sehen, was wir nicht sehen wollen. Was und wer eigentlich alles kaputt geht, bis unser Impulskauf bei SHEIN bei uns ankommt.

Das ist das Tragische bei der Klimaungerechtigkeit: Grundsätze, die hauptsächlich für die ökologischen Krisen verantwortlich sind, leiden am wenigsten darunter bzw. können sich am besten davor schützen und sind daher am wenigsten gewillt, etwas zu ändern. Außer, sieübernehmen ihre Verantwortung.

Das ist vor allem eine politische Aufgabe. Denn: Je mehr Einfluss, desto mehr Verantwortung.

Freiheit gibt es nur gepaart mit Verantwortung.

„Tatsächlich besteht die Gefahr, dass die Freiheit in bloßer Willkür ausarten kann, wenn sie nicht in Bezug auf die Verantwortung gelebt wird.“ Deshalb empfehle ich, die Freiheitsstatue an der Ostküste durch eine Verantwortungsstatue an der Westküste zu ergänzen.“ (Viktor E. Frankl, Das Leiden am sinnlosen Leben)

Schon meine Mutter hat zu uns Kindern immer gesagt: Die Grenze ist da, wo es den anderen stört. Das sollte der Maßstab sein. Das eigene, schädliche (Konsum-) Verhalten einzuschränken oder Güter gerecht zu verteilen, bringt den Menschen mehr Freiheit, die bisher durch die Grenzenlosigkeit einigermaßen eingeschränkt waren. Und es kann aus eigenen Konsumzwängen befreien und den Blick mehr darauf richten, was wirklich zählt im Leben, zB zwischenmenschliche Beziehungen.

Wenn ein Thomas Gottschalk nicht mehr immer alles sagen und tun darf, gibt es gleichzeitig mehr Raum, dass andere Menschen etwas sagen und tun dürfen, die es bisher nicht durften. Marginalisierte Menschen zum Beispiel. Und nein, Herr Gottschalk, das sind nicht Sie.

Wenn einem etwas weggenommen wird, damit andere mehr (und damit immer noch weniger) haben, ist das keine böse Verbots-, sondern schlichte Sozialpolitik.

Ich dachte, es geht schließlich um Menschenwürde.

Wacht auf, ihr eingeschlafenen Herzen!

Wacht auf, ihr eingeschlafenen Herzen!

Wacht auf, ihr eingeschlafenen Herzen!

von Tabea Schünemann

Ein Text gegen (meine) Müdigkeit

 

Ja, die Ergebnisse der Wahlen, v.a. der Europawahl sind erschreckend, ein Schlag ins Gesicht für die Demokratie.
Was mich mehr erschreckt: Meine eigene Reaktion, mein eigenes Nicht-Erschrecken.
Bin ich etwa schon resigniert? 

Ich will hier ehrlich sein: Der ganze Weg hin zur Klimagerechtigkeit ist einfach verdammt mühsam. Das Problem so riesig, große Goliaths, die dem Interesse von Klimagerechtigkeit aktiv entgegenhandeln und politische Akteur*innen, die diesen unterliegen.
Auch im persönlichen Leben ist ein an Klimagerechtigkeit ausgerichtetes Leben anstrengend. Ich will auch eigentlich nicht bei 36 Grad auf das Eis verzichten, weil es nicht vegan ist. Ich weiß auch nicht, wen ich wählen soll, weil ich mich grundsätzlich im Stich gelassen fühle. Ich habe die immer gleichen Gespräche satt, das Gefühl, das Ganze ist nur „mein Thema“, das andere nichts angeht. 

Also, wenn es dir auch so geht: Sehr verständlich!

 

Und trotzdem:
Ich will nicht, dass diese Gefühle grundlegend mein Leben bestimmen.
Sie sind da und okay und wir dürfen auch einfach müde und überfordert sein nach dem Nachrichtenschauen oder bei 40 Grad.
Und: Klimadepression ist eine reale Sache und viel mehr als eine Manchmal-Müdigkeit. Bitte nimm dich ernst und auch Hilfesuchen ist kein Zeichen von Schwäche, im Gegenteil! 

 

Gleichzeitig machen mich persönlich die 40 Grad wütend und das belebt! Es ist mein Recht, von politischer Seite davor beschützt zu werden.
Es ist die verfassungsrechtlich verankerte Aufgabe unserer Regierung, für eine lebenswerte Gegenwart und Zukunft für alle zu sorgen.
Es ist die Aufgabe von Journalist*innen, die vielen „Jahrhunderthochwasser“ dieser Jahre in einen Zusammenhang mit der Klimakrise zu stellen und einem Markus Söder, der sich als Held der Nation in Gummistiefeln präsentiert, während die Politik seiner eigenen Partei Klimaschutz populistisch untergräbt, auf die Nase zu hauen! 

 

Was ich hier sagen will: Klimaschutz ist ein Menschenrecht, auch deins!

 

Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte macht das Ganze einklagbar und das sollte auch uns ermutigen – wir stehen mit unseren Forderungen nach Klimagerechtigkeit auf der richtigen Seite. 

 

Es ist nicht okay, dass es jetzt so ist, wie es ist. 

 

Es ist unsere Demokratie und unser Leben. Beides ist einfach zu wertvoll. 

Tabea Schünemann