Konsequent Klimagerecht

08.11.22 | Grundlagen

von Tabea Schünemann und Roland Vossebrecker

Der selbstgestellte Anspruch unserer Initiative für ein konsequent klimagerechtes Leben wirft Fragen auf, Fragen, die wir auch intern immer wieder durchdiskutiert haben

Konsequent klimagerecht, geht das denn überhaupt? Wie konsequent, wo ziehe ich die Grenze? Kann ich denn überhaupt immer die „richtige“ Entscheidung treffen? Wenn ich mich gegen die Plastikverpackung entscheide, nehme ich dann längere Transportwege in Kauf und verschlechtere meine Klimabilanz? Was ist besser, Palmöl oder Kokosöl? Unter welchen Anbaubedingungen? Und wie konsequent muss ich z. B. sein beim Auto, beim Fleisch, beim Konsum?

Wie schaffe ich es, nicht unter einem Perfektionsdruck zusammenzubrechen und
wie gehe ich mit meinem möglichen Scheitern um?

Offensichtlich braucht Konsequenz eine Erklärung:

Das Wichtigste zuerst: 

Wir laden ein, sich auf ein klimagerechtes Leben einzulassen und es möglichst konsequent umzusetzen. Jede und jeder entscheidet selbst nach bestem Wissen und Gewissen, wie die Umsetzung im Detail aussehen wird. Wir kontrollieren nichts, wir sind keine Klima-Stasi und wollen auch keine sein!

Dennoch – wir wollen den Begriff „Klimagerechtigkeit“ ernst und wörtlich nehmen und daher anspruchsvoll an die Sache herangehen. Wie mal eine Diskussionsteilnehmerin treffend bemerkte: „Das ist dann ja endlich mal mehr, als nur ne Plastiktüte einzusparen“. Die eingesparte Plastiktüte reicht uns (und dem Planeten!) nicht!

Vollkommene Konsequenz wird aber immer eine Unmöglichkeit bleiben, vor allem aus zwei Gründen:

Wir leben leider immer noch in einer (Konsum-)Welt, in der uns das klimagerechte Leben schwer gemacht wird, in der Werbung, Preise und gesellschaftlicher Druck das ökologisch korrekte Leben eher verhindern als bestärken, und in der es unmöglich ist, in der Unübersichtlichkeit der Strukturen, Produktionsprozesse, Handelswege und Lieferketten immer die richtige Entscheidung zu treffen.

Und selbst bei optimaler Lebensführung kann man seinen CO2-Fußabdruck auf etwa 5 bis 5,5 Tonnen jährlich reduzieren. Das ist etwa die Hälfte des deutschen Durchschnitts, aber es ist immer noch viel zu viel. Der Rest ist strukturbedingt und entzieht sich unserem direkten Einfluss. 

Deshalb ist politisches Engagement (Teil 4 des Vertrags mit Dir selbst) für ein klimagerechtes Leben so wichtig. Die politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Strukturen müssen so geändert werden, dass klimagerechtes Leben nicht mehr aus lauter komplizierten Einzelentscheidungen besteht, sondern zur Normalität wird. Und diese Veränderungen wollen wir einfordern und – wenn es auch manchmal mühsam ist – vorleben.

Das Mühsame gehört dann ehrlicherweise zum klimagerechten Leben dazu, genauso wie das Wissen um die eigene Unvollkommenheit, das Wissen, dass man dem höchsten Anspruch nie gerecht werden kann.

Dies kann man aber mit Gelassenheit ertragen, wenn man Freude am Engagement empfindet und Wirksamkeit spürt.

Konsequent klimagerecht bedeutet (für mich), persönliche Bedürfnisse dem Gerechtigkeitsgedanken unterzuordnen. Dem zugrunde liegt die schlichte Wahrheit, dass unser (westlicher) Wohlstand auf der Verbrennung von Kohlenstoff basiert und dass darunter am meisten jene leiden, die am wenigsten zur Klimakatastrophe beigetragen haben: Die Menschen in ärmeren Ländern des globalen Südens und die kommenden Generationen. Ihnen gegenüber stehen wir in der Pflicht.

Konsequenz, so wie ich sie verstehe, bedeutet also nicht eine Perfektion, die unerreichbar ist, sondern eine Verinnerlichung des Gerechtigkeits-Gedankens, und dies in allen Aspekten des täglichen Lebens.

Es geht also vielmehr um eine Grundhaltung: nicht perfektionistisch, aber anspruchsvoll, nicht verurteilend, sondern ermutigend, nicht unrealistisch, aber hoffnungsvoll. Es gilt, die eigenen Ausreden und Bequemlichkeiten selbstkritisch zu hinterfragen und dem größeren Gedanken der Gerechtigkeit unterzuordnen, auch wenn das nicht immer perfekt gelingt oder nicht immer gemütlich ist.

Denn nur, wer selbst in diesem Sinne konsequent lebt, ist auch eine Inspirationsquelle für andere. Das erleben wir immer wieder und das macht Mut.

 

Fragenstellungen, die vielleicht helfen:

  • Wird ein (Klima-)schädliches Verhalten dadurch gut, dass man es seltener macht?
  • Sind kleine Verbesserungsschritte angemessen angesichts einer sich immer schneller verschärfenden Katastrophe?
  • Wie verhält sich mein „Gewinn“ (Lustgewinn beim Steak-Verzehr, Bequemlichkeit einer Flugreise etc.) zum angerichteten Schaden für andere?
  • An welchen Stellen kann ich die größte Wirkung erzielen? (siehe: Von kleinen und großen Baustellen)
  • Wie viel Freude vermittelt die Entscheidung für ein klimagerechtes Leben?

 

Tabea Schünemann und Roland Vossebrecker

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