Klima- und Umweltschutz als Werkzeug der Rechtsextremen
KLIMA- UND UMWELTSCHUTZ ALS WERKZEUG DER RECHTSEXTREMEN
von Leandro Condjo
„Linksgrün-versifft“ ist ein neu-deutsches Buzzword mit denen sich Viele, vor allem Gen-Zler, identifizieren können. Früher war es eine Beleidigung seitens der Rechten und heute hat sich die, nun ja, linksgrün-versiffte Szene das Wort zurückerobert. Wie so oft, werden sogenannte linke politische Einstellungen mit der Orientierung an Umwelt- und Klimaschutz über einen Kamm geschert. Macht ja auch Sinn: Ein intaktes Klima und eine gesunde Umwelt beugen Ungleichheit und sozialem Elend vor. Aspekte, die auf links-orientierten Agenden hohe Priorität haben.
Allerdings hat die Umweltbewegung (und somit auch Klimabewegung) auf dem anderen Ende des politischen Spektrums früher Fuß gefasst: Das erste Naturschutzgesetz Deutschlands stammt aus der NS-Zeit, das sogenannte „Reichsnaturschutzgesetz“ von 1935. Die Autobahnen sollten umweltschonend errichtet, eine „Versteppung“ und ästhetische Industrialisierung Deutschlands abgewendet werden. Nicht umsonst scherzen die Macher des Adolf Hitler Satirefilms „Er ist wieder da“, dass der Diktator die Grünen wählen würde.
Dahinter steckt eine unangenehme Wahrheit. Es ist Zeit die braune Geschichte der Umweltbewegung zu beleuchten und aufzuarbeiten. Der Umweltschutz darf nicht wieder zu einem Werkzeug von Rechtsextremen werden. Erste Bestrebungen dafür gibt es schon: Dabei gibt es einerseits den Trend zur kompletten Leugnung (fossiler Faschismus) des Klimawandels und andererseits zur Aneignung einer unsolidarischen Klimaschutzpolitik. (Öko-Faschismus).
Blut und Boden
Die Umweltschutzbewegung hat ihre Wurzeln in konservativen Kreisen. Die radikale Industrialisierung in Verbindung mit der Verstädterung hatte die unregulierte Verschmutzung der Umwelt zur Folge, die späteren Folgen auf das Klima waren noch nicht abzusehen. Die Angst, dass das traditionelle Landschaftsbild zerstört wird oder gar verschwindet, und geliebte Tierarten aussterben, war groß. In den 1920ern und 1930ern wurde der Umweltschutz von Nationalsozialisten aufgegriffen: Die Umwelt und die völkische Identität bilden laut ihnen eine organische Einheit. Das Land selbst sorgt für die Überlegenheit Deutschlands und der „arischen Rasse“. Man suchte in der Umwelt nach Anzeichen für eine vergessene arisch-germanische Hochkultur, um den Wahnsinn der NS-Ideologie zu legitimieren und um Propaganda zu verbreiten. Als dies scheiterte wurde der Umweltschutz unter den Teppich gekehrt. Die bpb (Bundeszentrale für politische Bildung) sagt, das Reichsnaturschutzgesetz sei „mehr Schein als Sein“ und die Sorge um die Natur nur Mittel zum Zweck gewesen. Doch diese Geschichte mahnt uns: „Grüne“ Themen können in Rechtsextremismus eingebettet werden. Noch schlimmer: Sie können sogar eine Säule für deren Ideologie bilden.
Fossiler Faschismus oder Öko-Faschismus oder sowohl als auch – in welcher Richtung bewegen sich Rechtsextreme?
Die AfD („Alternative für Deutschland“) hat einen geschickten Kurs: Klimaschutz und Umweltschutz werden gegeneinander ausgespielt. Wenn man den menschengemachten Klimawandel ablehnt, dann birgt der Ausbau erneuerbarer Energien, insbesondere von Windkraft- und Photovoltaikanlagen, angeblich große Gefahren für die Umwelt. Vögel würden von Windkraftanlagen geschlachtet und Insekten verwechselten PV mit Wasserreservoiren Die Konsequenzen der Atomkraft und fossilen Energieerzeugung für die Umwelt werden dagegen bequem ausgeklammert, es handele sich hierbei um die umweltfreundlichere Alternative. Wie einfach man doch alles lösen kann, wenn man jenseits von wissenschaftlichem Konsens argumentiert. Eine der Grundlagen der AfD-Politik ist die Vorherrschaft der fossilen Brennstoffe in unserem alltäglichen Leben und der Wirtschaft. Hand in Hand mit ihren Geldgebern aus der Öl-Industrie schaffen sie eine Welt, in der es keine Alternative zu Benzin, Kohlekraftwerken und Co. gibt. Das Ende vom Lied wird ein „fossiler Faschismus“ sein – eine Welt die von Öl-Konglomeraten und ihren Laufburschen regiert wird. Dieser Kurs ist vergleichbar mit dem der amerikanischen Rechten und Rechtsextremen der Republikaner.
Anders sieht die Situation in Frankreich aus.
Im Gegensatz zur klimaskeptischen Haltung der AfD und der amerikanischen Republikaner, möchte sich der RN (Rassemblement Nationale) als „Ecooptimiste“ (Öko-Optimisten) definieren. Dem Fakt des menschengemachten Klimawandels wird entgegengeblickt mit Optimismus und Investitionen in erneuerbare Energien, E-Autos etc. Nach systematischen Lösungen sucht man allerdings immer noch vergeblich. Stattdessen wird Klimaschutz zum Werkzeug rechter Politik:
Die rechts(extreme) Partei Rassemblement Nationale, geführt von Marine Le Pen, propagiert eine sogenannte „nouvelle écologie“ (deutsch: „neue Ökologie“), die auf Patriotismus und „realistischen Lösungen“ beruhe: Entsolidarisierung, eingeschränkte Migration und lokale (Re-)Industrialisierung.
„Wenn wir es schaffen, genug Leute loszuwerden, dann kann unser Lebensstil nachhaltiger sein“
Das schrieb der Massenmörder Patrick Wood Crusius in sein Manifesto, bevor er das Feuer auf „mexikanisch-aussehende“ Zivilist*innen in einem Einkaufszentrum in der texanischen Grenzstadt El-Paso eröffnete. Er tötete 23 Menschen und verletzte 23 weitere. Sein Manifesto nannte er „An inconvenient Truth“ genannt, in Anlehnung an die bahnbrechende, Oscar-gewinnende Doku über den Klimawandel des Präsidentschaftskandidaten Al Gores.
Cruisus glaubte an das sogenannte „Great Replacement“: Eine Verschwörungstheorie die besagt, dass weiße US-Amerikaner durch illegale lateinamerikanische Einwanderer ersetzt werden sollen. Er erkannte an, dass die Umweltzerstörunge ein riesiges Problem für kommende Generationen sein würde. Seine „Lösung“: Die Menschen des globalen Südens sollen dafür den Preis zahlen und ausgelöscht werden.
Dieser Gedanke ist in bestimmten Kreisen sehr wohl salonfähig. Viele sind der Meinung, dass die Bevölkerungsexplosion in Südamerika, Afrika und Asien der Hauptgrund für die Umwelt- und Klimakrise ist. Das oberste Ziel soll die Erhaltung unseres westlichen, fossilen Lebensstils sein, das Wohlbefinden der Menschen des globalen Südens wird in dieser Gleichung ausgeklammert. Im Namen der Erhaltung der Ökosysteme, der Umwelt und des Klimas wird gegen MigrantInnen und AusländerInnen gehetzt. Ihre Menschlichkeit wird in Frage gestellt. Um den Bogen zum Nationalsozialismus zu spannen: Die Überbevölkerung „niederer Rassen“ bedrohe die Reinheit der Natur (und jetzt die Gesundheit des Klimas).
Rechtsextreme Argumentationen erkennen und entlarven – die Bedeutung der Klimagerechtigkeit
Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis die Realität des Klimawandels die mehrheitlich fossil-orientierte, klimawandel-leugnende Ideologie der Rechtsextremen zu einem Ökofaschismus umschwenken lässt, der den Klimawandel für seine Zwecke instrumentalisiert. Deshalb ein paar Grundsätze zur Verinnerlichung, falls man auf rechtsextreme Argumente trifft:
- Die westlichen Industrienationen bauen ihr Wachstum auf Kosten des Klimas und der Ausbeutung des globalen Südens auf. Der ökologische Fußabdruck des durchschnittlichen Deutschen ist beinahe doppelt so hoch wie der weltweite Durchschnitt.
- Überbevölkerung wird nicht der Grund für einen Umwelt- und Klimakollaps sein, die Weltbevölkerung wird nach Prognosen ab der 2.Hälfte des Jahrhunderts stagnieren und dann schrumpfen, im Westen droht eher ein demografischer Kollaps. Die Bevölkerung wächst zurzeit besonders in Ländern, die aufgrund ihrer Armut kaum zur Klimakrise beitragen.
- Die Bevölkerung reicherer Länder hat kein Vorrecht auf Leben gegenüber der Bevölkerung ärmerer Länder, die Geburtenrate spielt bei Menschenrechten keine Rolle PUNKT
Klimagerechtigkeit bedeutet, dass wir anerkennen, wie unser konsum- und fossilorientierter Lebensstil sowohl unsere eigene Lebensgrundlage als auch die aller anderen Menschen bedroht. Am Ende des Tages sitzen wir doch alle im selben Boot. Im Angesicht der Schwierigkeiten, die auf uns zukommen, werden völkische Märchen, rassistische Narrative und Scheinargumente uns nicht retten. Wir müssen uns gegen diese „Argumente“ wappnen.
Leandro Condjo
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