Demokratisch, praktisch, gut – gelebte Suffizienz

von Tabea Schünemann

Vielleicht hat der eine oder die andere von euch ja bereits unsere Zusammenfassungen des SRU-Thesenpapiers gelesen und denkt sich jetzt: Ja, Suffizienz, wichtig und richtig, aber was heißt das jetzt bitte konkret?
Wie sollen wir jemals dahin kommen, immerhin irgendwie das ganze System ändern und das noch bei der aktuellen politischen Lage???

Ich will dazu folgendes sagen: 

Erstens: Wie Eckardt von Hirschhausen so schön sagt: Physik bleibt Physik, auch wenn Du sie damals in der Schule abgewählt hast. Soll heißen: Die Einhaltung planetarer Grenzen für unser (Über)Leben auf der Erde durch Suffizienz bleibt notwendig, auch wenn „niemand mehr übers Klima spricht“.  Die Überschwemmungen und Hitzewillen von 2024 bezeugen dies. 

Zweitens: Ich finde die aktuellen Trumpschen usw. Entwicklungen auch furchterregend und den Koalitionsvertrag zum Heulen. Wie kann man so sein? Trotzdem gibt es in mir eine Stimme, die nach dem Heulen dann wütend wird und sagt: Dann jetzt erst recht! Und es stimmt einfach nicht, dass niemand übers Klima spricht, sich darüber Sorgen macht oder die notwendigen Schritte gehen will. Wir müssen uns nur zusammentun. 

Drittens: Genau das passiert gerade mit unserem Suffizienz-Bündnis. Hier kommen Leute zusammen, denen das Thema schon lange oder ganz frisch (wie mir) im Herzen brennt und lodert. Die keine Lust mehr haben auf „Weiter so“ und Politiker*innen, die ihre Arbeit verweigern und uns Versprechen machen, die sie wegen Naturgesetzen nicht halten können. Menschen, die Lust haben auf Veränderung, die sagen: Wir könnten es so schön haben! Und die dann die nötigen Schritte dahin gehen. 

Also, wie kommen wir denn jetzt dahin? 

Zuerst habe ich festgestellt, dass das Wort Suffizienz vielleicht den wenigsten bekannt sein mag, aber es doch viele Beispiele für suffiziente Praktiken gibt, die wir kennen. 

D.h. jedes Mal, wenn Du…

… deinen Laptop zur Reparatur bringst

… dich beim Shoppen fragst, ob du das wirklich brauchst und die Jacke wieder zurückhängst

… von deiner Freundin ein Buch ausleihst

… dieses Buch liest statt Netflix zu schauen 

… auf Flohmärkte gehst

… Alternativen zum Fliegen googelst und benutzt

… du dich durchringst, „mit Hafermilch“ zu sagen

… die matschige Banane zuerst isst 

… du dein Zimmer untervermietest 

 

… ist das gelebte Suffizienz! 

 

Das alles ist ein Teil einer Strategie des Genug. Konkrete Handlungen im Alltag. Und wie immer ist es Aufgabe der Politik, die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass Suffizienz eine Struktur und keine heroischen Einzeltaten ist. 

 

D.h. konkret brauchen wir…

… die Wiedereinführung des Reparaturbonus (wie es ihn z.B. in Sachsen schon gab) 

… Förderung von Tausch- und Leihoptionen 

… eine Kerosinsteuer

… kostenlosen ÖPNV

… Subventionen für pflanzlichen Produkten (statt tierischen)

… eine Regelung gegen Lebensmittelverschwendung in Supermärkten

… eine bessere Nutzung von Wohnraum 

… eine Entwicklung hin zu einer Kreislaufwirtschaft

… Bildungsprogramme zur Suffizienz

… und vor allem ein Ende der Lüge, dass es ohne Veränderung in unserem Leben und Wirtschaften weitergehen kann 

 

Das sind nur einige Vorschläge, aber ihr merkt: Es gibt so viele konkrete Ideen. Wer das bezahlen soll? Vielleicht die, die am meisten Co2 verursachen, oder?

Was mich daran begeistert: Suffizienz beinhaltet damit 

  • Einerseits eine große allumfassende Utopie, ein Träumen von einer Welt, wie sie sein könnte
  • Andererseits konkrete Maßnahmen, die uns diesem Traum näherbringen

Wie immer hängen hier gesellschaftlicher und politischer Wandel zusammen.
Von den politischen Maßnahmen habe ich schon gesprochen. Und die werden wir einfordern, bis wir grün werden:D und zwar wirklich und nicht nur dasselbe in Grün! Grüner Kapitalismus ist wie ein eckiger Kreis: ein Widerspruch in sich. 

Der gesellschaftliche Wandel braucht zum einen das Vorleben all dieser oben angedeuteten Dinge. Jedes Vorleben ist dabei auch eine kritische Anfrage an den Ist-Zustand. Jedes Mal, wenn ich etwas nicht kaufe, obwohl mir durch die Werbung vermittelt wurde, dass ich es brauche, zeige ich, dass das nicht stimmt. Dass ich es nicht brauche. Weil immer noch gilt: Die wichtigsten Dinge im Leben sind keine Dinge. 

Und ich finde es auch schwer. Weil es schwer gemacht wird. Weil wir eine Gesellschaft sind, die in Wachstum denkt und Konsum lebt. 

Unser neuer Slogan ist deswegen ein tolles Zitat von Uta von Winterfeld: 

Niemand soll immer mehr haben wollen müssen. 

Ich will nicht ein bestimmtes Handy haben müssen, um in der Schule nicht gemobbt zu werden. Ich will nicht von meinem nächsten Urlaub erzählen können müssen, um beliebt zu sein. Ich will kein schlechtes Gewissen haben, wenn ich Freitagabend zuhause sitze, statt immer noch mehr zu erleben. Ich will Pause machen können, so richtig. Ich will, dass ich fürs Pause machen mir nicht erst noch ne teure Yoga-Leggings und Gesichtsmasken kaufen muss. 

Ich will einfach sein. 

Genug sein. 

Genug haben. 

Ich hab doch längst genug. 

Das ist ja das Verrückte: Alles ist genug da auf der Welt, Lebensmittel, Wohnraum, Wasser,… wir haben es nur so verdammt schlecht verteilt. Zeit, es zurückzugeben, was uns nicht gehört.


Zeit, für ein Mehr zu sorgen.
Mehr Menschenwürde.  Mehr Freiheit, mehr Zeit, mehr Liebe, mehr Gerechtigkeit. 

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