Sind wir noch zu retten?

Sind wir noch zu retten?

Sind wir noch zu retten?

von Roland Vossebrecker

„Der Kampf um politische Deutungsmacht muss wieder aufgenommen werden – als Kampf um eine bessere Welt. (…) Widerstand gegen den Autoritarismus muss die Form des aktiven Herbeiführens einer besseren Zukunft annehmen.“

Daniel Binswanger

 

Ich schreibe diesen Artikel aus der tiefsten Überzeugung heraus, dass Klimagerechtigkeit nur demokratisch zu erreichen ist, dass aber gleichzeitig die Einhaltung planetarer Grenzen, die hinreichende Stabilisierung des Klimas, der Stopp des Artensterbens, kurz: der Erhalt der menschlichen Lebensgrundlagen die Voraussetzungen einer funktionierenden Demokratie sind.

Wenn es nun schlecht steht ums Klima und um die Demokratie stellt sich mir die Frage:

Sind wir noch zu retten?

„Mehr für Dich – besser für Deutschland“

„Mehr Wachstum“

„Fleiß muss man wieder im Geldbeutel spüren“

Diese Slogans aus den vergangenen Wahlkämpfen stehen symptomatisch für einen kapitalen Fehler, den alle Parteien leider ohne Ausnahme immer wieder machen: Ein Wohlstandsversprechen, das über kurz oder gar nicht mehr lang nicht einzuhalten sein wird.

Eine Studie des Institute for Climate Risk and Response der Universität von New South Wales, Australien, zeigt, dass selbst bei der äußerst optimistischen Annahme des Einhaltens der 2°-Grad-Grenze mit weltweiten BIP-Verlusten von 16 % zu rechnen ist. Das klingt erst einmal technisch abstrakt, bedeutet aber massive Wohlstandsverluste, zusammenbrechende Lieferketten, Hungersnöte und absehbar Kriege um Ressourcen. Wenn dies offensichtlich wird, wenn die Versprechen ewigen Wohlstandes wie ein Kartenhaus in sich zusammenfallen und wenn dann die demokratischen Parteien mit leeren Händen dastehen – dann ist die große Stunde der Rechtsextremen gekommen.

 

In den 90er-Jahren schienen liberale Demokratie und freie Marktwirtschaft alternativlose Erfolgsmodelle zu sein. Mit dem Zusammenbruch des Ostblocks, dem Ende des Kalten Krieges, dem Sieg des Kapitalismus über die sowjet-kommunistische Planwirtschaft glaubte man sich am Beginn eines rosigen Zeitalters, Stichwort „Ende der Geschichte“ (Francis Fukuyama). Im naiven Glauben, dass von nun an die Dinge von allein immer besser würden, überließ man Fortschritt dem Markt, statt ihn politisch aktiv zu gestalten. 

Die optimistischen Zeiten sind vorbei, jahrzehntealte Gewissheiten zerfallen.

Heute befinden wir uns in einer geopolitischen Situation, in der die USA unter Trump/Musk eher ein Feind als ein Verbündeter sind, in der Russland kalte und heiße Kriege anzettelt und China mit einem autoritär-kapitalistischen Modell die wirtschaftliche Weltvorherrschaft erkämpft. Währenddessen scheitern Demokratien weltweit, rechte und rechtsextreme Kräfte gewinnen an Macht und faschistoide „Heilsbringer“ à la Trump, Erdogan, Orban, Milei etc. sind auf dem Vormarsch. Es passt ins Bild und ist brandgefährlich, dass diese Autokraten nichts von Klimaschutz halten und diesen mit Lügen torpedieren. Besonders unheilvoll ist das Bündnis von extremen Wirtschaftsliberalismus und Staatsabbau zugunsten weniger Tech-Milliardäre mit rechtsextremen Ideologien.

Gleichzeitig eskalieren Klima- und Umweltkatastrophen: Der Kapitalismus scheitert an sich selbst. Der Überkonsum westlicher Wohlstandsstaaten ist dabei, die Welt in den Kollaps zu führen. Selbst BND und Bundeswehr betonen mittlerweile die Gefahren für unsere Sicherheit durch den Klimawandel: „Wer Sicherheit denkt, muss Klima mitdenken. Wir leben bereits in der Klimakrise.“

Die Leidtragenden sind besonders jene Menschen in ärmeren Ländern des globalen Südens, die nicht oder kaum zu den Umwelt- und Klimakrisen beigetragen haben. Dadurch, dass man die Kollateralschäden des scheinbar so erfolgreichen kapitalistischen Konsum-Systems bewusst in Kauf nimmt, oder zumindest die Augen davor verschließt, wird das „westliche“ Demokratie-Modell für den Globalen Süden immer unglaubwürdiger und unattraktiver. „Freiheit“, „Menschenrechte“, „westliche Werte“ sind inmitten der giftigen Wohlstands-Müllberge am Strand von Ghana eher hohl klingende Begriffe.

 

Wie kann sich Demokratie weltweit unter diesen Verhältnissen noch behaupten? Wie muss sie sich neu aufstellen, um überleben zu können?

Ein „Weiter so“ mit geringfügig anderen Mitteln – seien es E-Autos, Windräder oder Sondervermögen, so sinnvoll sie im Einzelnen auch sein mögen – kann keine Lösung für die globalen Probleme darstellen. Es braucht den Mut zu einem radikal grundsätzlichen Wandel, bei dem einige Bedingungen erfüllt werden müssen:

Sagt die Wahrheit

Es ist Zeit für radikale Ehrlichkeit über die bevorstehenden Krisen und Katastrophen, über das Überschreiten planetarer Grenzen, über die Verantwortlichkeiten westlicher Konsumdemokratien, über Globale Ungerechtigkeiten und über den zu erwartenden Wohlstandsverlust: Wohlstandsversprechen sind eine Lüge, eine gefährliche!

Ehrlichkeit aber nicht nur über das, was zu verlieren, sondern bitte auch, was zu gewinnen ist: Gesunde Umwelt, Gerechtigkeit, Zukunft…

Angst vor der Transformation überwinden

Viele Menschen machen sich größte Sorgen um die Wirtschaft, das Wachstum, die Arbeitsplätze, sollte es zu einer grundlegenden Transformation unseres Lebens kommen. „Was wird denn aus den Arbeitsplätzen, wenn alle auf einmal aufhören zu shoppen?“ Keine Sorge, nichts geschieht auf einmal, manches allerdings sehr schnell: Das Internet, das Smartphone, neuerdings KI haben das Leben und das Wirtschaften des gesamten Planeten grundlegend verändert. Die Dinge passieren einfach, mit allen Risiken und Nebenwirkungen, ohne dass wir unseren Arzt oder Apotheker fragen konnten, ohne dass je darüber demokratisch entschieden wurde.

Welche Berechtigung hat also die Furcht vor einer von uns demokratisch gestalteten Transformation zum Besseren, um den ökologischen und demokratischen Kollaps zu verhindern?

Was könnte demokratischer sein, als die Transformation hin zu einem guten Leben für alle zu wagen? 

„Es muss sich alles ändern, damit es bleiben kann, wie es ist.“

Giuseppe Tomasi di Lampedusa

Ein Angebot an den Globalen Süden,

das nur dann ehrlich sein kann, wenn Schluss ist mit Ausbeutung von Mensch, Umwelt und Ressourcen, Schluss mit Externalisierung der Folgen unseres Konsums und Lebensstils, wenn koloniale und neokoloniale Strukturen verantwortlich aufgearbeitet und beendet werden, z. B. durch einen Schuldenerlass und durch Loss and Damage Fonds, die mehr sind als nur ein Feigenblatt. 

„Unsere westlichen Werte“ sind verlogen, solange sie nicht für alle Menschen gelten. Demokratische Werte müssen global gedacht werden, denn nur so kann Demokratie weltweit wieder an Attraktivität gewinnen.

Ein Leben im Genug 

Ein Abrüsten unserer materiellen Anspruchshaltung, also Suffizienz. Wir dürfen nicht mehr verbrauchen, als uns zusteht, und wir dürfen nichts besitzen, was uns nicht gehört.

Der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) betont, dass Suffizienz als eine Strategie des Genug für eine Stabilisierung der Erde innerhalb planetarer Grenzen unerlässlich und eine Politik der Suffizienz nicht nur möglich, sondern verfassungsrechtlich sogar geboten ist!

Eine konsequente Suffizienzpolitik wäre eine Transformation by Design, not by Desaster. Es würde bedeuten, die notwendige Veränderung unserer Gesellschaft gerecht zu gestalten, anstatt die unausbleiblichen Veränderungen durch die Katastrophen nur zu erleiden.

Und damit komme ich auf die Ausgangs-Frage zurück:

Sind wir noch zu retten?

Ja, sind wir! 

Demokratie lebt von dem Glauben daran, dass es besser werden kann, dass echter gesellschaftlicher Fortschritt (nicht nur technologischer!) hin zu mehr Teilhabe, zu mehr Gerechtigkeit möglich ist.

Wie schön wäre es, wenn man sich erinnerte, dass es die edelste Aufgabe der Politik ist, für Gerechtigkeit zu sorgen?

Wenn man es wagen würde, eine mitreißende, anschlussfähige, begeisternde 

Utopie für ein „Es geht auch anders“

für eine bessere Zukunft zu entwickeln, für ein genügsames und gerechtes Zusammenleben auf diesem Planeten, ein liebevoller Gegenentwurf zu menschenverachtenden und nationalegoistischen Erzählungen, eine Vision einer global gerechten Gesellschaft – dann, aber auch nur dann, besteht Hoffnung!

 Roland Vossebrecker

WEbinar „Suffizienz“ mit dem SRU, 30.01.2025

WEbinar „Suffizienz“ mit dem SRU, 30.01.2025

Webinar „Suffizienz“ mit dem SRU, 30.01.2025

Warum reichen technische Lösungen nicht aus, um das Klima zu retten?
Was sind eigentlich planetare Grenzen und wie ist es wirklich um unsere Welt bestellt?
Wie können wir ein gutes Leben für alle ermöglichen und was hat das mit Suffizienz als „Strategie des Genug“ zu tun?

Diese und weitere Fragen beantworten Dr. Julia Michaelis und Bendix Vogel vom Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) in diesem Webinar.
Der SRU ist ein kompetent besetztes Gremium, das die Bundesregierung in allen relevanten Umweltfragen berät. In diesem Vortrag erläutern die Wissenschaftler*innen auf anschauliche Weise, warum es ohne Suffizienz nicht gehen wird.

Gut aufbereitete Informationen für alle, die Antworten auf die drängendsten Fragen unserer Zeit suchen.

 

 

Deine Suffizienz-Mail an die Politik

Deine Suffizienz-Mail an die Politik

Deine Suffizienz-Mail an die Politik

Wir wollen es nicht mehr hinnehmen, dass unsere Politiker*innen weiter den Sachverständigenrat für Umweltfragen ignorieren. Wir akzeptieren nicht, dass Suffizienz als Strategie des Genug von unseren Volksvertreter*innen weiter missachtet wird.
Die vom SRU vorgelegten Thesen sprechen eine eindeutige Sprache:
Eine Politik der Suffizienz ist für den Erhalt unserer freien demokratischen Ordnung, für den Erhalt unserer Lebensgrundlagen und unserer menschlichen Zivilisation von entscheidender Bedeutung.


AUCH DU KANNST HELFEN:

Fordere die Bundestags-Abgeordneten auf, sich mit den Suffizienz-Thesen des SRU auseinanderzusetzen, und sich – gerade auch jetzt im Wahlkampf – zum Thema Suffizienz zu positionieren und sich für eine konsequente Suffizienzpolitik einzusetzen.

GEMEINSAM BRINGEN WIR SUFFIZIENZ IN DIE POLITIK!

Das ist ganz leicht! Unsere Partnerorganisation plattformPRO hat uns ein Abgeordnetentool eingerichtet. Herzlichen Dank!

  • Öffne diesen Link: Abgeordneten-Tool

  • Gehe auf Abgeordneten-Tool mit SRU-Thesenpapier

  • Gib einen Namen, eine PLZ oder deinen Wahlkreis ein und klicke auf Suche

  • Wähle die Abgeordneten aus, denen Du schreiben möchtest (möglichst viele!)

Wenn Du dann auf Mail verschicken klickst, dann öffnet sich in Deinem Mailprogramm eine Mail an die von dir ausgesuchten Abgeordneten mit unserem Text, unterschreibe noch und versende die Mail.

Unsere Volksvertreter*innen werden eine Menge Post bekommen, und es wird ihnen immer schwerer werden, sich weiter vor dem großen Thema Suffizienz zu drücken!

Herzlichen Dank an Alle, die mitmachen!

Spendenaktion SPENDEN STATT VERschwenden

Spendenaktion SPENDEN STATT VERschwenden

Spenden Statt Verschwenden

Hallo alle,
die Welt rückt nach rechts und wir rücken zusammen!
Dem ganzen Gerede um Migration wollen wir Solidarität entgegensetzen!
100 Millionen Geflüchtete weltweit brauchen unsere Unterstützung.
Krisen, Kriege, Klima – wir können uns nicht abschotten, wir können etwas tun!

Wir können weniger Geld im weihnachtlichen Konsum verschwenden und anderswo für ein Mehr sorgen.

Setzt mit uns ein Zeichen für Menschlichkeit und helft mit, das Leben von Menschen auf der Flucht konkret zu verbessern!

Danke!

Lieben Dank für eure Unterstützung.

Wir sammeln grundsätzlich keine Spenden für unsere Initiative, sondern wir rufen auf zu klimagerechten Spenden an anerkannte Hilfsorganisationen.

Spontaner Aktivismus

Spontaner Aktivismus

Spontaner Aktivismus

von Roland Vossebrecker

Neulich sah ich beim Frühstück im ZDF-Morgenmagazin die Ankündigung eines Berichtes über die COP 29 in Baku, Aserbaidschan. Und dort fiel ein Satz, der mich spontan zu dieser Mail an das ZDF bewegte:

Hallo ZDF,

eben fiel im Morgenmagazin dieser Satz als Einleitung zum Bericht über die COP 29:

„Es geht, wenn man den Klimafolgenforschern Glauben schenkt, jetzt wirklich ums Ganze…“

Schlimmer kann man so einen Beitrag kaum mehr einleiten! Und wenn man ihnen keinen Glauben schenkt? Geht es hier um Glauben? Und was ist das für eine Vorlage für die Klimaleugner-Idioten?

Der Satz müsste lauten: „Es geht, wenn man endlich die Ergebnisse der Klimafolgenforschung ernst nehmen würde, längst (!) wirklich ums Ganze…“

Ich fordere Sie dringend auf, Ihrer Verantwortung in ihrer Berichterstattung gerecht zu werden!

Entsetzt,

Roland Vossebrecker

 

Meine Mail teilte ich auch mit allen engagierten Menschen, die ich kenne (im BCC) und erhielt daraufhin viele positive Reaktionen, vor allem auch viele „Ich schreibe denen auch mal…“!

Dann habe ich diese Mail auch auf unserem Mastodon-Channel  geteilt, mit den ZDF-Mail-Adressen und der Bitte, sich auch direkt an das ZDF zu wenden. Das löste eine kleine Lawine aus: Es gab etwa 500 Reaktionen auf den Post! Das ZDF hat an dem Tag eine Menge Post bekommen!

Warum schreibe ich das?

WEIL DU DAS AUCH KANNST!

 

Es ist keine hohe Kunst, sich zu Wort zu melden. Man braucht keine besonderen Fähigkeiten, man muss nicht besonders geschult sein, man braucht keinen Rhetorik-Kurs, um zu protestieren, wenn etwas falsch läuft.

Es ist Dein demokratisches Recht!

Was Du dazu brauchst, sind 10 Minuten, etwas Aufmerksamkeit und den Kick, sofort zur Feder (= zur Tastatur) zu greifen, wenn Dir etwas auffällt, das Dir gegen den Strich geht, sei es eine völlig missglückte Klimaberichterstattung, eine rassistische Bemerkung eines/einer Politikers/Politikerin oder was auch immer!

 

Seien wir realistisch: 

Ich gehe nicht davon aus, dass wegen meiner Mail/unseren Mails das ZDF sofort ihre Klimaberichterstattung auf den Prüfstand stellen wird. Aber wir wurden gehört und wahrgenommen. Es gab zwei reichlich floskelhafte Antworten, die wenig bis gar nicht auf den eigentlichen Kritikpunkt eingingen, aber ignorieren konnten sie uns nicht!

Unsere Demokratie ist alles andere als perfekt, und außerdem schwer unter Beschuss, durch rechte und rechtsextreme Bewegungen, durch Lobbyismus, vor allem auch durch das ganz große Geld. Aber noch haben wir unsere Stimme und unser Recht! Dieses demokratische Recht reicht viel weiter, als alle vier Jahre ein Kreuzchen zu setzen! Nutzen wir es, solange es noch geht! 

Du und ich!

P. S. Ein Tipp noch:

Kritik ist gut und wichtig! Und Lob, wenn mal was richtig gut läuft, auch! Das kommt ja auch ab und zu vor 😊.

Roland Vossebrecker