
Waste Side Story und andere Geschichten
von Tabea Schünemann
Sechs Kilometer entfernt von Cluj-Napoca, der zweitgrößten Stadt Rumäniens, liegt Pata Rât, eine große Mülldeponie. Hier leben inzwischen in vier informellen Siedlungen ca. 1500 Menschen der Roma-Community zu unmenschlichen Bedingungen. Luft und Wasser sind von Müll und Chemikalien verschmutzt, was zu hohen gesundheitlichen Gefährdungen der Menschen führt. Abgeschnitten vom Rest der Welt, ohne Zugang zur Bildung oder Infrastruktur. Im Jahr 2010 wurden 270 Rom*nja aus Cluj dorthin zwangsumgesiedelt als „Sozialwohnungs-Projekt“ für die Errichtung anderer städtischer Gebäude, u.a. für den Tourismus (!). Sie leben in prekären Situationen, ihre Jobs in der Stadt gibt´s nicht mehr. Eine Frau erinnert sich an diesen schrecklichen Morgen:
Diese Geschichte von Gewalt und Klimarassismus, die nicht die einzige aus Rumänien und Europa ist, wird erzählt in der modernen Oper “Waste Side Story“ in Cluj. Eindrücklich schildert sie die Situation der Menschen, die sich bis heute trotz Urteilen und Versprechungen des Landes nicht wirklich geändert hat.
Warum erzähle ich das hier?
Zum einen bin ich selbst sehr bewegt von der Opernaufführung und dem Potential von Kunst, Perspektiven aufzuzeigen und auf Ungerechtigkeit aufmerksam zu machen.
Zum anderen macht es deutlich:
Klimaungerechtigkeit ist ein Phänomen der Gegenwart.
Klimaungerechtigkeit heißt: Die Menschen, die am wenigstens dazu beitragen, leiden am meisten unter den Folgen von Klimakrise und Umweltverschmutzung.
Sie passiert hier und heute. Jeden Tag. Auch in Europa. Auch wenn wir es nicht wahrhaben wollen. „Was – hier bei uns?“ Ja, „hier bei uns“. Unsere Gesellschaften sind rassistisch strukturiert und so sind marginalisierte Gruppen am meisten von der Klimakrise betroffen. Schon jetzt. In diesem Fall konkret gesundheitlich und sozial von Umweltverschmutzung. Das ist Klimarassismus. Nach der Definition des „European Environmental Bureau“ erfüllt es drei Kriterien dessen: Die Menschen sind abgeschnitten von der Stadt und grundlegenden Leistungen, in Gefahr gebracht durch das Leben in dieser giftigen Umgebung, und abgesondert durch die Zwangsumsiedlung für städtische Bauprojekte.
Ich möchte hier also dazu anregen, darüber nachzudenken, wofür oder besser für wen wir unser Leben an der Klimagerechtigkeit ausrichten.
Es geht darum, hinzusehen, wo Menschen jetzt schon auf alles verzichten müssen, weil unsere Strukturen ungerecht und rassistisch sind. Wo marginalisierte Menschen jetzt schon unter der Klimakrise leiden. Rom*nja überall in Europa sind ein Beispiel; Hitzetode bei älteren Menschen ein anderes, oder ich denke auch an die Menschen mit Behinderung, die wegen fehlender Schutzkonzepte in der Ahrtalkatastrophe nicht rechtzeitig evakuiert werden konnten.
Wenn wir menschlich sein wollen, sind diese Geschichten und Gesichter nicht schon Grund genug, uns für Klimagerechtigkeit einzusetzen?
Wenn uns das alles egal ist, haben die rechten Kräfte schon jetzt gewonnen.
Mehr Infos:
https://crd.org/wp-content/uploads/2023/04/UnnaturalDisaster-report2023.pdf
https://ejatlas.org/conflict/pata-rat-landfill-cluj-napoca-romania
https://meta.eeb.org/2024/01/15/insights-from-the-first-ever-roma-environmental-justice-conference/
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