Warum Politik?
von Tabea Schünemann und Roland Vossebrecker
Selbstverpflichtung zum politischen Engagement
Die verschiedenen Punkte im Vertrag mit dir selbst unserer Initiative Klimagerecht Leben stellen für unterschiedliche Menschen unterschiedlich hohe Hürden dar. Die eine lebt bereits CO2-ärmer, kann aber das üppige Konsumieren noch nicht lassen. Ein anderer tut sich mit dem klimagerechten Spenden schwer. Anderen liegt die überzeugende Kommunikation nicht.
Ein Punkt im Vertrag scheint für manche eine besondere Schwierigkeit zu sein:
Die Selbstverpflichtung zum politischen Engagement. Das scheint dem einen oder der anderen auf den ersten Blick nicht logisch oder notwendig. Gerade in Zeiten von Politikverdrossenheit mag es vielleicht der Aspekt des Vertrages sein, bei dem sich manche überfordert fühlen.
Allerdings ist eine Intention und der Effekt dieses Punktes, langfristig ein Gefühl von Überforderung Einzelner in ihrer Lebensgestaltung zu vermeiden oder wenigstens zu verringern, indem die politischen Verantwortungsträger*innen Rahmenbedingungen schaffen, die ein klimagerechtes Leben erleichtern.
Ohne politisches Engagement würden wir uns zurecht den Vorwurf einhandeln, den Klimaschutz zu privatisieren. Das wollen wir auf keinen Fall! Wir bilden uns ja nicht ein, mit klimagerechtem Leben die Krise abwenden zu können. Es wäre eine maßlose Überforderung, als Einzelne die Welt retten zu müssen. Das kann nur entschlossenes, politisches Handeln.
Klimagerechtes Leben wird uns im aktuellen System schwer gemacht. Noch stoßen wir dabei immer wieder an unsere Grenzen, da der nötige gesellschaftliche und politische Rahmen dafür fehlt.
Es nützt uns wenig, wenn wir nicht mehr Auto fahren möchten, aber der ÖPNV so schlecht ausgebaut oder so teuer ist, dass er auch beim besten Willen keine Alternative darstellt. Es ist schädlich und unfair, wenn vegane Ernährung wesentlich teurer ist als das Billigfleisch aus der Massentierhaltung, wenn die Bahnreise ein Vielfaches der Flugreise kostet.
Und ja, es ist unfair und anstrengend, dass es diese Rahmenbedingungen noch nicht gibt und wir als Individuen sie deswegen bei den Verantwortlichen einfordern müssen, aber nur so ist Veränderung möglich.
Wir müssen uns auch klarmachen:
Selbst bei konsequentester klimagerechter Lebensführung können wir unseren CO2-Fußabdruck nur auf etwa die Hälfte des deutschen Durchschnitts drücken.
Doch das reicht nicht! Der Rest ist systemisch bedingt und entzieht sich unserem direkten Einfluss. Daher könnten wir dem Klima nicht gerecht werden, wenn wir die Politik außen vorlassen würden! Der Druck auf die politischen Entscheidungsträger*innen muss aufrechterhalten werden, nicht zuletzt, um der fossilen Lobby etwas entgegenzusetzen.
Es ist Teil des klimagerechten Lebens, die politische Ebene ebenso zur Verantwortung zu rufen wie uns selbst.
Von politischer Seite muss klimagerechtes Leben gefördert werden, aber zum diesem Leben gehört auch, dies durch verschiedene Formen politischen Engagements einzufordern und mitzugestalten. Und deswegen: Das Eine tun und das Andere nicht lassen!
Und wir sind nicht machtlos! Wir leben in einer Demokratie, wir können (zum Glück) entscheiden, wer für uns entscheidet. Wir können klimagerechte Entscheidungen einfordern, das ist unser Recht und damit auch unsere Pflicht. Und unser Privileg!
Wir wissen ja: Unsre einzelne Konsumentscheidung ist noch nicht weltverändernd, die Summe aller Entscheidungen allerdings schon. Das Gleiche gilt für politisches Engagement. Der einzelne Wahlzettel bewirkt keine Politikveränderung, die Summe der Wähler*innenstimmen aber machen den Unterschied. Und jede*r Einzelne ist dazu aufgerufen, seinen*ihren Beitrag dazu zu leisten. Deswegen gehört der eigene politische Verantwortungsbereich genauso zur klimagerechten Lebensgestaltung wie die Konsumentscheidungen.
Hätte ein junges Mädchen sich nicht jeden Freitag mit einem Schild auf die Straße gesetzt, „weil es ja eh nichts bringt“, hätten wir heute nicht die weltweite Protestbewegung von Fridays for future, die wiederum unsere Regierungen unter Druck setzen und zum Nachdenken bringen. Der Schneeballeffekt der eigenen Lebensgestaltung gilt also genauso für unser politisches Engagement.
„…I want you to act!”
Greta Thunberg
Politisches Engagement kann ganz unterschiedliche und kreative Formen annehmen.
Es gibt vielfältige Möglichkeiten der politischen Partizipation und des Engagements. Dafür muss man keiner Partei beitreten oder sich von Autobahnbrücken abseilen.
Wie beim individuellen klimagerechten Leben gilt: Man kann mit dem beginnen, was einem liegt und sich Stück für Stück weiter herausfordern lassen. Nicht alles gleichzeitig, aber auch nicht nichts.
Den Klimaschutz in die eigene Wahlentscheidung mit einfließen zu lassen, ist schonmal ein Anfang.
Demonstrationen und Petitionen sind weitere Möglichkeiten der politischen Teilhabe.
Auf lokaler Ebene suchen Bürgerinitiativen und Klimaschutzvereine engagierte Mitarbeiter*innen (übrigens auch die Initiative Klimagerecht Leben.
Mit Briefen oder Mails können wir unsere Abgeordneten kontaktieren, herausfordern und unsere Anliegen immer wieder vorbringen. Berührungsängste oder übertriebener Amts-Respekt ist da ganz unangebracht: Politiker*innen sind auch nur Menschen!
u. v. a. m.
Und wenn man möchte, kann man doch einer Partei beitreten, oder sich von Autobahnbrücken abseilen 😊.
Tabea Schünemann und Roland Vossebrecker
„In einer Welt, die nicht nachhaltig ist, ist es ein Privileg nachhaltig leben zu können. Der Zug ist oft viel teurer als der Flug, das Biolebensmittel teurer als das andere und so weiter. Wer die Möglichkeiten hat, sich nachhaltig zu verhalten, den würde ich immer dazu ermutigen. Nicht nur für die Welt, viel mehr für sich selbst. Die Art, wie wir unser Leben führen, kann dafür sorgen, dass wir besser mit dem Zustand der Welt klarkommen. Es reduziert die Dissonanzen im Leben und es kostet meiner Erfahrung nach weniger Kraft, sich nicht ewig gegen die eigenen Werte zu entscheiden.
Aber die großen Hebel liegen nicht da, wo wir für uns allein entscheiden: Ich esse jetzt Tofu. Die großen Hebel liegen dort, wo wir uns organisieren, strategisch Druck ausüben und Wandel initiieren. Und da werden alle gebraucht, die mitmachen können.“
Luisa Neubauer
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