Was Freiheit ist

von Tabea Schünemann

Ein Schlagwort, das in der aktuellen klimapolitischen Auseinandersetzung immer wieder fällt, ist Freiheit . Freiheit ist der Slogan der FDP, die sich als Freiheitspartei inszeniert. Jeder Vorschlag, jede Idee in Richtung Klimaschutz und Klimagerechtigkeit wird politisch und gesellschaftlich als böser Verzicht, als aufgezwungenes Verbot gedeutet und abgelehnt, weil vermeintlich die eigene Freiheit eingeschränkt wird.

Ich möchte genauer hinschauen: Was ist mit dieser Freiheit gemeint?

Es ist ein Verständnis von Freiheit, alles tun, kaufen, sagen zu dürfen, ohne dass ich mit Konsequenzen rechnen muss. Dass ich ohne Rücksicht auf Verluste über die Autobahn rasen, mehrmals im Jahr in den Urlaub fliegen oder alles immer bei Amazon bestellen kann. Dass ich jeden Satz und jedes Wort laut aussprechen oder twittern kann, ohne beachten zu müssen, was dies womöglich bei anderen auslösen könnte. Kurz: Diese Idee von Freiheit meint schlichte Rücksichtslosigkeit und Egoismus.

Auch das Expertengremium der Bundesregierung für Umweltfragen kommt zum Schluss: „Ressourcenintensive Lebensstile gefährden die Freiheit anderer und es gibt keinen moralischen Anspruch, dies zu ignorieren“ („Suffizienz – Strategie des Genug“ des SRU, S. 32).    (dazu auch hier auf unserer Webseite)

Eine Überkonsumgesellschaft deckt sich nicht mit dem Freiheitsverständnis unseres Rechtsstaats. Schon in der Aufklärung wurde Freiheit definiert, tun zu können, was einem anderen nicht schadet.

Denn: Dieses oben beschriebene Verständnis von Freiheit meint nur die Freiheit einigermaßen weniger auf Kosten aller anderen. So schaden reiche Menschen in reichen Industrienationen durchaus, nur wird dies im kapitalistischen System ausgelagert, sodass wir nicht sehen, was wir nicht sehen wollen. Was und wer eigentlich alles kaputt geht, bis unser Impulskauf bei SHEIN bei uns ankommt.

Das ist das Tragische bei der Klimaungerechtigkeit: Grundsätze, die hauptsächlich für die ökologischen Krisen verantwortlich sind, leiden am wenigsten darunter bzw. können sich am besten davor schützen und sind daher am wenigsten gewillt, etwas zu ändern. Außer, sieübernehmen ihre Verantwortung.

Das ist vor allem eine politische Aufgabe. Denn: Je mehr Einfluss, desto mehr Verantwortung.

Freiheit gibt es nur gepaart mit Verantwortung.

„Tatsächlich besteht die Gefahr, dass die Freiheit in bloßer Willkür ausarten kann, wenn sie nicht in Bezug auf die Verantwortung gelebt wird.“ Deshalb empfehle ich, die Freiheitsstatue an der Ostküste durch eine Verantwortungsstatue an der Westküste zu ergänzen.“ (Viktor E. Frankl, Das Leiden am sinnlosen Leben)

Schon meine Mutter hat zu uns Kindern immer gesagt: Die Grenze ist da, wo es den anderen stört. Das sollte der Maßstab sein. Das eigene, schädliche (Konsum-) Verhalten einzuschränken oder Güter gerecht zu verteilen, bringt den Menschen mehr Freiheit, die bisher durch die Grenzenlosigkeit einigermaßen eingeschränkt waren. Und es kann aus eigenen Konsumzwängen befreien und den Blick mehr darauf richten, was wirklich zählt im Leben, zB zwischenmenschliche Beziehungen.

Wenn ein Thomas Gottschalk nicht mehr immer alles sagen und tun darf, gibt es gleichzeitig mehr Raum, dass andere Menschen etwas sagen und tun dürfen, die es bisher nicht durften. Marginalisierte Menschen zum Beispiel. Und nein, Herr Gottschalk, das sind nicht Sie.

Wenn einem etwas weggenommen wird, damit andere mehr (und damit immer noch weniger) haben, ist das keine böse Verbots-, sondern schlichte Sozialpolitik.

Ich dachte, es geht schließlich um Menschenwürde.

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