Kleben fürs Klima – ein Statement zur „LetzTen Generation“ 

Kleben fürs Klima – ein Statement zur „LetzTen Generation“ 

Kleben fürs Klima – ein Statement zur „Letzten Generation“

von Raik Weidemann

Kleben fürs Klima. Was soll das bitte bringen? Was haben Monet, Beethoven oder der Otto-Normalverbraucher im Feierabendverkehr mit dem Klima zu tun??!

Wir alle sind einfach nur genervt von diesen überheblichen Aufmerksamkeits-Junkies. Ihre Aktionen treffen die Falschen, sind einfallslos und überschreiten zunehmend Grenzen. Statt Menschen für den Klimaschutz zu begeistern, erreichen sie genau das Gegenteil. 

 

Das jedenfalls ist die Kernaussage nahezu aller, mit denen ich mich über die Klima-Kleber unterhalte. Die Haltung dahinter heißt: „Natürlich bin ich fürs Klima. Aber irgendwie muss der Klimaschutz so gestaltet werden, dass ich möglichst nichts davon merke und mein Leben in gewohnter Weise fortführen kann.“ Aber funktioniert das? 

 

Schon jetzt stört das Klima immer wieder unseren Alltag. Als ich letzten Sommer mit meiner Freundin ihre Eltern in der Oberlausitz besuchen wollte, sind wir in Dresden stecken geblieben. Ein Waldbrand in Klotzsche hat die Schienen bedroht, wodurch der Bahnverkehr eingestellt wurde. Glücklicherweise hat mein künftiger Schwiegervater in eine überteuerte Tankladung fossiler Energie investiert und uns abgeholt. Ohne Störung durch Klimakleber sind wir so am selben Abend noch angekommen. Mit diesem Auto haben wir am übernächsten Tag auch einen Ausflug nach Tschechien gemacht und sind dort in den wunderschönen Wäldern der böhmischen Schweiz spazieren gegangen – eine Woche bevor auch diese abgebrannt sind.

 

Wie sieht unsere Welt in 30 Jahren aus, wenn sich die Intensität und Häufigkeit dieser Waldbrände vervielfachen? Was machen wir, wenn die Seine über die Ufer tritt, das Lager des Louvre überflutet und tausende von Kunstschätzen unwiderruflich zerstört? Wenn Hamburg unter Wasser steht und Beethoven nie wieder in der Elbphilharmonie erklingt, werden wir uns dann wünschen, wir hätten früher gehandelt? Werden wir es bereuen, dass wir nicht 30 Jahre früher freiwillig unser Leben radikal verändert haben? 

 

Die Erkenntnisse zum Klimawandel sind alt. Friedliche Klimaproteste gibt es seit mindestens 20 Jahren und ganz verstärkt in den letzten fünf Jahren. Warum ändert sich nichts? Andreas Malm weist in seinem Buch „Wie man eine Pipeline in die Luft jagt“ darauf hin, dass erfolgreiche Bewegungen wie der Kampf gegen die Sklaverei in den USA, der Kampf gegen die Apartheid in Südafrika, die Suffragetten-Bewegung oder der arabische Frühling nicht nur friedliche Demonstrationen, sondern auch militante Kämpfe waren. Vielleicht erreichen wir wirksamen Klimaschutz auch erst durch zivilen Ungehorsam, Eingreifen, Sabotage und Konfrontation. Klar ist, dass sich Politik und Wirtschaft ändern müssen. Aber geht Klimaschutz ohne gesellschaftlichen Wandel? 

 

Nein! Jeder einzelne von uns muss sein Leben umstellen, muss auf manche Annehmlichkeiten verzichten, muss lieb gewonnene Gewohnheiten ändern. Zwar richten sich die Forderungen der „Letzten Generation“ an die Politik, doch stören ihre Protestformen unseren Alltag, ärgern uns, zwingen uns zum Anhalten, und bringen uns so Nachdenken.

 

Die letzte Generation sind wir alle. Wir sind die Letzten, die die schlimmsten Ausmaße der Klimakatastrophe noch abwenden können. Jeden Tag bekommen wir aus der Zukunft die Hand gereicht. Jeden Tag können wir aufs Neue entscheiden, ob wir mit einen Weiter-so dieses Angebot ablehnen und unsere eigene Zukunft zerstören, oder ob wir uns an den Verhandlungstisch setzen und die Bedingungen aushandeln, die uns eine lebenswerte Zukunft ermöglichen – eine Zukunft mit Monet, mit Beethoven, aber ohne Otto-Motor.

Letzte Diskussion?!

Letzte Diskussion?!

Letzte Diskussion?!

von Tabea Schünemann

Ein Kommentar zur „Klimakleber“-Kontroverse

Wer erwartet, dass wir uns als Initiative Klimagerecht Leben hier an dieser Stelle zu den Protesten der „Letzten Generation“ positionieren, den muss ich jetzt leider enttäuschen. Zum einen gibt es dazu innerhalb unserer Gruppe so viele Meinungen wie Mitglieder, sodass eine geschlossene offizielle Haltung dazu unmöglich und auch nicht zwingend nötig ist. Zum anderen ist es meiner Meinung nach auch gar nicht die eigentliche Frage, wie diese Proteste zu bewerten sind oder wie legitim ziviler Ungehorsam in welcher Form ist. Natürlich sind das alles interessante Fragen, die auch die Klimabewegungen beschäftigen, aber die aktuelle Diskussion verläuft in meinen Augen total schief und geht an den dringenden Fragen vorbei

Anstatt über die Aktionsformen der „Letzten Generation“ zu diskutieren, müsste man fragen:

Was bewegt Menschen dazu, sich auf der Straße festzukleben, damit endlich mal ihr Anliegen ernst genommen wird? Wieso gelingt es einer demokratischen Gesellschaft nicht, diesen Menschen zuzuhören?

Ihre Anliegen und Forderungen sind absolut berechtigt, aber anstatt dies schuldbewusst anzuerkennen und sich der eigenen Verantwortung bewusst zu werden, werden sie kriminalisiert.

Um abzulenken von der unbequemen Wahrheit, die diese Menschen wagen, auszusprechen!
Diese Proteste wären überhaupt nicht nötig, wenn schon längst das politische und gesellschaftliche Bewusstsein für die Dringlichkeit von Klimaschutz und die entsprechenden (versprochenen) Handlungen vorhanden wären! Dies zeigen sie in aller Deutlichkeit.

Die Frage ist also eher:
Wie konnte es überhaupt so weit kommen?
Ich deute die Proteste als verzweifeltes: 

JETZT HÖRT ENDLICH MAL ZU UND MACHT MAL WAS!

Alles konventionelle Reden und Demonstrieren scheint nicht zu reichen, damit alle endlich verstehen, dass jetzt wirklich etwas getan werden muss.
Das ist keine apokalyptische Panikmache einer Jugend, die vergessen hat, in ihren 20ern Spaß zu haben!
Es sind auch keine „Klimakleber“, denen es Spaß macht, von Passant*innen angepöbelt zu werden.
Es sind Menschen mit einer schlichte Forderung: Hört den Wissenschaftler*innen endlich zu, ist das zu viel verlangt?
Natürlich bedeutet Demokratie auch Kompromisse und langsame Prozesse, aber die aktuelle Debatte verlangsamt diese noch mehr, weil lieber über die Legitimität der Proteste diskutiert wird als endlich im Handeln weiterzukommen.
Es scheint manchen gesellschaftlichen und politischen Strömungen ganz gelegen zu kommen, denn so muss man sich nicht der eigenen Verantwortung stellen, zu der man gezogen wird.

Warum werden Klimaaktivist*innen kriminalisiert und nicht die großen Verbrecher*innen der Klimakrise?
Warum wird nicht thematisiert, welche Gewalt die Klimakrise hervorbringt und welche Verantwortung der Bundesregierung auch laut Bundesverfassungsgericht darin zugeschrieben wird? Welche Tote sie schon gefordert hat, fordert und fordern wird? 

Dazu untersucht Gesa Lindemann in einem Zeit-Artikel den Begriff der Gewalt genauer und schlägt die Formulierung „ökologische Gewalt“ in Anlehnung an das Klimaschutz-Urteil des Bundesverfassungsgerichts vor. 

Sie kommt zu dem Schluss: 

„Die Aktionen von Letzte Generation oder Ende Gelände tun nichts anderes, als die deutsche Politik daran zu erinnern, dass das BVerfG sie dazu verpflichtet, der ökologischen Gewalt nach innen und in der internationalen Politik entgegenzutreten.“

Lasst uns bitte über die wirklichen Verbrechen und Verantwortungen sprechen!

Lasst uns die wissenschaftlichen Erkenntnisse und Warnungen endlich ernst nehmen!

Lasst uns endlich das Richtige tun, statt über das Falsche zu reden!

Tabea Schünemann