WORUM ES GEHT

WORUM ES GEHT

Worum es geht

oder: Die Frage nach dem guten Leben

von TABEA SCHÜNEMANN

Diesen Sommer wurde die Initiative klimagerecht Leben zwei Jahre alt!
Dies war ein Tag des Rückblicks, des Staunens und Sich-Freuens über das, was bisher geschah. Ich bin fast seit Anfang an dabei und immer wieder dankbar dafür, dass wir uns so „gefunden“ haben.
Das Kennenlernen von Roland und der Initiative bedeutet mir sehr viel, da es mich auch persönlich sehr bereichert, Teil davon zu sein.
Ich bin dadurch neu ins Nachdenken und Handeln gekommen und immer wieder sehr inspiriert von meinen Mitstreiter*innen!
Danke an euch für euer ganzes Engagement!!!
Das Schreiben im Blog bringt mich dazu, meine Gedanken auch wirklich aufs Papier zu bringen und zu Ende zu denken.
Bei gemeinsamen Aktionen oder Planungstreffen mache ich immer wieder die schöne Erfahrung, gemeinsam an dem zu arbeiten, wofür mein Herz schlägt.
Wir sind miteinander verbunden, von Bergisch-Gladbach bis Heidelberg und darüber hinaus.
In den Klimatalks fühle ich diese Verbundenheit von klimabewegten Menschen sehr stark, ich spüre: Ich bin nicht allein und:
Ich kann was bewegen, ich kann Menschen zusammenbringen;
wir ermutigen uns gegenseitig und fordern uns heraus. 

 

Das Unterschreiben des Vertrags hat mich persönlich dazu bewegt, dem Thema Klimagerechtigkeit wieder mehr konsequent Gewicht in meinem Leben zu geben (auch wenn das nicht heißt, dass ich immer alles richtig mache, darum geht’s auch nicht).
Es lässt mich mich selbst als politisches Wesen begreifen, das sich in seiner Individualität in Gesellschaft und Politik einbringen kann und sollte. 

 

Damit sind wir bei dem, was mich an der Initiative klimagerecht Leben am meisten berührt und bewegt: 

 

Sie stellt eine Frage, die – einmal zu Ende gedacht – in ihrer transformatorischen, weltbewegenden, alles-auf-den-Kopf-stellenden Kraft nicht zu unterschätzen ist.

 

Die Frage:
Wie wollen wir eigentlich leben?

 

Wir stellen diese Frage an das persönliche Leben, an jede*n einzelne*n von uns durch den „Vertrag mit Dir selbst“.
Dieser ist schriftlicher und öffentlicher Ausdruck davon, dass mir und dir Klimagerechtigkeit so wichtig ist, dass es im eigenen Leben sichtbar werden soll. Als Ideal, natürlich. Es geht schließlich um eine Vision eines guten Lebens.
Wir glauben, dass dieses gute Leben ein gutes Leben für alle bedeutet.
Ein Leben, das Reichtum nicht an Geld misst, sondern an der Fähigkeit, Mensch zu sein. 

 

Da wir nicht nur als Individuen aneinander vorbeileben und als Einzelne nicht alles ändern können, stellen wir diese Frage auch an uns als Gesellschaft.

 

Dazu gehört die Frage, wer dieses Wir überhaupt sein soll und wen wir meinen, wenn wir das sagen.
Wir Deutschen? Wohl kaum.
Wir Menschen? Ja.
Wir verstehen unsere Welt als unser Zuhause, in dem alles mit allen verbunden ist.
Diese Verhältnisse sind aber noch sehr im Ungleichgewicht anhand verschiedener Kategorien. 

 

Die Klimagerechtigkeitsbewegung ist in meinen Augen so großartig, weil sie ganz praktisch und konkret von einer Welt träumt, in der es dieses Ungleichgewicht nicht mehr gibt. Weil die Trennlinien Quatsch sind und nur der Machterhaltung und Bereicherung einiger Weniger dienen.
Dass ich selbst in vielerlei Hinsicht auch dazu gehöre, macht Selbstkritik, Zuhören und Teilen notwendig. 

 

Sobald wir erkennen, dass das Ungleichgewicht zwischen beispielsweise Geschlechtern usw. kein Naturgesetz ist, sehen wir, dass es deswegen auch veränderbar ist! Oder wie FFF ruft: „Another world is possible!“

 

Der Ansatz der Initiative ist: Wir leben das „einfach“ schonmal.
Dabei kommen wir immer wieder an Grenzen.
Deswegen ist es wichtig, diese andere Welt auch von denjenigen lautstark zu fordern, die an den Hebeln der Macht sitzen und zu nerven, nerven, nerven, bis wir gehört werden. 

 

Fordern, was wir leben und leben, was wir fordern.
Das ist der Grundsatz und beides kann nicht gegeneinander ausgespielt werden. 

 

Ich finde es unglaublich mutig, weil ich weiß, wie anstrengend es sein kann und wie groß die Widerstände sind.
Es geht um tiefe, grundlegende Strukturen, die aufgebrochen werden sollen. Das Patriarchat zum Beispiel. Oder koloniale Strukturen. Oder ein Wirtschaftssystem, das Profit über Menschen stellt.
Aber der Gedanke ist:
Kleine Schritte feiern und große Schritte gehen. 

 

Damit sind wir Teil einer globalen Bewegung, die nicht Geringeres möchte als eine Transformation der Welt. In jederlei Hinsicht.
Nicht nur, weil die Klimakrise wirklich unsere Lebensgrundlage bedroht und wir die Verantwortung dafür tragen. Sondern weil wir auf dem Weg der Frage nach dem guten Leben so viel gewinnen können.
Die Bewegung sagt: Wir gehen dann schonmal vor, ja? Ihr könnt dann einfach hinterherkommen.

 

Was kann es Schöneres, Bedeutsameres geben, als Teil davon zu sein? 

 

 

Tabea Schünemann

 

 

Die Zeit der Verluste

Die Zeit der Verluste

Die Zeit der Verluste

 

Tabea Schünemann

Ich sitze im Zug und lese über das, was Daniel Schreiber unsere „Zeit der Verluste“ nennt. In der Bahnhofsbuchhandlung hatte dieses Buch mich förmlich angesprungen. Denn das ist das, was mein Leben im Moment oft bezeichnet: Unterwegssein und in Bahnhofsbuchhandlungen Trost für mein unstetiges Leben suchen. Diese Mal also in einem Buch mit buntem Umschlag und wenigen Seiten, die aber auf treffende Weise dem Ausdruck verleihen, was ich nicht ausdrücken kann. Dem Worte geben, für das es keine Worte gibt. Einen Umgang mit Gefühlen, für die wir keinen Umgang haben: Trauer und Verlust.

Wir alle verlieren die ganze Zeit irgendetwas.

Zur Zeit: Meine Oma ihre Erinnerungen, ihre Orientierung, ihre Selbstbestimmtheit. Mein Vater seine selbstbestimmte Mutter. Ich einen Vater, der scheinbar durch nichts zu erschüttern war. Unsere Gesellschaft ihr Gefühl von Sicherheit und Unverletzbarkeit. Der Mensch sein Gefühl des Unberührtseins von der Natur. Wir erfahren, dass Werte wie Frieden und Demokratie angreifbar sind und die Würde des Menschen sehr wohl antastbar. Wir verlieren das Gefühl, von dem allen nicht angetastet zu sein. Die junge Generation verliert das, von dem wir dachten, dass es Jungsein ausmacht: Leichtigkeit und das Gefühl, unsterblich und unbesiegbar zu sein. Die anderen Generationen verlieren ihre Gewissheit, nicht alles, aber es doch für uns besser gemacht zu haben. Wir verlieren die Erzählung von Fortschritt und endlosem Wachstum. Davon, dass immer alles besser wird und es nur einen Weg gibt: den nach oben. Wir erfahren unsere Begrenzungen. Ich verliere die Gewissheit, alles kontrollieren zu können, wenn ich mich nur genug anstrenge. Ich verliere Vorstellungen von meinem Leben und mir selbst. Ich verliere Menschen und Orte, von denen ich dachte, dass sie für immer oder noch lange zu mir gehören würden.

Das alles tut verdammt weh. Ich glaube, das ist meine Botschaft hier, wenn ich überhaupt eine habe: Veränderungen geht nicht ohne Verlust und Schmerz. Ich verstehe, dass niemand auf etwas verzichten will. Dass man unangenehmen Dingen aus dem Weg gehen will, weil sie, nun ja, unangenehm sind. Aber wenn wir gesellschaftliche Veränderung hin zu einem klimagerechten Leben wollen, müssen wir vielleicht wie eine Ärztin bei der Impfung zugeben: Das wird jetzt kurz wehtun. Wir werden Dinge verlieren und aufgeben müssen. Zum Beispiel: Das Ideal eines guten Lebens, das sich dadurch zeigt, möglichst viel von der Welt gesehen zu haben. Oder möglichst viel zu besitzen. Einen Freiheitsbegriff, der Freiheit so versteht, immer alles machen und bekommen zu können. Das Gefühl, uns das alles ja verdient zu haben.

Gleichzeitig gibt es innerhalb der Klimagerechtigkeitsbewegung einen Teil, der das betont, was wir gewinnen können. Oder auch, worauf wir jetzt schon verzichten. Und: worauf andere die ganze Zeit schon verzichten, damit wir es so gut haben, wie wir es haben. Dass dieser Wohlstand hier nur durch den „Übelstand“ dort überhaupt zu erreichen und zu halten ist. 

Was wir gewinnen können: Gesundheit, Gerechtigkeit, Selbstwirksamkeit, Gemeinschaft, Freiheit von Stress, Angst und Leistungsdruck, Städte, die für uns gebaut sind, kurz: Luft zum Atmen, wörtlich und metaphorisch.

Trotzdem finde ich es wichtig, das Gefühl von Verlust, das sich bei alldem erst einmal einstellt, nicht direkt wegwischen zu wollen.
Menschen zuzuhören und ihre Verlustängste ernst zunehmen ohne, dass man dadurch aufhört, Klimagerechtigkeit zu fordern und zu leben.
Das wünsche ich mir von der Politik und von uns allen.

Tabea Schünemann

 

Drei bittere Wahrheiten zur Klima-Anpassung

Drei bittere Wahrheiten zur Klima-Anpassung

Drei bittere Wahrheiten zur Klima-Anpassung

 

Roland Vossebrecker

Da in absehbarer Zeit die 1,5°-Grad-Grenze überschritten werden wird, macht ein neuer Begriff in der Klimadebatte die Runde: Anpassung.

Dazu drei bittere Wahrheiten:

Klima-Anpassung ist nötig

Keine Frage, natürlich ist sie nötig. Staaten und Regierungen sind in der Verantwortung, ihre Bürger*innen zu schützen, auch gegen die Folgen des Klimawandels. Städte müssen gegen Hitze gewappnet werden, mit Grünanlagen, mit öffentlichen Kühlräumen und Trinkwasser-Spendern. Dämme müssen gegen steigende Meeresspiegel erhöht werden, Wälder durch andere und diversere Baumarten resilient gemacht werden u.v.a.m.

Die heraufziehende Gefahr sollte man nicht unterschätzen, denn die Katastrophen werden kommen, immer häufiger, immer heftiger. Eine vorsorgende Risiko-Planung ist da unabdingbar. Und das wird richtig teuer!

Klima-Anpassung ist das Eingestehen des Scheiterns

Denn die Anpassung an die neue Klimarealität ist nötig, weil die Menschheit beim Verhindern des Klimawandels versagt hat. Die nun für die Anpassung notwendigen finanziellen Mittel wären für die Verhinderung der Klimakatastrophe besser investiert gewesen. Was bleibt ist, mit allen zu Verfügung stehenden Mitteln die Katastrophe einzudämmen. Es bleibt, um jedes Zehntel, um jedes Hundertstel Grad zu kämpfen.

Denn immer noch gilt: Die Vermeidung des Schlimmsten ist viel günstiger als die Katastrophe selbst. Und diese wird nicht nur in € und $ bezahlt, sondern mit Menschenleben.

Klima-Anpassung ist ungerecht

Während Deutschland es sich leisten kann (bei allen aktuellen haushaltspolitischen Engpässen) in Klimaanpassung und in die Beseitigung der Schäden zu investieren, haben die meisten Länder des Globalen Südens diese Möglichkeiten nicht, obwohl sie noch viel heftiger von den Katastrophen betroffen sind. Wie soll Somalia auf die verheerenden Fluten reagieren, die das arme Land nach Jahren einer verheerenden Dürre trafen? Was kann ein Bürgerkriegsland wie Libyen ausrichten nach einem Sturm, der im September ca. 20.000 Menschenleben forderte und die Stadt Darna fast vollständig verwüstete? Und wer redet überhaupt noch über diese Ereignisse – und wer hilft?

So bitter nötig, wie die Klima-Anpassung auch ist: Sie vergrößert globale Ungerechtigkeiten ins Unerträgliche.

 

Da bleibt die Frage: Wie passen wir, Du und ich, uns an?

Einmal mehr sollten wir uns bewusst machen, in was für einer privilegierten Situation wir leben. Die Bedrohungen sind für uns (noch!) relativ moderat. Von Hungersnöten oder Hurrikans sind wir nicht bedroht. Aber wir sollten sensibel sein, besonders in Hitzewellen und Extremwetter-Ereignissen und den besonders empfindlichen und verletzlichen Menschen beistehen.

An die Politik gerichtet muss die Forderung lauten, gemäß dem Verursacher-Prinzip die betroffenen Ländern des Globalen Südens zu unterstützen. Das ist keine Frage von Wohltätigkeit, sondern von Fairness.

Und wie immer sollten wir das, was wir fordern auch leben: Wir müssen immer wieder unsere Fähigkeit zur Solidarität schärfen und unseren Wohlstand mit jenen teilen, die tödlich bedroht sind und sich Anpassung nicht leisten können.

Roland Vossebrecker

 

Kollektive Verdrängung

Kollektive Verdrängung

Kollektive Verdrängung – „So schlimm wird es doch nicht werden“

 

Roland Vossebrecker

Ist die Klimakrise im Bewusstsein der breiten Bevölkerung, in der „Mitte der Gesellschaft“, wie man so sagt, angekommen? Ja und Nein:

Im ZDF-Politbarometer vom April 2023 waren 48 % der Befragten der Meinung, es würde zu wenig für den Klimaschutz getan. So weit, so gut, aber im Januar 2024 waren es nur noch 35 %, 22 % hielten die Maßnahmen für gerade richtig, und für atemberaubende 37 % gingen die Maßnahmen zu weit.

Natürlich gibt es sie, die Menschen, die begriffen haben, was auf dem Spiel steht, die sich engagieren, die kämpfen, um das Schlimmste noch zu verhindern. Aber noch mal: Ein sattes Drittel der Deutschen ist der Meinung, es würde zu viel für den Klimaschutz getan!

Dazu kommt, dass gar zu Viele zwar für mehr Klimaschutz sind, aber gegen Maßnahmen, die sie selbst betreffen. Klimaschutz sollen die anderen machen, aber ein Windrad in Sichtweite möchte man dann doch lieber nicht, und kosten soll der Klimaschutz natürlich auch nichts.

Also doch eher nein, auf jeden Fall nicht ausreichend. Und dies trotz jahrzehntealter wissenschaftlicher Erkenntnisse und immer drastischerer Weckrufe:

  • Bereits 2019 hatten 11.000 Wissenschaftler*innen gewarnt, wenn sich das menschliche Verhalten, das zu Treibhausgasausstoß und anderen den Klimawandel begünstigenden Faktoren führt, nicht grundlegend und anhaltend verändere, sei „unsägliches menschliches Leid“ nicht mehr zu verhindern.
  • UN-Generalsekretär António Guterres sparte auf der Weltklimakonferenz im ägyptischen Scharm el Scheich nicht mit deutlichen Formulierungen: „Wir sind auf dem Highway zur Klimahölle mit dem Fuß auf dem Gaspedal.“ und „Entweder gibt es einen solidarischen Klimavertrag oder einen Vertrag zum kollektiven Selbstmord.“ 
  • Ein internationales Team in den „Proceedings“ der US-Nationalen Akademie der Wissenschaften („PNAS“) schreibt in ihrer Studie „Klima-Endspiel: Erforschung katastrophaler Szenarien des Klimawandels“, dass dieser im schlimmsten Fall zum Aussterben der Menschheit führen könnte. 

Quelle: ZDF

 

Was sind die Ursachen dieser kollektiven Verdrängungsleistung? Aus welchen Gründen machen sich viele Menschen mehr Sorgen um ihren Mallorca-Urlaub als um eine eskalierende Klimakrise? Wieso haben viele mehr Angst vor Klimaschutz als vor der heraufziehenden Klimakatastrophe? Wieso leben die meisten Menschen ihr Leben mehr oder weniger unbeeindruckt von den wissenschaftlichen Warnungen weiter wie bisher?

Eine einfache Antwort kann es nicht geben und Ursachen für menschliches Verhalten sind immer vielfältig.

Die Lobby

Die fossile Lobby war nicht untätig. Seit Jahrzehnten werden Desinformationen gestreut und Zweifel am menschengemachten Klimawandel gesät. Als sich dieser nicht mehr leugnen ließ, ging man dazu über, die Verantwortung den „Verbraucher*innen“ in die Schuhe zu schieben und gleichzeitig mit verführerischen Greenwashing-Angeboten die Kundschaft einzulullen. Die Werbung trägt ihren Teil dazu bei: „Rette die Meere mit Shampoo!“ 

Die Gesellschaft

Menschen orientieren sich an anderen, an ihrem sozialen Umfeld, an gesellschaftlichen Normen. Selbst in offensichtlichen Notsituationen reagieren die meisten nicht, wenn auch andere die Warnzeichen ignorieren. Das haben sozial-psychologische Studien gezeigt. (So z. B. in der sogenannten „Rauchstudie“, bei der nur 10 % der Probanden Alarm schlagen, wenn Rauch ins Zimmer strömt, aber andere Anwesende nicht darauf reagieren.)

Mit unserer gelebten „Normalität“ bestätigen wir uns gegenseitig täglich, dass uns die Klimakrise nicht betrifft.

Die Politik

Dramatisch verschärft wird dieser Effekt dadurch, dass die Weckrufe keinen Widerhall in politischem Handeln haben. Die Warnung vor einem möglichen Aussterben der Menschheit sollte doch eigentlich Anlass genug für einen Krisengipfel sein, aber ein solcher ist nicht in Sicht. Reaktionen der politischen Akteur*innen bleiben regelmäßig aus, und die alljährlichen Weltklimakonferenzen können mit ihrer routinierten Ergebnislosigkeit beim besten Willen nicht als Krisengipfel wahrgenommen werden.

Wenn dann auch noch prominente Politiker*innen allen wissenschaftlichen Warnungen und Erkenntnissen ausdrücklich widersprechen (Friedrich Merz: „Es ist eben gerade nicht so, dass morgen die Welt untergeht. Wenn wir in den nächsten zehn Jahren die Weichen richtig stellen, sind wir auf einem guten Weg“), dann muss nicht mehr verwundern, dass der Eindruck entsteht, es sei ja alles doch gar nicht so schlimm.

Die Medien

Eine besondere Verantwortung kommt auch den Medien zu. Eine falschverstandene „Meinungsvielfalt“, das Nebeneinander von populistischen Falschbehauptungen und wissenschaftlichen Erkenntnissen trägt massiv zur Verunsicherung bei. 

„Jede*r hat das Recht auf eine eigene Meinung, aber nicht auf eigene Fakten.“

Eckart von Hirschhausen (und viele andere)

Es ist nicht lange her (Mai 2023), da musste der Klimaforscher Mojib Latif bei Markus Lanz das verlogene Geschwätz eines AfD-Menschen ertragen. Warum gibt man solchen Leuten eine Bühne für ihre Lügen? 

https://weact.campact.de/petitions/keine-buhne-fur-nazi-propaganda-im-orr 

Das Argument, ein gestandener Wissenschaftler wie Latif müsse solche Unwahrheiten doch leicht entkräften können, zieht leider nicht: Wer Lügen glauben will, der glaubt sie eben! Die rechten Populisten wissen sehr genau, wie verführerisch ihre Lügen sind. Eine Welt ohne Klimawandel wäre ja viel bequemer und sorgenfreier, und so müssen auch die eigenen Privilegien nicht hinterfragt werden. Das Verständnis für wissenschaftliches Denken und das Vertrauen in wissenschaftliche Erkenntnisse werden so systematisch diskreditiert. 

Markus Lanz schlug in dieselbe Kerbe, als er im Gespräch mit Carla Rochel („Letzte Generation“) die unsägliche Frage formulierte: „Aber woher weiß die Wissenschaft das?“. Verantwortungsvoller Journalismus geht anders! Ganz anders!

Auch an anderer Stelle werden die Medien vielfach ihrer Verantwortung nicht gerecht.

„Die Medien haben es versäumt, diejenigen, die für die Zerstörung unserer Biosphäre verantwortlich sind, zur Rechenschaft zu ziehen, und agierten praktisch als Wächter des Status quo. Angesichts der Größe unserer Mission und der Zeit, die uns zum Handeln bleibt, gibt es ehrlich gesagt keine andere Instanz als die Medien, die die Möglichkeit hat, die notwendige Transformation unserer globalen Gesellschaft herbeizuführen. Damit dies geschieht, müssen sie beginnen, die Klima-, Umwelt- und Nachhaltigkeitskrise wie die existenzielle Krise zu behandeln, die sie ist. Es muss die Nachrichten dominieren.“

      Greta Thunberg, The Climate Book

Es muss die Nachrichten dominieren! Aber das passiert (noch) nicht. 

Natürlich wird über die sich häufenden Klimakatastrophen und über die unzähligen Weckrufe der Wissenschaft berichtet. Im Hitzesommer 2023 mit weltweiten Rekordtemperaturen, Waldbränden und Überschwemmungen sind die Nachrichten voll davon. Aber die Dramatik solcher Meldungen verpufft augenblicklich, wenn unmittelbar danach Elon Musks Ego-Trip seiner SpaceX-Riesenrakete gefeiert und das Ausscheiden des FC Bayern München aus der Champions League als die eigentliche nationale Katastrophe beklagt wird.

Es fehlen die Kontexte, die Zusammenhänge, die Konsequenzen. Wer würde es wagen, nach einer Formel-1-Berichterstattung auf die verheerende CO2-Bilanz einer solchen Veranstaltung hinzuweisen? Selbst neben hervorragenden Artikeln zur Klimathematik finden sich immer wieder Werbeanzeigen für Kreuzfahrten oder SUVs. So werden die Botschaften, die Appelle, die Warnungen auf schnellstem Wege neutralisiert. 

Während ich diese Zeilen schreibe, werden Tourist*innen von der griechischen Insel Rhodos evakuiert und vor den Bränden in Sicherheit gebracht. Gleichzeitig landen weitere Ferienflieger auf Rhodos. Wer würde den Hinweis wagen, dass es in Zeiten einer eskalierenden Klimakrise keine so gute Idee ist, in den Urlaub zu fliegen und damit die Krise weiter anzuheizen?

Nun wird medial diskutiert, ob 2050 noch jemand am Mittelmeer Urlaub machen wird. Da heißt es, dass der italienischen Tourismusbranche Einbußen von 52 Milliarden Euro drohen – wenn die Durchschnittstemperatur um 4° Grad ansteigt. Was für ein falscher Fokus! Warum wird nicht vermittelt, dass es bei vier Grad nicht mehr um den Urlaub, sondern ums Überleben geht?

Nötig wäre es…

 

Unsere Aufgabe

Wie also können wir Menschen erreichen, aufwecken, überzeugen?
Klima-Kommunikation ist eine schwierige Angelegenheit. Meiner Überzeugung nach braucht sie, neben Geduld und Fingerspitzengefühl, im Wesentlichen drei Schritte: 

  • Die drohende Gefahr klar benennen. Was steht auf dem Spiel?
  • Verantwortlichkeiten und Handlungsspielräume aufzeigen. Welchen Beitrag kann/muss ich leisten?
  • Eine positive Vision. Was können wir gewinnen?

Roland Vossebrecker

 

P. S. Eine sehr positive Initiative (unter vielen) ist das Netzwerk Klimajournalismus

Es gibt Journalist*innen das notwendige Knowhow an die Hand, um kompetenter, umfassender und seriöser über die Klimakrise berichten zu können.

Generationengerechtigkeit

Generationengerechtigkeit

Generationengerechtigkeit – Gastbeitrag der

BUNDjugend Kürten

Hannah, Simon und Joshua Käsbach

Unsere Perspektive auf Generationengerechtigkeit und warum das wichtig ist

Hey, wir sind die BUNDjugend Kürten, eine Gruppe von engagierten Jugendlichen, die sich für ein gerechteres Kürten (eine Gemeinde im Bergischen Land) einsetzt. Allgemein setzt sich die BUNDjugend mit vielfältigen Workshops, Projekten, Bündnisarbeit und vielem mehr für soziale, ökologische und globale Gerechtigkeit ein, sprich Klimagerechtigkeit.

Wir wollen in diesem Beitrag Generationen-Gerechtigkeit beziehungsweise -Ungerechtigkeit beleuchten. 

Vorweg möchten wir betonen, dass wir diesen Text zu dritt geschrieben haben und wir deshalb natürlich nur eine eingeschränkte Sicht auf dieses super vielseitige Thema einnehmen können.  Der Artikel kann diesem großen Thema auch deshalb nicht ganz gerecht werden und soll sozusagen nur ein Einstieg sein.  Zudem sind wir weiß und privilegiert und sind uns bewusst, dass wir deshalb rassistische Denkmuster (unbewusst) reproduzieren. Wir sind in einem Rassismus-kritischen Prozess, arbeiten also daran (was wir alle tun sollten!).

 

Was ist Generationengerechtigkeit überhaupt?

Generationengerechtigkeit heißt grob gesagt, dass junge und kommende Generationen in der Gegenwart und Zukunft dieselben Chancen haben sollten wie die Generationen vor ihnen.
Also vor allem, was die Befriedigung von Grundbedürfnissen wie Ernährungssicherheit, ein sicheres Zuhause etc. betrifft.
Dabei spielen Fragen zur Klimakrise, dem Artensterben, Umweltschutz und weitere soziale Fragen eine Rolle.
Außerdem sollten Politiker*innen und andere Menschen mit besonderer Verantwortung so handeln, dass die Lebensgrundlagen der jungen und künftigen Generationen gesichert und deren Perspektiven dabei mit einbezogen werden.

 

Warum ist das aktuelle System, in dem wir leben, generationenungerecht?

Zurzeit ist es so, dass die Zukunft von uns jungen Menschen stark gefährdet ist.
Entscheidungen, die unsere Zukunft betreffen, werden über unsere Köpfe hinweg getroffen und Menschen der älteren Generation entscheiden darüber. Oft wird uns nicht so viel zugetraut. Wir werden also aufgrund unseres Alters diskriminiert, weil wir zum Beispiel nicht so viel Lebenserfahrung haben und deshalb angeblich nicht so viel wüssten oder entscheiden könnten! Wir werden systematisch nicht beteiligt.  #adultismus 

Ein eindrückliches Beispiel dafür ist die Klimakrise.
Wir alle wissen, dass sich die Erde durch den Ausstoß von Treibhausgasen, wie CO2 oder Methan, erhitzt. Diese entstehen vor allem durch die Verbrennung fossiler Energien (Kohle, Öl, Gas) oder in der industriellen Landwirtschaft. Dadurch hat sich die Erde heute schon um etwa 1,2 °C erwärmt. Das hört sich nicht viel an, es hat aber heute schon krasse Folgen, wie etwa starke Dürren, Wasserknappheit, Fluten und weitere Naturkatastrophen. Und trotzdem steigen die Emissionen weiter und die Klimakrise wird angeheizt. Dadurch verlieren jetzt schon enorm viele Menschen ihre Lebensgrundlagen, vor allem im Globalen Süden. Das wird sich in Zukunft weiter verschlimmern. Wie schlimm, entscheidet sich in den nächsten Monaten und Jahren, je nachdem, wann wir endlich anfangen die Emissionen drastisch zu reduzieren. 

Genau deshalb ist auch unsere Zukunft gefährdet.
Unsere Lebensgrundlagen sind bedroht, weil Generationen vor uns Entscheidungen getroffen haben, ohne die Folgen für uns zu bedenken. Und genau das wird mehr oder weniger weiter gemacht.

Das ist absolut unfair, oder was meinst Du?

Gegen diese Ungerechtigkeiten sind junge Menschen schon in der Vergangenheit laut geworden und tun es weiterhin. Zum Beispiel eben durch Jugendorganisationen wie die BUNDjugend, Fridays for Future und einige mehr. Jahrelang wird nun schon gefordert, dass die Politiker*innen sowohl der historischen und der globalen Verantwortung als auch der Verantwortung gegenüber uns jungen Menschen und künftigen Generationen gerecht werden!

 

Was muss sich deshalb aus unserer Perspektive dringend ändern?

Es muss dringend gehandelt werden! Besonders in Bezug auf Klimagerechtigkeit, Natur- und Artenschutz.
Was dafür passieren muss, liegt auf der Hand.
Bei der Umsetzung dieser Maßnahmen müssen bisher diskriminierte Menschen, wozu eben auch wir jungen Menschen gehören, gehört und ernst genommen werden. Denn es kann nicht sein, dass weiter Entscheidungen gefällt werden, die unsere Zukunft zerstören!
Wir müssen endlich aktiv beteiligt werden und wirklich mitbestimmen dürfen!

Leider wird dies nicht von allein passieren.
Wir müssen uns gemeinsam dafür stark machen und Forderungen an Entscheidungsträger*innen stellen.
Wir haben ein Recht auf eine lebenswerte Zukunft!
Wir alle müssen die Möglichkeit haben, diese mitzugestalten.

Deshalb möchten wir Dich dazu ermutigen, Dich gemeinsam mit vielen großartigen Menschen zu engagieren und zu organisieren.
Lasst uns für unsere Rechte laut werden und zusammenhalten!
Zusätzlich braucht es Solidarität und Zusammenarbeit zwischen allen Generationen!

Also: Informiere dich weiter, werde laut und lass uns gemeinsam die Welt gerechter machen!

Hannah, Simon und Joshua Käsbach 

 

 

(Buchtipp, um dich weiter dazu zu informieren:
„Nehmt uns endlich ernst- Ein Aufschrei gegen die Übermacht der Alten“ von Ananda Klaar)

 

TUT EUCH ZUSAMMEN

TUT EUCH ZUSAMMEN

Tut euch zusammen!

von Tabea Schünemann

Ich sitze mit meinen Mitbewohnerinnen in der Küche und wir reden übers Klima.

Wie wir dahingekommen sind? Meine Mitbewohnerin erzählte von ihrer Unsicherheit beim Thema Kinderkriegen und der Sorge, wie es ihrem Kind dann wohl mal gehen würde. Kann man in so eine Welt Kinder setzen? Eine Frage, die viele, die wie ich in ihren Zwanzigern sind, beschäftigt.

Mein Thema hier ist weniger diese Frage, sondern mehr der Punkt, dass es so guttat, darüber zu sprechen. Über die Sorgen, die Ängste, den Frust. Klimagefühle eben. Eine Rückmeldung, die wir auch oft nach den Klimatalks bekommen. 

Deswegen ist meine Botschaft hier ganz einfach:

 

DU BIST NICHT ALLEIN!

 

Wenn wir einsam zuhause sitzen und uns selbst dafür hassen, dass wir schon wieder Käse gegessen haben, obwohl doch veganurary ist, lachen sich die fossilen Lobbyisten ins Fäustchen. Das ist genau das, was sie brauchen: Menschen, die denken, sie können eh nichts bewirken und deswegen nichts tun. Menschen, die nicht wissen, dass es da draußen Menschen gibt, denen es genauso wichtig ist und mit denen sie sich zusammenschließen könnten. Und sollten. Weil es unsere Demokratie und unser Leben ist! 

 

Ich glaube einfach, Vereinsamung ist nicht zu unterschätzen. Genauso wenig aber Gemeinschaft, oder besser Gemeinsamung. 

Und ja, der Widerstand ist riesig, die Gegenstimmen plärren laut durch social media und sämtliche Talkshows. Aber so viele Menschen finden dieses Geplärre genauso anstrengend und giftig wie du. Tut euch zusammen und setzt dem was entgegen! 

Nichts ist schöner als gegenseitige Inspiration und Selbstwirksamkeit. Das sind die Erfahrungen, die wir brauchen, in Zeiten sozialer Kälte und Erderhitzung. 

 

 

P.S.: Wir als Initiative sind immer ansprechbar und über verschiedenste Kanäle erreichbar. 

 

P.P.S.: Du willst bei dir vor Ort einen Klimatalk starten? Schritt eins: Lade zwei, drei Freund*innen zu dir nachhause ein und überlegt euch, wie das bei euch aussehen könnte. Denk dran: Alles beginnt mit einer Person, die sagt: „Ich hab da ne Idee!“ und einer Person, die sagt: „Du spinnst, ich mach mit.“ 

 

Tabea Schünemann