Kollektive Verdrängung

Kollektive Verdrängung

Kollektive Verdrängung – „So schlimm wird es doch nicht werden“

 

Roland Vossebrecker

Ist die Klimakrise im Bewusstsein der breiten Bevölkerung, in der „Mitte der Gesellschaft“, wie man so sagt, angekommen? Ja und Nein:

Im ZDF-Politbarometer vom April 2023 waren 48 % der Befragten der Meinung, es würde zu wenig für den Klimaschutz getan. So weit, so gut, aber im Januar 2024 waren es nur noch 35 %, 22 % hielten die Maßnahmen für gerade richtig, und für atemberaubende 37 % gingen die Maßnahmen zu weit.

Natürlich gibt es sie, die Menschen, die begriffen haben, was auf dem Spiel steht, die sich engagieren, die kämpfen, um das Schlimmste noch zu verhindern. Aber noch mal: Ein sattes Drittel der Deutschen ist der Meinung, es würde zu viel für den Klimaschutz getan!

Dazu kommt, dass gar zu Viele zwar für mehr Klimaschutz sind, aber gegen Maßnahmen, die sie selbst betreffen. Klimaschutz sollen die anderen machen, aber ein Windrad in Sichtweite möchte man dann doch lieber nicht, und kosten soll der Klimaschutz natürlich auch nichts.

Also doch eher nein, auf jeden Fall nicht ausreichend. Und dies trotz jahrzehntealter wissenschaftlicher Erkenntnisse und immer drastischerer Weckrufe:

  • Bereits 2019 hatten 11.000 Wissenschaftler*innen gewarnt, wenn sich das menschliche Verhalten, das zu Treibhausgasausstoß und anderen den Klimawandel begünstigenden Faktoren führt, nicht grundlegend und anhaltend verändere, sei „unsägliches menschliches Leid“ nicht mehr zu verhindern.
  • UN-Generalsekretär António Guterres sparte auf der Weltklimakonferenz im ägyptischen Scharm el Scheich nicht mit deutlichen Formulierungen: „Wir sind auf dem Highway zur Klimahölle mit dem Fuß auf dem Gaspedal.“ und „Entweder gibt es einen solidarischen Klimavertrag oder einen Vertrag zum kollektiven Selbstmord.“ 
  • Ein internationales Team in den „Proceedings“ der US-Nationalen Akademie der Wissenschaften („PNAS“) schreibt in ihrer Studie „Klima-Endspiel: Erforschung katastrophaler Szenarien des Klimawandels“, dass dieser im schlimmsten Fall zum Aussterben der Menschheit führen könnte. 

Quelle: ZDF

 

Was sind die Ursachen dieser kollektiven Verdrängungsleistung? Aus welchen Gründen machen sich viele Menschen mehr Sorgen um ihren Mallorca-Urlaub als um eine eskalierende Klimakrise? Wieso haben viele mehr Angst vor Klimaschutz als vor der heraufziehenden Klimakatastrophe? Wieso leben die meisten Menschen ihr Leben mehr oder weniger unbeeindruckt von den wissenschaftlichen Warnungen weiter wie bisher?

Eine einfache Antwort kann es nicht geben und Ursachen für menschliches Verhalten sind immer vielfältig.

Die Lobby

Die fossile Lobby war nicht untätig. Seit Jahrzehnten werden Desinformationen gestreut und Zweifel am menschengemachten Klimawandel gesät. Als sich dieser nicht mehr leugnen ließ, ging man dazu über, die Verantwortung den „Verbraucher*innen“ in die Schuhe zu schieben und gleichzeitig mit verführerischen Greenwashing-Angeboten die Kundschaft einzulullen. Die Werbung trägt ihren Teil dazu bei: „Rette die Meere mit Shampoo!“ 

Die Gesellschaft

Menschen orientieren sich an anderen, an ihrem sozialen Umfeld, an gesellschaftlichen Normen. Selbst in offensichtlichen Notsituationen reagieren die meisten nicht, wenn auch andere die Warnzeichen ignorieren. Das haben sozial-psychologische Studien gezeigt. (So z. B. in der sogenannten „Rauchstudie“, bei der nur 10 % der Probanden Alarm schlagen, wenn Rauch ins Zimmer strömt, aber andere Anwesende nicht darauf reagieren.)

Mit unserer gelebten „Normalität“ bestätigen wir uns gegenseitig täglich, dass uns die Klimakrise nicht betrifft.

Die Politik

Dramatisch verschärft wird dieser Effekt dadurch, dass die Weckrufe keinen Widerhall in politischem Handeln haben. Die Warnung vor einem möglichen Aussterben der Menschheit sollte doch eigentlich Anlass genug für einen Krisengipfel sein, aber ein solcher ist nicht in Sicht. Reaktionen der politischen Akteur*innen bleiben regelmäßig aus, und die alljährlichen Weltklimakonferenzen können mit ihrer routinierten Ergebnislosigkeit beim besten Willen nicht als Krisengipfel wahrgenommen werden.

Wenn dann auch noch prominente Politiker*innen allen wissenschaftlichen Warnungen und Erkenntnissen ausdrücklich widersprechen (Friedrich Merz: „Es ist eben gerade nicht so, dass morgen die Welt untergeht. Wenn wir in den nächsten zehn Jahren die Weichen richtig stellen, sind wir auf einem guten Weg“), dann muss nicht mehr verwundern, dass der Eindruck entsteht, es sei ja alles doch gar nicht so schlimm.

Die Medien

Eine besondere Verantwortung kommt auch den Medien zu. Eine falschverstandene „Meinungsvielfalt“, das Nebeneinander von populistischen Falschbehauptungen und wissenschaftlichen Erkenntnissen trägt massiv zur Verunsicherung bei. 

„Jede*r hat das Recht auf eine eigene Meinung, aber nicht auf eigene Fakten.“

Eckart von Hirschhausen (und viele andere)

Es ist nicht lange her (Mai 2023), da musste der Klimaforscher Mojib Latif bei Markus Lanz das verlogene Geschwätz eines AfD-Menschen ertragen. Warum gibt man solchen Leuten eine Bühne für ihre Lügen? 

https://weact.campact.de/petitions/keine-buhne-fur-nazi-propaganda-im-orr 

Das Argument, ein gestandener Wissenschaftler wie Latif müsse solche Unwahrheiten doch leicht entkräften können, zieht leider nicht: Wer Lügen glauben will, der glaubt sie eben! Die rechten Populisten wissen sehr genau, wie verführerisch ihre Lügen sind. Eine Welt ohne Klimawandel wäre ja viel bequemer und sorgenfreier, und so müssen auch die eigenen Privilegien nicht hinterfragt werden. Das Verständnis für wissenschaftliches Denken und das Vertrauen in wissenschaftliche Erkenntnisse werden so systematisch diskreditiert. 

Markus Lanz schlug in dieselbe Kerbe, als er im Gespräch mit Carla Rochel („Letzte Generation“) die unsägliche Frage formulierte: „Aber woher weiß die Wissenschaft das?“. Verantwortungsvoller Journalismus geht anders! Ganz anders!

Auch an anderer Stelle werden die Medien vielfach ihrer Verantwortung nicht gerecht.

„Die Medien haben es versäumt, diejenigen, die für die Zerstörung unserer Biosphäre verantwortlich sind, zur Rechenschaft zu ziehen, und agierten praktisch als Wächter des Status quo. Angesichts der Größe unserer Mission und der Zeit, die uns zum Handeln bleibt, gibt es ehrlich gesagt keine andere Instanz als die Medien, die die Möglichkeit hat, die notwendige Transformation unserer globalen Gesellschaft herbeizuführen. Damit dies geschieht, müssen sie beginnen, die Klima-, Umwelt- und Nachhaltigkeitskrise wie die existenzielle Krise zu behandeln, die sie ist. Es muss die Nachrichten dominieren.“

      Greta Thunberg, The Climate Book

Es muss die Nachrichten dominieren! Aber das passiert (noch) nicht. 

Natürlich wird über die sich häufenden Klimakatastrophen und über die unzähligen Weckrufe der Wissenschaft berichtet. Im Hitzesommer 2023 mit weltweiten Rekordtemperaturen, Waldbränden und Überschwemmungen sind die Nachrichten voll davon. Aber die Dramatik solcher Meldungen verpufft augenblicklich, wenn unmittelbar danach Elon Musks Ego-Trip seiner SpaceX-Riesenrakete gefeiert und das Ausscheiden des FC Bayern München aus der Champions League als die eigentliche nationale Katastrophe beklagt wird.

Es fehlen die Kontexte, die Zusammenhänge, die Konsequenzen. Wer würde es wagen, nach einer Formel-1-Berichterstattung auf die verheerende CO2-Bilanz einer solchen Veranstaltung hinzuweisen? Selbst neben hervorragenden Artikeln zur Klimathematik finden sich immer wieder Werbeanzeigen für Kreuzfahrten oder SUVs. So werden die Botschaften, die Appelle, die Warnungen auf schnellstem Wege neutralisiert. 

Während ich diese Zeilen schreibe, werden Tourist*innen von der griechischen Insel Rhodos evakuiert und vor den Bränden in Sicherheit gebracht. Gleichzeitig landen weitere Ferienflieger auf Rhodos. Wer würde den Hinweis wagen, dass es in Zeiten einer eskalierenden Klimakrise keine so gute Idee ist, in den Urlaub zu fliegen und damit die Krise weiter anzuheizen?

Nun wird medial diskutiert, ob 2050 noch jemand am Mittelmeer Urlaub machen wird. Da heißt es, dass der italienischen Tourismusbranche Einbußen von 52 Milliarden Euro drohen – wenn die Durchschnittstemperatur um 4° Grad ansteigt. Was für ein falscher Fokus! Warum wird nicht vermittelt, dass es bei vier Grad nicht mehr um den Urlaub, sondern ums Überleben geht?

Nötig wäre es…

 

Unsere Aufgabe

Wie also können wir Menschen erreichen, aufwecken, überzeugen?
Klima-Kommunikation ist eine schwierige Angelegenheit. Meiner Überzeugung nach braucht sie, neben Geduld und Fingerspitzengefühl, im Wesentlichen drei Schritte: 

  • Die drohende Gefahr klar benennen. Was steht auf dem Spiel?
  • Verantwortlichkeiten und Handlungsspielräume aufzeigen. Welchen Beitrag kann/muss ich leisten?
  • Eine positive Vision. Was können wir gewinnen?

Roland Vossebrecker

 

P. S. Eine sehr positive Initiative (unter vielen) ist das Netzwerk Klimajournalismus

Es gibt Journalist*innen das notwendige Knowhow an die Hand, um kompetenter, umfassender und seriöser über die Klimakrise berichten zu können.

Generationengerechtigkeit

Generationengerechtigkeit

Generationengerechtigkeit – Gastbeitrag der

BUNDjugend Kürten

Hannah, Simon und Joshua Käsbach

Unsere Perspektive auf Generationengerechtigkeit und warum das wichtig ist

Hey, wir sind die BUNDjugend Kürten, eine Gruppe von engagierten Jugendlichen, die sich für ein gerechteres Kürten (eine Gemeinde im Bergischen Land) einsetzt. Allgemein setzt sich die BUNDjugend mit vielfältigen Workshops, Projekten, Bündnisarbeit und vielem mehr für soziale, ökologische und globale Gerechtigkeit ein, sprich Klimagerechtigkeit.

Wir wollen in diesem Beitrag Generationen-Gerechtigkeit beziehungsweise -Ungerechtigkeit beleuchten. 

Vorweg möchten wir betonen, dass wir diesen Text zu dritt geschrieben haben und wir deshalb natürlich nur eine eingeschränkte Sicht auf dieses super vielseitige Thema einnehmen können.  Der Artikel kann diesem großen Thema auch deshalb nicht ganz gerecht werden und soll sozusagen nur ein Einstieg sein.  Zudem sind wir weiß und privilegiert und sind uns bewusst, dass wir deshalb rassistische Denkmuster (unbewusst) reproduzieren. Wir sind in einem Rassismus-kritischen Prozess, arbeiten also daran (was wir alle tun sollten!).

 

Was ist Generationengerechtigkeit überhaupt?

Generationengerechtigkeit heißt grob gesagt, dass junge und kommende Generationen in der Gegenwart und Zukunft dieselben Chancen haben sollten wie die Generationen vor ihnen.
Also vor allem, was die Befriedigung von Grundbedürfnissen wie Ernährungssicherheit, ein sicheres Zuhause etc. betrifft.
Dabei spielen Fragen zur Klimakrise, dem Artensterben, Umweltschutz und weitere soziale Fragen eine Rolle.
Außerdem sollten Politiker*innen und andere Menschen mit besonderer Verantwortung so handeln, dass die Lebensgrundlagen der jungen und künftigen Generationen gesichert und deren Perspektiven dabei mit einbezogen werden.

 

Warum ist das aktuelle System, in dem wir leben, generationenungerecht?

Zurzeit ist es so, dass die Zukunft von uns jungen Menschen stark gefährdet ist.
Entscheidungen, die unsere Zukunft betreffen, werden über unsere Köpfe hinweg getroffen und Menschen der älteren Generation entscheiden darüber. Oft wird uns nicht so viel zugetraut. Wir werden also aufgrund unseres Alters diskriminiert, weil wir zum Beispiel nicht so viel Lebenserfahrung haben und deshalb angeblich nicht so viel wüssten oder entscheiden könnten! Wir werden systematisch nicht beteiligt.  #adultismus 

Ein eindrückliches Beispiel dafür ist die Klimakrise.
Wir alle wissen, dass sich die Erde durch den Ausstoß von Treibhausgasen, wie CO2 oder Methan, erhitzt. Diese entstehen vor allem durch die Verbrennung fossiler Energien (Kohle, Öl, Gas) oder in der industriellen Landwirtschaft. Dadurch hat sich die Erde heute schon um etwa 1,2 °C erwärmt. Das hört sich nicht viel an, es hat aber heute schon krasse Folgen, wie etwa starke Dürren, Wasserknappheit, Fluten und weitere Naturkatastrophen. Und trotzdem steigen die Emissionen weiter und die Klimakrise wird angeheizt. Dadurch verlieren jetzt schon enorm viele Menschen ihre Lebensgrundlagen, vor allem im Globalen Süden. Das wird sich in Zukunft weiter verschlimmern. Wie schlimm, entscheidet sich in den nächsten Monaten und Jahren, je nachdem, wann wir endlich anfangen die Emissionen drastisch zu reduzieren. 

Genau deshalb ist auch unsere Zukunft gefährdet.
Unsere Lebensgrundlagen sind bedroht, weil Generationen vor uns Entscheidungen getroffen haben, ohne die Folgen für uns zu bedenken. Und genau das wird mehr oder weniger weiter gemacht.

Das ist absolut unfair, oder was meinst Du?

Gegen diese Ungerechtigkeiten sind junge Menschen schon in der Vergangenheit laut geworden und tun es weiterhin. Zum Beispiel eben durch Jugendorganisationen wie die BUNDjugend, Fridays for Future und einige mehr. Jahrelang wird nun schon gefordert, dass die Politiker*innen sowohl der historischen und der globalen Verantwortung als auch der Verantwortung gegenüber uns jungen Menschen und künftigen Generationen gerecht werden!

 

Was muss sich deshalb aus unserer Perspektive dringend ändern?

Es muss dringend gehandelt werden! Besonders in Bezug auf Klimagerechtigkeit, Natur- und Artenschutz.
Was dafür passieren muss, liegt auf der Hand.
Bei der Umsetzung dieser Maßnahmen müssen bisher diskriminierte Menschen, wozu eben auch wir jungen Menschen gehören, gehört und ernst genommen werden. Denn es kann nicht sein, dass weiter Entscheidungen gefällt werden, die unsere Zukunft zerstören!
Wir müssen endlich aktiv beteiligt werden und wirklich mitbestimmen dürfen!

Leider wird dies nicht von allein passieren.
Wir müssen uns gemeinsam dafür stark machen und Forderungen an Entscheidungsträger*innen stellen.
Wir haben ein Recht auf eine lebenswerte Zukunft!
Wir alle müssen die Möglichkeit haben, diese mitzugestalten.

Deshalb möchten wir Dich dazu ermutigen, Dich gemeinsam mit vielen großartigen Menschen zu engagieren und zu organisieren.
Lasst uns für unsere Rechte laut werden und zusammenhalten!
Zusätzlich braucht es Solidarität und Zusammenarbeit zwischen allen Generationen!

Also: Informiere dich weiter, werde laut und lass uns gemeinsam die Welt gerechter machen!

Hannah, Simon und Joshua Käsbach 

 

 

(Buchtipp, um dich weiter dazu zu informieren:
„Nehmt uns endlich ernst- Ein Aufschrei gegen die Übermacht der Alten“ von Ananda Klaar)

 

Die Ungerechtigkeit hinter den CO2-Budgets

Die Ungerechtigkeit hinter den CO2-Budgets

Die Ungerechtigkeit hinter den CO2-Budgets

von Simon Käsbach

Die Ungerechtigkeit hinter den CO2-Budgets

Ihr kennt sicherlich die CO2-Budgets, die angeben, wie viel Kohlenstoffdioxid ein Land noch ausstoßen darf, um eine bestimmte Grenze der Erderwärmung nicht zu überschreiten. Dies scheint ein sinnvoller Ansatz zu sein, doch in diesen Budgets steckt eine große Ungerechtigkeit. 

Die Berechnung des deutschen CO2-Budgets beruht nämlich auf der Annahme, dass alle Menschen in allen Ländern weltweit gleich viele Treibhausgase ausstoßen dürfen. Um eine 50-prozentige Wahrscheinlichkeit auf das 1,5°-Grad-Limit zu haben, dürfte Deutschland demnach noch 3,1 Milliarden Tonnen CO2 ausstoßen. 

Und warum ist das ungerecht? 

Es ist bekanntlich so, dass nicht alle Menschen auf der Welt früher und heute gleich viele Treibhausgase ausgestoßen haben. Die reichen Industriestaaten des Globalen Nordens haben bis heute etwa 92 % der verursachten Emissionen zu verantworten. Der Globale Süden, also Afrika, weite Teile Asiens und Südamerikas, ist insgesamt demnach für nur 8 % verantwortlich. Also verursachen auch die Menschen, die in diesen Teilen der Erde leben, mehr oder weniger Emissionen, je nach ihrem Lebensstil. Ein Mensch in Malawi, eines der ärmsten Länder weltweit, verantwortet im Durchschnitt nur 0,1 Tonnen Treibhausgase im Jahr, ein*e Deutsche*r jedoch durchschnittlich etwa 8 Tonnen. 

Bei CO2-Budgets vorauszusetzen, jeder Mensch dürfe noch gleich viel ausstoßen, ist also nicht nur unfair, sondern im Kern rassistisch und neokolonial. Denn meist sind es eben arme und von Diskriminierung betroffene Menschen, die zwar einen niedrigen CO2-Fußabdruck haben, aber am meisten unter der Klimakrise leiden. 

An diesem Beispiel sieht man klar, dass Rassismus und Neokolonialismus immer noch fest in unseren westlichen Denkstrukturen verankert sind. Es wird in vielen Bereichen der Medien, der Politik, aber auch bei NGOs ganz selbstverständlich mit diesen Budgets gearbeitet und argumentiert. 

Bei einer wirklich fairen CO2-Budget-Berechnung, die historische Verantwortung mit einbezieht, dürften z.B. Deutschland oder die USA im Grunde gar keine Emissionen mehr ausstoßen, sondern müssten sogar negative Emissionen verzeichnen.  

Alle Budget-Rechnungen können nur auf Schätzungen beruhen, da wir das Erdsystem nicht umfassend und gut genug verstehen, um uns darauf zu verlassen. Dennoch wird offensichtlich, dass es nicht sein kann, dass Klimaschutz auf der Grundlage solch ungerechter Budgets gemacht wird. Deutschland zieht sich mit dieser problematischen Berechnung ein Stück mehr aus seiner globalen Verantwortung. Wenn KlimaGerechtigkeit nicht konsequent mitgedacht wird, dann wird selbst Klimaschutz rassistisch und neokolonial. 

Es darf nicht sein, dass Länder des Globalen Nordens die Klimakrise erst verursachen und dann nicht bereit sind, ausreichende und wirklich gerechte Maßnahmen vorzulegen. Zudem muss auch das Recht auf Entwicklung berücksichtigt werden, denn Länder, die bislang wegen Ausbeutung oder anderen Faktoren nicht die Möglichkeit hatten, sich so stark zu entwickeln wie Länder des Globalen Nordens, haben ein Recht darauf, sich nachhaltig und wohlständig zu entwickeln. 

Eigentlich ist es ganz einfach: 

Wer mehr Verantwortung für die Verursachung der Klimakrise trägt, ist jetzt in der Pflicht, mehr Klimaschutz zu betreiben und klimagerechte Maßnahmen vorzulegen.

 

Wir sollten bestimmte CO2 Budgets also immer kritisch hinterfragen. Auf welcher Grundlage wurde das Budget erstellt? Wurde die historische Perspektive berücksichtigt? Liegt ein global gerechter Ansatz zugrunde?

Wir müssen in allen Bereichen kommunizieren, dass das Budget von Deutschland in der jetzigen Form maßlos ungerecht, und unser aktuelles Tempo beim Klimaschutz absolut nicht hinnehmbar ist. Es braucht eine Budgetberechnung, welche auf Grundlage von Gerechtigkeitsaspekten gemacht ist. 

Länder des Globalen Nordens haben die Mittel, weitreichenden Klimaschutz zu betreiben. Dieser Aspekt ist grundlegend für die KlimaGerechtigkeit!
Denn wir im Globalen Norden haben meist auch die Privilegien, uns frei äußern zu können und uns zu engagieren. Also lasst uns diese Privilegien nutzen, um für eine gerechte Welt zu kämpfen!

Die globale Verantwortung muss endlich ernst genommen und eingefordert werden. 

Von uns. 

Simon Käsbach

 

nur 2 %

nur 2 %

Nur 2 %

von Roland Vossebrecker

„Aber China! 

Deutschland verursacht nur knapp 2 % der globalen Treibhausgas-Emissionen…“

So oder so ähnlich lautet eines der beliebtesten Argumente gegen die deutsche Verantwortung in der Klimakrise.

Hm, sehen wir für einen Moment mal davon ab, dass hier die historische Verantwortung einfach ausgeblendet wird (diese eingerechnet wäre es schon etwa doppelt so viel bei nur etwa gut einem Prozent der Weltbevölkerung!) und rechnen wir mal nach:

Deutschland hat gut 84 Millionen Einwohner*innen, China hat über 1400 Millionen. China verursacht ca. 30 % der globalen CO2-Emissionen. Jetzt unterteilen wir gedanklich China einmal in 16 gleichmäßig bevölkerte Provinzen. Jede von ihnen hat – ca. 84 Millionen Einwohner*innen. Und jede verursacht etwa – knapp 2 %.

Und alle 16 Provinzgouverneure stimmen gemeinsam mit den Deutschen den Chor an:

„Aber Indien!

…“

Roland Vossebrecker

 

 

GLOBAL SOLIDARISCH

GLOBAL SOLIDARISCH

GLOBAL SOLIDARISCH?

von Roland Vossebrecker

Machen wir uns nichts vor: Die Entwicklung der Klimakrise wird uns einiges abverlangen. Heftige und schmerzhafte Veränderungen kommen auf die Menschheit zu. Die Katastrophe kommt, – wir wissen nur noch nicht, wie schlimm sie wird.

Der notwendige, ja überfällige politisch-gesellschaftliche Umbau wird extrem anspruchsvoll, und es ist mehr als fraglich, ob er (rechtzeitig) gelingen wird. Harte politische Auseinandersetzungen müssen geführt werden und je mehr Rechte und Rechtsextreme den Kampf gegen den Klimaschutz als Kulturkampf inszenieren und die gesellschaftliche Spaltung vorantreiben, desto heftiger werden diese Auseinandersetzungen ausfallen.

Vor allem aber werden die sich häufenden Katastrophen immer neue Herausforderungen darstellen. Hitzewellen (nach einer Studie des Barcelona Institute for Global Healthgab es 2022mehr als 60.000 hitzebedingte Todesfälle in der EU), Dürren und Wassermangel, Stürme und Starkregenereignisse und die aus alledem resultierende Nahrungsmittelknappheit und Verteuerung werden zu einer andauernden Belastungsprobe.

Klimaanpassungen werden immer wichtiger, wobei diese, das sollte uns immer bewusst sein, ein Luxus reicher Länder sind! Arme Länder des Globalen Südens besitzen kaum die finanziellen und strukturellen Ressourcen, um angemessen auf die Katastrophen reagieren zu können, von denen sie immer öfter und schlimmer getroffen werden.

Es stellen sich entscheidende Fragen: Wie weit werden wir in der Lage sein, die Erderhitzung zu begrenzen? Werden wir die Veränderungen nur erleiden, oder werden wir sie gestalten? Vor allem aber: Bleiben wir solidarisch? Oder ehrlicher: Werden wir solidarisch?

Mit der internationalen Solidarität ist es nicht gut bestellt. Zwar wurde bei der COP 27 in Ägypten im letzten Jahr die Einrichtung eines Fonds für besonders betroffene Länder vereinbart, aber es bleibt bislang unklar, wer wieviel einzahlen wird. Versprechungen aus der Vergangenheit wurden regelmäßig nicht erfüllt. Und einer neuen Studie zufolge betragen die Klima-Schulden der reichen Industrienationen bei den ärmeren Ländern 170 Billionen Dollar!

klimareporter

Auf politischer Ebene wehren sich die Industrienationen mit Händen und Füßen, gerechte Verpflichtungen gegenüber dem Globalen Süden einzugehen. Weltweit propagieren Rechte den nationalen Egoismus. Der damit einhergehende Verlust von Menschlichkeit ist verheerend.

Wie wird sich die Situation entwickeln, wenn es bei eskalierender Klimaentwicklung zu Verteilungskämpfen um Wasser und Nahrung kommt, wenn die auftretenden Schäden nicht mehr zu bewältigen sind, wenn Abermillionen Menschen zur Flucht gezwungen sind, weil ihre Heimaten überschwemmt, verwüstet oder lebensfeindlich werden?

Klimaforscher Hans Joachim Schellnhuber fordert seit Jahren einen Klimapass für Klimaflüchtlinge, um Betroffenen eine rechtliche Grundlage für ihren Asylantrag zu geben, aber von einer politischen Umsetzungen sind wir leider noch meilenweit entfernt. Stattdessen wird EU-weit das Asylrecht immer weiter ausgehöhlt. Dabei schreckt man nicht vor milliardenschweren Abkommen mit Diktatoren zurück, die Geflüchtete in der Sahara aussetzen und sie dort ihrem Schicksal überlassen, während aktuell in der CDU bereits die Abschaffung des individuellen Asylrechtes und die Anwendung physischer Gewalt gegen Geflüchtete diskutiert wird. Das sind maximal unsolidarische Entwicklungen, die die Klimakatastrophe als Asylgrund in weite Ferne rückt.

Wir alle, gesellschaftlich, politisch und individuell müssen uns fragen: Entscheiden wir uns für Egoismus oder für Mitgefühl? Am Ende ist dies die Kernfrage, die über die Zukunft der Menschheit entscheiden wird.

 

Zum Konzept unserer Initiative und des „Vertrags mit Dir selbst“ gehört das klimagerechte Spenden, das solidarische Reichtum-Teilen mit den Opfern der Klimakatastrophe.

Alle Spenden an die Opfer der Klimakatastrophen sind Beiträge zu etwas mehr Klimagerechtigkeit, auch wenn sie nur Tropfen auf einen immer heißer werdenden Stein sind.

Sie sind aber auch eine Übung praktizierter Solidarität.

Roland Vossebrecker

 

„Klimagerechtigkeit setzt voraus, die Verantwortung der Menschheit für die Auswirkungen von Treibhausgasemissionen auf die ärmsten und verletzlichsten Menschen in der Gesellschaft anzuerkennen und ernst zu nehmen.“

Mattias Quent, Christoph Richter, Axel Salheiser, Klima Rassismus S 240

 

Aktiv in der Initiative KlimaGerecht Leben

Aktiv in der Initiative KlimaGerecht Leben

Aktiv in der Initiative KlimaGerecht Leben – eine Einladung zur Mitarbeit 

von Roland Vossebrecker

Unserer Gründung im Sommer 2022 ging eine intensive halbjährige Planungsphase voraus. Nachdem wir dann am 18. Juni 2022, dem Tag der offenen Gesellschaft, unsere Initiative mit einem großen Fest aus der Taufe gehoben hatten, war uns selbst erst einmal gar nicht klar, wie und mit welchen Aktivitäten und Aktionen es weitergehen würde. Aber es ging weiter, – und wie:

IkgL auf Instagram

Nach und nach hat sich unsere Arbeitsweise entwickelt. Dabei ist zu betonen, dass wir kein Verein sind. Es gibt bei uns also auch keine Vereinsmeierei und keine Bürokratie. Es gibt keine Mitgliedsbeiträge und wir nehmen auch keine Spenden an (werben allerdings für klimagerechte Spenden für Hilfsorganisationen!). Alle finanziellen Notwendigkeiten tragen jene von uns solidarisch, die es sich leisten können.

Schon seit Frühjahr 2022 nutzen wir die Arbeitsplattform Slack. Das ermöglicht uns den schnellen Austausch zu unterschiedlichen Themen. Dort teilen wir lohnende Klima-Artikel und Petitionen, planen die nächste Aktion, tauschen Ideen für die Newsletter oder den Blog aus und organisieren unsere nächsten Termine. Aktive sollten Slack regelmäßig lesen und Relevantes zeitnah beantworten.

Etwa einmal monatlich finden unsere Orga-Treffen statt. Die Tagesordnungen werden vorher auf Slack geteilt. Zu besprechende Themen können dort von allen vorgeschlagen und eingebracht werden. Selten können an den Orga-Treffen wirklich alle teilnehmen, aber das ist auch nicht schlimm. Die Ergebnisse der Treffen werden als knappe Protokolle festgehalten. Meist treffen wir uns online oder hybrid, nur sehr selten analog, da unsere Aktivist*innen aus unterschiedlichen Städten (Bergisch Gladbach, Heidelberg, Köln, hoffentlich bald weitere…) kommen und unsere Themen nicht primär lokal gebunden sind: Klimagerechtigkeit geht überall!

Die Artikel in unserem Blog sind in der Regel das Ergebnis eines intensiven Austausches untereinander. Jemand schreibt einen Entwurf, dieser wird korrigiert, ergänzt, kritisiert, diskutiert und durchläuft so meist mehrere Versionen, bis es zum endgültigen Ergebnis kommt. Das optimiert die Texte und sorgt gleichzeitig für spannende Diskussionen. Wir lernen alle voneinander.

Oft sind unsere öffentlichen Aktionen spontane Projekte. Ideen und Impulse können von allen eingebracht werden. Als bei einem Orga-Treffen die Tagesordnung wegen großen Redebedarfs über die Klimakrise und die Politik kaum zu bewältigen war, entstand spontan die Idee, Organisation und Austausch zu trennen, und Zweiteres dann auch gleich öffentlich zu machen. Damit war unser Offener Klimatalk geboren, der monatlich in Bergisch Gladbach und seit Juni 2023 auch in Heidelberg stattfindet. Nachahmung dringend erwünscht! 

Bei einem Klimatalk Ende Januar kam die Idee auf, den Globalen Klimastreik wieder nach Bergisch Gladbach zu bringen. Gesagt – getan, und dies auch schon zweimal recht erfolgreich. Oft hat jemand eine Idee, ein Stand auf dem Markt, eine Flyeraktion oder eine Kerzeninstallation zur Earth Hour. Dann wird schnell gefragt „Wer ist dabei?“, und wenn sich zwei, drei Leute finden, wird die Idee umgesetzt. Die Kreativität und der Einfallsreichtum unserer Aktivist*innen ist sehr erwünscht. Spontanität beflügelt und alle Aktionen und Ideen, die dem Ziel der KlimaGerechtigkeit dienen, sind willkommen.

Jede*r kann sich nach eigenen Interessen und Fähigkeiten einbringen und eigene Schwerpunkte setzen, ohne in allen Bereichen aktiv sein zu müssen. Es ist aber auch deutlich, dass unsere Aktivismus-Kapazitäten und Freiräume für Klima-Engagement sehr unterschiedlich sind. Manche von uns haben wegen beruflicher oder studentischer Verpflichtungen wenig Spielraum, und das ist genauso in Ordnung wie verständlich. Deshalb gilt bei uns: Jede*r nach ihren/seinen Möglichkeiten.  wer wir sind

So können wir weitere engagierte Aktive gut gebrauchen. 

Dir liegen das Klimathema und die Gerechtigkeit am Herzen? Du willst Dich engagieren? Du möchtest Dich einbringen? Dann melde Dich gerne bei uns: initiative@klimagerecht-leben.de 

Und falls Du schon in einer anderen Klima-Organisation aktiv bist: Kooperation ist Alles! Wir sind sehr interessiert an Vernetzung und Zusammenarbeit, denn nur gemeinsam sind wir stark!


Roland Vossebrecker