Green Lifestyle

Green Lifestyle

Green Lifestyle

von Roland Vossebrecker

Ich bin so sauer!

Neulich las ich in der Straßenbahn diese Werbesprüche: Macht mit Shampoo die Meere sauber und Rettet mit Deo den Regenwald (Bio-Markt)

In der Stadt sah ich Plakate für „nachhaltige Kreuzfahrten“. Da hab‘ ich mal recherchiert und fand im Netz „wertvolle Tipps“, wie man seine Kreuzfahrt selbst nachhaltig gestalten kann. Da wird z. B. empfohlen, das Licht beim Verlassen der Kabine auszuschalten, beim Zähneputzen nicht das Wasser laufen zu lassen und sich am All-inclusive-Buffet tatsächlich nur so viel zu nehmen, wie man auch essen kann. (Im Ernst, ich denke mir das nicht aus, das steht da wirklich!)

Selbst auf einer Öko-Seite (Wir-leben-nachhaltig), auf der die katastrophalen Umweltauswirkungen von Kreuzfahrten aufgelistet werden, folgt am Ende die Empfehlung: Fragen Sie bei der nächsten Buchung genauer nach und machen Sie deutlich, dass Ihnen die Umweltauswirkungen Ihrer Reise nicht egal sind.

Vor mir liegt ein 130-Seiten starkes Magazin, 

green Lifstyle, MEHR NATUR WAGEN: für einen nachhaltigen Spirit, prall gefüllt mit Tipps (= mit Werbung!) für einen nachhaltigen Lebensstil. Da geht es um Genussbewusste Ernährung (!) BIO; FAIR … LECKER, um FAIRE FASHION; SCHMUCK & ACCESSOIRES; es geht um natürliches Anti-Aging, zertifizierte Naturkosmetik mit natürlichen Beauty-Boostern. 

Natürlich fehlt auch nicht die multimolekulare Hyaluronsäure, die dir im Body Gel von bla-bla-bla-Cosmetics für schlappe 89,- € (!!) ein erfrischendes Hautbild verpasst.

Unter Innovative Ideen für soziales Engagement (!!!) und alles, was unseren Alltag etwas grüner macht findet man neben vegetarischem Hundefutter auch Nachhaltiger Fliegen, außerdem einen Artikel unter dem Titel FLORIDA NACHHALTIG BEREISEN, mit mehr als 360 Sonnentagen im Jahr ist Florida ein fantastisches Reiseziel: Spannende Städte, puderweiße Sandstrände, kristallklares Wasser sowie einzigartige Flora und Fauna. Hier erfährt man, dass umweltbewusstes Reisen durchaus möglich ist sowie Erholung und Nachhaltigkeit sich wunderbar miteinander verbinden lassen.

===    Schnitt    ===

Unsere Welt befindet sich in einem Notstand.

Die Meere sind hemmungslos überfischt, sie versauern und erwärmen sich, die Korallen sterben, der Meeresspiegel steigt, der Nordpazifische Plastikstrudel wird auf 1,6 Millionen Quadratkilometer geschätzt, was in etwa der Fläche von Mitteleuropa entspricht – und man erzählt uns, wir sollen mit Shampoo die Meere sauber machen.

Die Regenwälder werden abgeholzt und brandgerodet, der Amazonasregenwald stößt inzwischen mehr CO2 aus, als er bindet – und man erzählt uns, wir sollen ihn mit Deo retten.

Das Klimasystem droht völlig aus dem Ruder zu laufen. Statt auf 1,5° steuert die Welt auf eine Erhitzung von 2,5° bis 2,7° Grad zu. Etliche Kipppunkte werden auf dem Weg gerissen – und man erzählt uns, wir sollten in unserer Kreuzfahrtkabine beim Verlassen das Licht ausschalten.

In Ostafrika sind vier Regenzeiten in Folge ausgefallen. Aufgrund der Dürre herrscht eine verheerende Hungersnot – und man erzählt uns, wir sollten bei unserer nächsten Kreuzfahrtbuchung genauer nachfragen und wir könnten Floridas puderweiße Sandstrände nachhaltig genießen.

Es ist alles so falsch, so verlogen!

In alledem will man uns weismachen, dass wir im Grunde einfach so weiter machen können wie bisher. Für die Weltrettung müssen wir einfach nur – kaufen, etwas anders kaufen als früher, ja, aber eben kaufen, konsumieren, Luxus und Überfluss weiter in vollen Zügen genießen. Es geht eben um „Lifestyle“, nicht um Verantwortung.

Das Schreckliche daran ist, dass solche Werbung bei vielen Menschen verfängt, dass viel zu viele meinen, sie würden bereits „nachhaltig“ leben, wenn sie mit ihrem SUV zum Biomarkt fahren. Es mag ja durchaus sein, dass jedes dieser angepriesenen Produkte ein wenig besser ist als die herkömmliche Alternative, aber:

„Per se nachhaltige Technologien und Objekte sind schlicht undenkbar. Allein Lebensstile können nachhaltig sein.“

Nico Paech, Befreiung vom Überfluss, 2016

Er hat ja so recht. Allein ein verantwortungsvoller und rücksichtsvoller Lebensstil mit der Bereitschaft, den ganzen maßlos überzogenen Konsumanspruch zurückzufahren, zu verzichten zu Gunsten der Natur und der Mitmenschen, kann nachhaltig sein. 

Ein hipper, trendy green Lifestyle kann es nicht!

Roland Vossebrecker

AKTION KLIMAGERECHTES SPENDEN

AKTION KLIMAGERECHTES SPENDEN

Aktion Klimagerechtes Spenden

Konsumverzicht und klimagerechtes Spenden gehören ganz wesentlich zu unserer Agenda in der IKGL.

…Und beides passt so gut in die (Vor-)Weihnachtszeit:

Die Initiative Klimagerecht Leben hat deswegen eine

Online-Spendenaktion für Aktion gegen den Hunger

gestartet:

Wir werden nicht müde zu betonen, dass unser „westlicher“ Wohlstand und Reichtum auf der Verbrennung von Kohlenstoff basiert.

Die Leidtragenden der Klimakatastrophe sind meist aber jene Menschen in armen Ländern des globalen Südens, die kaum oder gar nicht zur Erderhitzung beigetragen haben. 

Eure Spende ist daher ein Beitrag für mehr Klimagerechtigkeit! 

Lieben Dank für eure Unterstützung.

Wir sammeln grundsätzlich keine Spenden für unsere Initiative, sondern wir rufen auf zu klimagerechten Spenden an anerkannte Hilfsorganisationen.

12.01.2023

Die Spendenaktion ist abgeschlossen.

Sie hat, deutlich über das ursprüngliche Ziel hinaus,

4200€

direkt für

Aktion gegen Hunger eingebracht.

Allen Spender*innen herzlichen Dank dafür!

Von Kleinen und großen Baustellen

Von Kleinen und großen Baustellen

Von kleinen und großen Baustellen

von Tabea Schünemann und Roland Vossebrecker

Es ist zum Verzweifeln!

Egal wo ich mich bemühe, ökologisch korrekte Entscheidungen zu treffen, werden mir Steine in den Weg gelegt. Fast immer ist die ökologische Alternative die teurere. Fast immer fühle ich mich hilflos und allein gelassen bei der Wahl zwischen verschiedenen Produkten. Fast immer verfange ich mich in einem undurchdringlichen Wust aus Labels, Siegeln und widersprüchlichen Empfehlungen.

Was ist denn nun besser? Die Bio-Tomate, plastikverpackt aus dem wasserarmen Spanien, oder die deutsche, unverpackte non-Bio-Tomate? Die Vegan-Butter aus Kokos- oder aus Palmöl? Die Glas-Pfandflasche oder die Plastik-Recycling-Flasche?

Antwort: Keine Ahnung!

Solche und ähnliche Fragestellungen können entmutigen und frustrieren, und manch eine*r denkt sich dann vielleicht, dass es zwecklos sei mit dem klimagerechten Leben.

Aber nein, es ist vielleicht doch noch nicht zum Verzweifeln:

Es ist absolut gut und richtig, sich in allen Fragen des täglichen Lebens nach bestem Wissen und Gewissen um die korrekte Entscheidung zu bemühen, auch wenn das nicht immer gelingen wird. Aber es hilft bestimmt, wenn man sich klar wird, dass es bei den oben gestellten Fragen um die kleineren Baustellen geht. 

Das soll diese Fragen nicht abwerten oder kleinreden. Gerade im Netzwerk unserer Initiative können wir uns da gegenseitig unterstützen und inspirieren, mit Informationsaustausch, Ideen, Tipps etc.

Aber die wirklich großen Baustellen, die bedeutendsten Stellschrauben, mit denen wir am meisten bewirken können, sind andere, nämlich:

CO2-Reduktion an den entscheidenden Stellen: Durch Fahrrad und Öffis statt Auto, Bahn statt Flugzeug, durch vegetarische/vegane Ernährung, generelle Sparsamkeit und durch die Vermeidung von jeglicher Verschwendung können wir viel erreichen.

Konsumverzicht: Unser „sonstiger“ Konsum hat immer noch den größten Anteil an unserem ökologischen Fußabdruck. Weniger „Kram“ bedeutet weniger CO2 für die Atmosphäre – und auch mehr Zeit für uns!

Fairness beim unvermeidlichen Konsum: Besonders bei Kleidung, Lebensmitteln und Elektronik sollte auf Fair Trade geachtet werden.

Politisches Engagement: Der Druck der Zivilgesellschaft auf die Politik muss hoch bleiben. Die wesentlichen Strukturveränderungen, die nötig sind, um klimagerechtes Leben zur Normalität werden zu lassen (und uns dann die vielen unlösbaren Einzelentscheidung abzunehmen), müssen politisch und gesellschaftlich erkämpft werden. 

Klimagerechtes Spenden: Im Sinne des Gerechtigkeitsgedankens hat besonders das Spenden, das Teilen von Reichtum mit jenen, die besonders von der Klimakatastrophe betroffen sind, die unmittelbarste und oft lebensrettende Wirkung.

Wir können wirksam sein! Beginnen wir mit den größeren Baustellen!

Tabea Schünemann und Roland Vossebrecker

Konsequent Klimagerecht

Konsequent Klimagerecht

Konsequent Klimagerecht

von Tabea Schünemann und Roland Vossebrecker

Der selbstgestellte Anspruch unserer Initiative für ein konsequent klimagerechtes Leben wirft Fragen auf, Fragen, die wir auch intern immer wieder durchdiskutiert haben

Konsequent klimagerecht, geht das denn überhaupt? Wie konsequent, wo ziehe ich die Grenze? Kann ich denn überhaupt immer die „richtige“ Entscheidung treffen? Wenn ich mich gegen die Plastikverpackung entscheide, nehme ich dann längere Transportwege in Kauf und verschlechtere meine Klimabilanz? Was ist besser, Palmöl oder Kokosöl? Unter welchen Anbaubedingungen? Und wie konsequent muss ich z. B. sein beim Auto, beim Fleisch, beim Konsum?

Wie schaffe ich es, nicht unter einem Perfektionsdruck zusammenzubrechen und
wie gehe ich mit meinem möglichen Scheitern um?

Offensichtlich braucht Konsequenz eine Erklärung:

Das Wichtigste zuerst: 

Wir laden ein, sich auf ein klimagerechtes Leben einzulassen und es möglichst konsequent umzusetzen. Jede und jeder entscheidet selbst nach bestem Wissen und Gewissen, wie die Umsetzung im Detail aussehen wird. Wir kontrollieren nichts, wir sind keine Klima-Stasi und wollen auch keine sein!

Dennoch – wir wollen den Begriff „Klimagerechtigkeit“ ernst und wörtlich nehmen und daher anspruchsvoll an die Sache herangehen. Wie mal eine Diskussionsteilnehmerin treffend bemerkte: „Das ist dann ja endlich mal mehr, als nur ne Plastiktüte einzusparen“. Die eingesparte Plastiktüte reicht uns (und dem Planeten!) nicht!

Vollkommene Konsequenz wird aber immer eine Unmöglichkeit bleiben, vor allem aus zwei Gründen:

Wir leben leider immer noch in einer (Konsum-)Welt, in der uns das klimagerechte Leben schwer gemacht wird, in der Werbung, Preise und gesellschaftlicher Druck das ökologisch korrekte Leben eher verhindern als bestärken, und in der es unmöglich ist, in der Unübersichtlichkeit der Strukturen, Produktionsprozesse, Handelswege und Lieferketten immer die richtige Entscheidung zu treffen.

Und selbst bei optimaler Lebensführung kann man seinen CO2-Fußabdruck auf etwa 5 bis 5,5 Tonnen jährlich reduzieren. Das ist etwa die Hälfte des deutschen Durchschnitts, aber es ist immer noch viel zu viel. Der Rest ist strukturbedingt und entzieht sich unserem direkten Einfluss. 

Deshalb ist politisches Engagement (Teil 4 des Vertrags mit Dir selbst) für ein klimagerechtes Leben so wichtig. Die politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Strukturen müssen so geändert werden, dass klimagerechtes Leben nicht mehr aus lauter komplizierten Einzelentscheidungen besteht, sondern zur Normalität wird. Und diese Veränderungen wollen wir einfordern und – wenn es auch manchmal mühsam ist – vorleben.

Das Mühsame gehört dann ehrlicherweise zum klimagerechten Leben dazu, genauso wie das Wissen um die eigene Unvollkommenheit, das Wissen, dass man dem höchsten Anspruch nie gerecht werden kann.

Dies kann man aber mit Gelassenheit ertragen, wenn man Freude am Engagement empfindet und Wirksamkeit spürt.

Konsequent klimagerecht bedeutet (für mich), persönliche Bedürfnisse dem Gerechtigkeitsgedanken unterzuordnen. Dem zugrunde liegt die schlichte Wahrheit, dass unser (westlicher) Wohlstand auf der Verbrennung von Kohlenstoff basiert und dass darunter am meisten jene leiden, die am wenigsten zur Klimakatastrophe beigetragen haben: Die Menschen in ärmeren Ländern des globalen Südens und die kommenden Generationen. Ihnen gegenüber stehen wir in der Pflicht.

Konsequenz, so wie ich sie verstehe, bedeutet also nicht eine Perfektion, die unerreichbar ist, sondern eine Verinnerlichung des Gerechtigkeits-Gedankens, und dies in allen Aspekten des täglichen Lebens.

Es geht also vielmehr um eine Grundhaltung: nicht perfektionistisch, aber anspruchsvoll, nicht verurteilend, sondern ermutigend, nicht unrealistisch, aber hoffnungsvoll. Es gilt, die eigenen Ausreden und Bequemlichkeiten selbstkritisch zu hinterfragen und dem größeren Gedanken der Gerechtigkeit unterzuordnen, auch wenn das nicht immer perfekt gelingt oder nicht immer gemütlich ist.

Denn nur, wer selbst in diesem Sinne konsequent lebt, ist auch eine Inspirationsquelle für andere. Das erleben wir immer wieder und das macht Mut.

 

Fragenstellungen, die vielleicht helfen:

  • Wird ein (Klima-)schädliches Verhalten dadurch gut, dass man es seltener macht?
  • Sind kleine Verbesserungsschritte angemessen angesichts einer sich immer schneller verschärfenden Katastrophe?
  • Wie verhält sich mein „Gewinn“ (Lustgewinn beim Steak-Verzehr, Bequemlichkeit einer Flugreise etc.) zum angerichteten Schaden für andere?
  • An welchen Stellen kann ich die größte Wirkung erzielen? (siehe: Von kleinen und großen Baustellen)
  • Wie viel Freude vermittelt die Entscheidung für ein klimagerechtes Leben?

 

Tabea Schünemann und Roland Vossebrecker