COP 28
Statement zur COP 28
Roland Vossebrecker
Die COP28, die 28. Weltklimakonferenz ist am 13. Dezember 2023 zu Ende gegangen. Nach nur einem Tag der Verlängerung wurde einem Abschlusstext zugestimmt, in dem zu einem „Übergang weg von fossilen Brennstoffen“ aufgerufen wird.
Bereits am ersten Tag der Verhandlungen wurde ein Loss-and-Damage-Fund angekündigt, zu dem Deutschland und das Gastgeberland, die VAE jeweils 100 Millionen $ zusagten.
Die Kapazitäten für Erneuerbare Energien sollen bis 2030 verdreifacht werden, und es sollen verstärkte Anstrengungen zur Reduzierung des Kohleverbrauchs gemacht werden.
Alles in allem ein großer Erfolg also?
Eine Frage der Perspektive:
Die COP28 war im Grunde eine bizarre Veranstaltung. Ca. 90.000 (!) Menschen sind nach Dubai gereist (fast alle sind geflogen – wie auch sonst?) um im luxuriösen Ambiente der Öl-Metropole zwei Wochen die Geschicke der Welt zu verhandeln.
Der Präsident der diesjährigen Klimakonferenz war Sultan Ahmed Al Jaber, gleichzeitig CEO des staatlichen Ölkonzerns ADNOC, der plant, die Ölförderung bis 2030 um mehr als 40 Prozent zu steigern. Al Jaber scheute sich auch nicht, die wissenschaftlich anerkannte Notwendigkeit eines kompletten Ausstiegs aus den fossilen Energieträgern anzuzweifeln, und gleichzeitig verschwörungstheoretisch und sexistisch zu argumentieren: “Sie lesen Ihre eigenen Medien, die voreingenommen und falsch sind. Ich sage Ihnen, dass ich der Mann in der verantwortlichen Rolle bin, und das ist falsch, Ma’am. Sie müssen mir zuhören.“
Haarsträubend war auch die Tatsache, dass sich mindestens 2.456 offiziell akkreditierte Lobbyisten für Kohle, Öl und Gas auf der COP tummelten – vier Mal mehr als auf dem Treffen in Ägypten im vergangenen Jahr.
Damit hatten mehr Lobbyisten Zugangspässe erhalten als alle Delegationen der zehn durch die Erderwärmung verwundbarsten Staaten, die ihrerseits alle aus dem Globalen Süden kommen und sich die teure Reise und den Aufenthalt in Dubai vielfach nicht leisten konnten. Klimagerechtigkeit geht anders!
Entsprechend groß war der Widerstand gegen ein Fossil Fuel phase-out, eine vollständige Abkehr von den fossilen Energien, die zeitweise in greifbarer Nähe zu sein schien. Der Generalsekretär der OPEC, Haitham al-Ghais sah sich dann genötigt, einen Brief an die 13 Mitgliedsstaaten des Öl-Kartells zu schreiben, um eben jenen Ausstieg mit aller Macht zu verhindern. Als daraufhin die Empörung hochkochte warf die OPEC den ambitionierteren Ländern vor, dass ein Ausstieg rassistisch sei! No comment.
Positiv betrachtet: Die OPEC wird nervös, weil sich am Horizont ein Ende von Öl und Gas abzuzeichnen beginnt.
Die Abschlusserklärung empfiehlt also einen „Übergang“ weg von fossilen Brennstoffen und sieht einen „gerechten, geordneten und ausgewogenen Übergang weg von fossilen Brennstoffen in den Energiesystemen“ vor.
Diese windelweiche Formulierung ist ein fragwürdiger Kompromiss und eröffnet allerlei Schlupflöcher: Erdgas wird als Brückentechnologie akzeptiert – ach ja, auch Olaf Scholz will ja noch Erdgas im Senegal kaufen und die Bundesregierung fördert weiter LNG auf Rügen! – und konkrete Zeitpläne für den Ausstieg aus den Fossilen gibt es nicht.
„In den Energiesystemen“ ist wohl eines der Schlupflöcher, die sich die Erdöl-Staaten leisten: Plastik wird aus Erdöl gewonnen!
Einige feiern, dass zum ersten Mal Öl und Gas überhaupt in einem COP-Abschlussdokument genannt werden. Aber ist es wirklich als Erfolg zu werten, dass man sagenhafte 28 Weltklimakonferenzen benötigte, um ganz vorsichtig mal das Selbstverständliche und dringend Notwendige überhaupt erst einmal anzusprechen?
Und dass die COP29 im nächsten Jahr in Aserbaidschan stattfinden wird, einer weiteren Öl-Nation und die dritte in Folge (nach Ägypten und den VAE), ist daher kein gutes Signal.
Positiv zu bewerten sind die Ambitionen, die Kapazitäten der erneuerbaren Energien bis 2030 zu verdreifachen, und die Energieeffizienz zu verdoppeln. Der Markt soll es regeln, verbindliche Regeln und Verbote wurden vermieden.
„Solange die verhandelnden Staaten ihre Fragen innerhalb des bestehenden Wirtschaftssystems stellen, werden es die falschen Fragen sein. Denn es sind Fragen innerhalb des Systems, das die gigantischen Probleme, vor denen wir heute stehen, erst geschaffen hat.“
Carola Rackete, 2019
Und dann lohnt sich noch einmal ein genauerer Blick auf den umjubelten Loss-and-Damage-Fund, und auf die von Deutschland (und anderen Ländern) zugesagten 100 Millionen $ (ca. 92 Millionen €):
Es ist ein Start, immerhin. Ein paar Zahlen aber zum Vergleich dazu:
- Der Viertligaverein Fortuna Köln erhält einen neuen Sportpark. Veranschlagte Kosten: 100 Millionen €.
- Die Baukosten für die Sanierung der Kölner Oper liegen derzeit bei 682 Millionen €, wenn man die Kosten für die Kredite und Ersatzspielstätten mitrechnet, dann kostet das Projekt bereits über eine Milliarde €.
- Der Erweiterungsbau für das Kanzleramt in Berlin soll 777 Millionen € kosten.
- Für die Beseitigung der Schäden nach der Ahrtalkatastrophe wurden 30 Milliarden € zur Verfügung gestellt.
- Verkehrsminister Wissing will in den nächsten Jahren mindestens 30 Milliarden € für den Ausbau und die Verbreiterung von Autobahnen ausgeben…
- Oxfam schätzt die jährlichen Klimaschäden in ärmeren Ländern 2023 auf 290 bis 580 Milliarden $.
- Die weltweiten Subventionen für fossile Energien werden auf 1,4 Billionen (!) $ geschätzt!
Es ist eben doch alles sehr relativ…
Einen sehr bitteren Beigeschmack erhält die Abschluss-Erklärung noch dadurch, dass sich die Gruppe der vom Meeresspiegelanstieg bedrohten Inselstaaten übergangen fühlte. Da man sich untereinander noch koordinieren musste, war man nicht mehr rechtzeitig im Raum, als Al Jaber buchstäblich und eilig den Hammer fallen ließ. Die Vertreterin Samoas sagte: „Wir können nicht auf unsere Inseln zurückkehren mit der Botschaft, dass dieser Prozess uns betrogen hat. Die Kurskorrektur, die wir brauchten, ist nicht erreicht worden.“ Einige Delegationsteilnehmer*innen waren den Tränen nahe. Verständlich, denn für sie geht es bei diesen Entscheidungen ums blanke Überleben!
Ein überraschender und erfreulicher Lichtblick war indes, dass sich ein Land, das stark von fossilen Rohstoffen abhängig ist, der Initiative für ein “Fossil Fuel Non-Proliferation Treaty” angeschlossen hat: Kolumbien hat sich gegen Profit und für Zukunft entschieden. Bravo!
War die COP28 also ein historischer Erfolg, wie Präsident Al Jaber es wenig bescheiden verkündete?
Am Ende wissen wir es nicht. Ein Abschlusstext, der hauptsächlich aus Absichtserklärungen besteht, muss an der Umsetzung gemessen werden: Auf die Worte müssen nun Taten folgen, und das schnell.
Im Falle Deutschlands bedeutet das: Kein Gas aus dem Senegal, ein Stopp des LNG-Ausbaus auf Rügen, beschleunigter Kohleausstieg, konsequenter Abbau aller fossiler Subventionen, ein angemessener und fairer Beitrag für den Loss and Damage Fund, eine sozial gerechte Klimapolitik (Klimageld!), eine ambitionierte Verkehrswende (nicht nur Antriebswende!), Agrar- und Ernährungswende, Tempolimit… … …
Was nicht auf der COP verhandelt wurde, und was auch nicht zu erwarten war, ist die Frage, ob das Klima überhaupt in einem Überkonsum-System zu retten ist, die Frage also nach dem so dringend benötigten gesellschaftlichen Wandel. So bedauerlich es auch ist: Die Politik wird diesen Wandel nicht bewirken, geschweige denn, ihn voran treiben. Das ist die Aufgabe einer solidarischen und weltoffenen Zivilgesellschaft. Das ist die Aufgabe der Klimagerechtigkeitsbewegung. Das ist unser aller Aufgabe.
Dafür stehen wir!
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Interessant sind die unterschiedlichen Bewertungen des Ergebnisses seitens der Politik und der klimawissenschaftlichen und klimaaktivistischen Communities. Hier beispielhaft einige Stimmen:
„Große Freude in der deutschen Delegation und bei der Außenministerin, dass die Welt das Ende des fossilen Zeitalters beschlossen hat.“
„Dieser Text ist für uns als Europäische Union, als Deutschland nur ein Anfang (…) Wir haben entschieden, dass wir die Zukunft unserer Kinder nur zusammen retten können.“
Annalena Baerbock, Außenministerin
Man kann sie vielleicht historisch nennen, weil zum ersten Mal wirklich drinsteht, dass eine Abkehr von fossilen Brennstoffen notwendig ist – dass wir bis 2050 bei netto null Emissionen sein müssen. Die Sprache ist natürlich relativ weich und unverbindlich, weil es eben das Konsensverfahren dieser UN-Klimagipfel ist, dass auch der letzte Ölstaat zustimmen muss. Und dafür, dass das der Fall ist, ist das gar nicht schlecht, was da drinsteht.
Stefan Rahmstorf, Klimaforscher am PIK
„Nein, der COP28-Abschluss wird die Welt nicht in die Lage versetzen, die 1,5°C-Grenze einzuhalten, aber ja, das Ergebnis ist ein entscheidender Meilenstein. Die Aussage zur Abkehr von fossilen Brennstoffen bleibt jedoch zu vage und es gibt keine harten und nachvollziehbaren Grenzen für 2030, 2040 und 2050. Es wird nicht anerkannt, dass die Skalierung von Technologien zur Kohlendioxidabscheidung zusätzlich zum Ausstieg aus der Nutzung fossiler Brennstoffe erfolgen muss, um die globale Erwärmung auf 1,5°C zu begrenzen. Und es gibt keinen überzeugenden Plan, wie der Übergang weg von fossilen Brennstoffen erfolgen soll. Wir wissen, dass dies nicht allein durch nationale freiwillige Maßnahmen geschehen wird. Es sind auch kollektive, globale Vereinbarungen über die Finanzierung, die Bepreisung von Kohlenstoff und den Technologieaustausch erforderlich, und zwar in einem Umfang, der weit über das hinausgeht, was derzeit auf dem Tisch liegt.“
Johan Rockström,
Ko-Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung
„Für den Klimanotstand nicht ausreichend. „Abkehr von fossilen Brennstoffen“ ist nicht die notwendige Notbremse. Langfristig große Schlupflöcher für fossile Brennstoffe. Kein klares Signal für den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen. Nicht historisch, nur das Nötigste.“
Prof. Niklas Höhne, NewClimate Institute
„Abschlussdokument derCOP: Ein seichter Appell zum Ende der fossilen Energien. Eigentlich ehrlich: Auch Deutschland baut LNG-Terminals, hunderttausende neue Gasheizungen und Millionen neue Verbrennerautos. So verhindern wir sicher nicht die Klimakatastrophe.“
Prof. Volker Quaschning, Scientists for future
„Das Ergebnis hat jedoch auch bedenkliche Schattenseiten und Schlupflöcher, darunter die Betonung der Rolle von Erdgas als Übergangslösung. Das werden Förderländer und die fossile Industrie als Freifahrtschein für die Ausweitung der Gasförderung werten. Enttäuscht muss man auch darüber sein, dass die COP28 es nicht geschafft hat, bei der finanziellen Unterstützung für die ärmeren Länder Fortschritte zu erzielen.“
Jan Kowalzig, Oxfam
„Die COP28-Klimakonferenz war reines Greenwashing. Es ist kein ›historisches Paket‹, wie der Konferenzpräsident behauptet – weder im positiven noch im negativen Sinne.“
Nur eine Verpflichtung zum sofortigen Ausstieg aus fossilen Energien hätte dazu führen können, dass die Klimaziele erreicht werden.
„Mit dieser Einigung wird das 1,5-Grad-Ziel kaum mehr erreichbar sein“.
Claudia Kemfert, Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung
„Selbst wenn die vorliegenden Bestimmungen vollständig umgesetzt würden, wären Millionen Menschen im Globalen Süden immer noch mit Überschwemmungen, Bränden und Hungersnöten konfrontiert und stünden am Rande einer Klimakatastrophe.“
Sven Harmeling, Hilfsorganisation Care International
„Menschen können sich nicht daran anpassen, zu verhungern, und kleine Inselstaaten können sich nicht an einen steigenden Meeresspiegel anpassen.“
Denise Ayebare, Aktivistin aus Uganda
„Während die Zeit in Dubai abläuft, fühlt es sich an, als würde das geteilte Rettungsboot der Menschheit sinken.“
Vanessa Nakate, Aktivistin aus Uganda
Roland Vossebrecker
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